Die Flüchtlinge werden noch einmal Rechenschaft ablegen müssen…

Im Frühjahr 2016 saß ich bei meiner Großmutter, Jahrgang 1924. Aufgewachsen im frommen Dillkreis in den dunkelsten Zeiten unseres Vaterlandes hatte sie prägende Erfahrungen gemacht. Eine ihrer kurzen Erzählungen ist mir noch in wacher Erinnerung. Ihr Vater, der Dorfschmied war, wollte den Hitlergruß nicht zeigen, und die Familie redete auf ihn ein, er werde auch noch abgeholt. Meine Großmutter war zeitlebens eine gradlinige Frau, sehr harte, bäuerliche Arbeit gewohnt. Wie ihre Arbeit, so auch ihr Charakter, gegen sich selbst und andere. Aber sie liebte mich und ich liebte sie. In 2016 saß ich ihr, die meistens noch sehr klar war, gegenüber und sie stellte fest: „Die Flüchtlinge werden noch einmal Rechenschaft ablegen müssen… für den Karneval!“

Ich dachte, sie verwechselte Karneval mit Silvester und meinte die unsäglichen Übergriffe der Flüchtlinge an Silvester in Köln. Hierfür müssten sie einmal, nämlich vor dem Richterstuhl Christi, Rechenschaft ablegen. Doch meine Großmutter wiederholte wortgleich: „Die Flüchtlinge werden noch einmal Rechenschaft ablegen müssen… für den Karneval!“ Da wurde mir klar und ich lächelte: Diese Frau, gut reformiert erzogen, meinte tatsächlich den Karneval. Und kein Gedanke kam ihr zu den Flüchtlingen unserer Tage. Sie verdammte in calvinistischer Klarheit den katholischen Karneval und forderte Rechenschaft von den katholischen Flüchtlingen, die ihn nach dem Kriege hier, in evangelisches Gebiet, aufgebracht hatten.

Rund 70 Jahre ist dieser Krieg her und als dessen Folge Flucht und Vertreibung aus Mittel- und Osteuropa. Millionen von Menschen wurden aus ihrer Heimat gerissen, so viele gequält und ermordet. Eine Schande, wenn jemand von den Nazijahren als Vogelschiss der deutschen Geschichte spricht. Nicht nur im Hinblick auf das unendliche Leid, was in deutschem Namen über Europa gebracht wurde, sondern auch im Hinblick auf das unsagbare Leid, das sie deutschen Frauen, Männern, Alten und Kindern eingebracht hatten. Gerissen aus ihrer jahrhundertealten Heimat und nicht nur mit offenen Armen aufgenommen. Auch wenn es viele gute Zeichen gab, so gab es doch auch Ausgrenzung und Herablassung gegen die Flüchtlinge, die nicht nur nichts mitbrachten, sondern noch dazu den falschen, den katholischen Glauben.

  1. dankbar bin ich, dass diese Zeiten überwunden sind und ich heute viele Freunde haben darf, die in ihrem katholischen Glauben unseren Herrn Jesus genauso liebhaben, wie ich auch. Wie groß waren die gefühlten Unterschiede, Traditionen und Geschichte und wie nahe sind wir uns in Deutschland, in meiner Generation heute. Gemeinsam Katholiken und Protestanten, gerade wenn es darum geht, dem Ungeist zu wehren, der schon wieder durch Europa zieht. Den Geist der Herablassung und Ausgrenzung, den Ungeist der Anbiederung an korrupte Diktatoren. Deshalb bin ich froh, für die CDU, die Partei mit dem C für Christlich und dem U für die verbindende Union werben zu dürfen. Und für ein Europa, das Menschen miteinander verbindet. Für ein Europa, das auf christlichen Werten wurzelt.

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Alexander Beer
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Aktuelle Ausgabe04.04.