Schulverbot für Jugendoffiziere?

Beschluss der Berliner SPD ist Offenbarungseid

Auch wenn das Datum eine Albernheit nahelegt, war der Parteitagsbeschluss der Berliner SPD am 1. April leider kein Scherz, sondern ein Offenbarungseid. Auf Antrag eines Kreisverbandes beschlossen die Genossen ein Werbeverbot für „militärische Organisationen“ an Berliner Schulen. Welche anderen Adressaten das Schulverbot außer der Bundeswehr noch betreffen soll, bleibt bis heute das Geheimnis der Berliner SPD.

Aber warum dieser Beschluss? Wirbt die Bundeswehr in unseren Schulen um Nachwuchs? In der Begründung des Antrages finden sich leider nur Plattitüden anstatt einer nachvollziehbaren Begründung. So heißt es unter anderem: „Für Töten und Sterben macht man keine Werbung“ und dass die Schülerinnen und Schüler besonders anfällig für „militärische Propaganda“ seien.

Auch die Berliner Juso-Vorsitzende tut sich in einem Interview schwer, den Beschluss, den sie selbst mitträgt, schlüssig zu begründen. Im Deutschlandfunk räumt sie richtigerweise ein, dass die Bundeswehr keine Nachwuchswerbung an Schulen betreibe. Wohl aber leisten sogenannte Jugendoffiziere einen Beitrag zur sicherheitspolitischen Bildung der Schülerinnen und Schüler. Sie nehmen am Unterricht auf Einladung der Schule teil und betreiben eben keine militärische Propaganda. Das ist durch den „Beutelsbacher Konsens“ bereits seit Mitte der 1970er Jahre ausgeschlossen. Der Konsens beinhaltet im Wesentlichen drei Punkte: ein Überwältigungsverbot (keine Indoktrination), die Beachtung kontroverser Positionen in Wissenschaft und Politik im Unterricht und die Befähigung der Schüler, in politischen Situationen ihre eigenen Interessen zu analysieren.

Sucht man das Gespräch mit Jugendoffizieren, wird einem klar, dass abseits der großen sicherheitspolitischen Fragen im Gespräch mit den Schülern vor allem persönliche Eindrücke vom soldatischen Alltag und von Auslandseinsätzen weitergegeben werden. Dabei wird ein authentisches und alles andere als schöngefärbtes Bild des Soldatenberufs vermittelt. Viele Lehrerinnen und Lehrer sind deshalb dankbar, dass es die Jugendoffiziere als Ansprechpartner für bestimmte Lehrinhalte gibt. Gerade in einer Zeit, in der sich sicherheitspolitisch so viel bewegt, wäre es die absolut falsche Maßnahme, die Jugendoffiziere aus dem Unterricht zu verbannen und damit den Schülerinnen und Schülern auch die Möglichkeit zu nehmen, ihre Fragen zu stellen.

Angesichts der bekannten Tatsachen wird schnell klar, dass sich der Parteitagsbeschluss der Berliner SPD einer faktischen Grundlage entzieht. Er muss daher wohl eher als ein Offenbarungseid der Mehrheit der Berliner SPD-Parteitagsdelegierten in ihrem Verhältnis gegenüber der Bundeswehr begriffen werden und steht damit symptomatisch für das gestörte Verhältnis vieler Linker zur Bundeswehr. Denn auf der einen Seite wird die Notwendigkeit eigener Streitkräfte nicht einmal bei der Linkspartei ernsthaft in Frage gestellt. Geht es auf der anderen Seite jedoch um Nachwuchswerbung oder Ausrüstung der Bundeswehr, wird fast jede Vorlage im Verteidigungsausschuss abgelehnt.

Die Berliner Juso-Vorsitzende formuliert die Positionierung der Landes-SPD im Deutschlandfunk-Interview folgendermaßen: „Die Haltung der Berliner SPD ist zum einen natürlich eine ganz klar antimilitaristische, das heißt nicht pazifistische, aber eben kritisch gegenüber Militär und Aufrüstung“. Wie man mit dieser Positionierung Außen- und Sicherheitspolitik betreiben soll, scheint zweitrangig. Hauptsache die eigene Klientel wird befriedigt und man wähnt sich moralisch auf der „richtigen“ Seite.

Komplett ausgeblendet wird bei dieser - im besten Fall naiven - Sichtweise, dass die Bundeswehr eine fest im Grundgesetz verwurzelte Parlamentsarmee ist. Der Deutsche Bundestag beschließt über ihre Auslandseinsätze und kontrolliert das zuständige Bundesverteidigungsministerium mittels des Verteidigungsausschusses. Jedes Misstrauen gegenüber der Bundeswehr, ihren Aufgaben und Einsätzen sollte uns Bundestagsabgeordneten daher in besonderer Weise betroffen machen und zum Handeln bewegen.

Als Union sind wir nicht bereit, über die Ausgrenzung der Bundeswehr aus unserer Gesellschaft zu diskutieren. Vielmehr wollen wir nach dem Aussetzen der Wehrpflicht wieder mehr Kontaktpunkte mit Soldatinnen und Soldaten schaffen und die Bundeswehr sichtbarer machen. Wir wollen, dass die sicherheitspolitischen Debatten unsere Bürgerinnen und Bürger erreichen und uns für mehr öffentliche Anerkennung des Soldatenberufs weiter engagieren. Respekt und Wertschätzung gegenüber den Soldaten müssen aus der breiten Mitte der Gesellschaft deutlich stärker werden.

Unsere bayerische Schwesterpartei CSU hat diesbezüglich bereits Vorschläge unterbreitet. Sie möchte die Zahl der Jugendoffiziere als Mittler zwischen Bundeswehr und Zivilgesellschaft verdoppeln und durch kostenfreies Bahnfahren in Uniform die Bundeswehr wieder sichtbarer in der Gesellschaft machen. Erste Schritte, deren Umsetzung wir im Deutschen Bundestag bereits diskutieren, damit der Beschluss der Berliner SPD keine Schule macht.

Über den Autor

Oswin Veith, MdB
Oswin Veith, MdB

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