Rechtspsychologin Dr. Alana Krix Gast bei Pro Polizei Wetzlar
Zeugenaussagen: wichtig und unverzichtbar -
aber auch beeinflussbar
Straftaten aufzuklären, dem Recht zur Geltung zu verhelfen und möglichst gerechte Urteile zu fällen, ist in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft im Rahmen der Gewaltenteilung Aufgabe von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten. Dass dies nicht selten ein schwieriges Unterfangen ist, ist eine Binsenweisheit. Weshalb es auf jedes Detail und dessen richtige Bewertung ankommt. Beweismittel Nummer eins ist - trotz allen technischen und technologischen Fortschritts gerade auch im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung - der Zeugenbeweis. In deutlich mehr als der Hälfte der Fälle, die mit einer richterlichen Entscheidung enden, sind die Aussagen des oder der Zeugen maßgebend und grundlegend für das Urteil.
Der Thematik „Zeugenaussagen“, die auch zur Problematik mutieren kann, widmete sich auf Einladung der Bürgerinitiative Pro Polizei Wetzlar sowie begrüßt und vorgestellt von deren Vorsitzenden Hans-Jürgen Irmer Dr. Alana Krix, Psychologin, Rechtspsychologin, „Aussagepsychologische Sachverständige“ für die Justiz und unter anderem Lehrbeauftragte an der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung in Gießen. Die in Wetzlar geborene und aufgewachsene Expertin brachte diese schwierige und in den letzten Jahren wissenschaftliche unterfütterte Materie einem 140-köpfigen interessieren Publikum in Tasch's Wirtshaus in verständlicher Diktion näher. Krix studierte ab 2004 in Gießen Psychologie, absolvierte ein Forschungspraktikum an der rechtspsychologischen Abteilung der University of New South Wales in Sidney und war von 2010 bis 2015 Doktorandin an der rechtspsychologischen Abteilung der Universität Maastricht in den Niederlanden.
Krix plädiert dafür, Zeugen möglichst unmittelbar nach einer Tat zu vernehmen. Hierzu aber fehlt der Polizei beim „ersten Angriff“, bei dem viele Anforderungen an einem Tatort verbunden sind, die Zeit und die Ressourcen, ihre Mittel sind begrenzt. So vergehen meist Tage oder gar Wochen, bis Zeugen erstmalig vernommen werden. Die „gedächtnispsychologische Forschung“ zeige aber, dass dies ungünstig sei. Denn mit zunehmendem Zeitintervall zwischen Tat und Vernehmung nähmen Qualität und Quantität der Zeugenaussage ab. Und zwar hauptsächlich aufgrund zweier Effekte: Vergessen und Falschinformation.
Trotz fortgeschrittener Technik müssen Zeugenaussagen laut Dr. Krix deshalb „bewertet“ werden, um beispielsweise falsche Erinnerungen herauszufiltern. Zeugen haben etwas erlebt und gesehen. Das speichern sie im Gedächtnis ab - und werden dann irgendwann befragt. „Das Gedächtnis ist aber kein Videorecorder, aus dem die Erinnerung abgerufen wird“, so die Expertin. Die Erinnerung sei ein „Netzwerk“, eine Abspeicherung vieler Einzelheiten und Einzelteile, aus denen dann im Falle einer Vernehmung „die Brocken herausgeholt und aus der Erinnerung aus dem Gedächtnis immer neu zusammengefügt werden“. Beim diesem „erinnernden Zusammenfügen“ kommen dann, so die Erfahrung der aussagepsychologischen Sachverständigen, die Fehler zustande.
„Erinnerungen verändern sich und sind daher fragile Gebilde, die auf unterschiedliche Weise durch vielerlei Faktoren beeinflussbar sind und werden“, so Krix. Zum Beispiel schon durch Medienberichte über einen speziellen Vorfall, durch Unterhaltungen mit anderen Augenzeugen, durch eine unsachgemäße oder gar bewusst manipulative Befragung und vieles andere mehr. Erinnerungen seien suggestionsanfällig, „Scheinerinnerungen“ können laut Krix erzeugt werden, die sich von wahren Erinnerungen kaum oder gar nicht unterscheiden. Durch geschickte Fragen könnten erhoffte Antworten generiert werden. „Es lassen sich sogar Erinnerungen an Ereignisse beeinflussen, die gar nicht stattgefunden haben“, erläuterte die Rechtspsychologin aufgrund ihrer Forschungen und Erfahrungen.
Im Wissen um alle diese Möglichkeiten, im Wissen, dass sich Erinnerungen verändern oder auch verlorengehen, je mehr Zeit vergeht, muss es laut Krix das Ziel sein und bleiben, möglichst zuverlässige Zeugenaussagen zu erheben. Und das sei auch möglich. Und auch notwendig, um das Vertrauen in die Arbeit von Polizei und Justiz und damit in den Rechtsstaat zu erhalten und zu stärken.