Verein setzt sich für Reaktivierung stillgelegter Lokalbahn ein

Mobilität der Zukunft im Dietzhölztal

Mobilität sichert die Teilhabe jedes einzelnen am gesellschaftlichen Leben und ist Voraussetzung für eine starke wirtschaftliche Entwicklung. Wie wird aber unsere Mobilität in Zukunft aussehen? Wie kann heute unter sozialen, ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten die Mobilität von morgen gestaltet werden?

Beitrag zum Klimaschutz

Diese Fragen nach einer nachhaltigen Mobilität rücken aktuell immer stärker in den Fokus unseres Lebens. Mit den Pariser Klimaschutzzielen hat sich Deutschland verpflichtet, die CO2-Emissionen deutlich zu reduzieren. Dieser Bedeutung trägt das aktuelle Regionale Entwicklungskonzept Lahn-Dill-Bergland ebenfalls Rechnung, indem in diesem EU-Förderprogramm die Reaktivierung als ein Projekt zur ländlichen Entwicklung und zur effizienten Ausschöpfung der Verkehrssysteme eingetragen ist. In einer aktuellen Bestandsaufnahme über 90 stillgelegte Bahnstrecken in Hessen sieht auch das Land Hessen Entwicklungspotential in dieser Strecke.

Die Reaktivierung der Dietzhölztalbahn von Dillenburg nach Ewersbach kann dabei einen Beitrag in und für die Region leisten. Daher engagiert sich seit etwa fünf Jahren der gemeinnützige Verein „Dietzhölztalbahn e.V.“ ehrenamtlich für eine Wiederinbetriebnahme der stillgelegten Bahnstrecke im Schienenpersonennahverkehr.

Angebot an viele Menschen der Region

Die eingleisige Nebenstrecke von Dillenburg ins Dietzhölztal hat eine Länge von 15,9 Kilometern. Der Personenverkehr wurde 1987 und der Güterverkehr nördlich von Dillenburg 2001 eingestellt. Auf dem unteren Streckenabschnitt wird bis heute das Stahlwerk in Dillenburg bedient.

lm Einzugsbereich der eingleisigen Bahnstrecke leben und arbeiten insgesamt rund 19.000 Einwohner und ca. 8.000 Ein- und Auspendler. Außerdem liegt die kooperative Gesamtschule in Eibelshausen mit circa 960 Schülern in direkter Nachbarschaft zur Bahnstrecke.

Die täglichen Pendlerströme finden vorwiegend auf der Verkehrsachse Dietzhölztal-Dillenburg statt und entsprechen damit dem Verlauf der Dietzhölztalbahn. Hauptsächlich erfolgen diese Fahrten mit dem eigenen PKW, die Verkehrsnachfrage im ÖPNV wird aktuell im Wesentlichen über die Buslinie 302 (Dietzhölztal-Eschenburg-Dillenburg) abgedeckt. Die Fahrzeiten zwischen Ewersbach und Dillenburg liegen dabei, je nach Verbindung, bei bis zu 53 Minuten, durchschnittlich dauert eine Fahrt 40 Minuten. Bei fast der Hälfte der Busverbindungen ist zusätzlich ein Umstieg mit entsprechender Wartezeit notwendig. Außerdem ist nur knapp die Hälfte aller Bushaltestellen mit einem Wetterschutz ausgerüstet.

Zum Vergleich: Bereits im Eröffnungsjahr der Bahnstrecke vor über 125 Jahren existierte eine Verbindung mit einer Fahrzeit von 47 Minuten zwischen Ewersbach und Dillenburg.

Bei Einstellung des Personenverkehrs 1987 gab es während den Schulferien auf der Dietzhölztalbahn gerade noch fünf Verbindungen von Ewersbach nach Dillenburg mit einer durchschnittlichen Fahrzeit von 26 Minuten.

Praktikables Konzept erarbeitet

Vor diesem Hintergrund hat der Verein Dietzhölztalbahn e.V. für die Bahnstrecke ein Betriebs- und Fahrplankonzept ausgearbeitet, das einen Stundentakt vorsieht, der in der Hauptverkehrszeit zu einem Halbstundentakt bis Eibelshausen verdichtet wird. Der Fahrplanentwurf ist in Dillenburg auf die Anschlüsse in Richtung Frankfurt und Siegen getaktet.

Der Fahrplan der reaktivierten Dietzhölztalbahn soll in ein modernes, intermodales Mobilitätskonzept für die Region integriert werden, um dadurch die Vorteile der beiden Verkehrsträger Straße und Schiene zu einem sinnvollen Miteinander zu verknüpfen. Daher steht die Reaktivierung der Dietzhölztalbahn in keinem Widerspruch zum Bau der Ortsumgehung Wissenbach/Frohnhausen.

Entlang der Strecke sind elf Haltepunkte geplant. Trotz dieser zusätzlichen Haltepunkte, im Vergleich zu früher nur sechs Stationen, kann durch den Einsatz moderner Triebwagen eine Fahrzeit von 27 Minuten zwischen Ewersbach und Dillenburg realisiert werden. Alle Stationen werden barrierefrei und mit einem Wetterschutz ausgeführt, an fast allen Stationen können Park&Ride- und/oderBike&Ride-Anlagen errichtet werden.

Die umliegenden, aber abseits der Bahnstrecke liegenden Orte werden in diesem Mobilitätskonzept „Entlang der Dietzhölze“ durch neue Zubringerbuslinien erreicht, die auf den Fahrplan der Bahnstrecke getaktet sind, um dadurch attraktive Fahrzeiten und Verbindungen zu erreichen.

Die Zugleistungen übernehmen moderne, barrierefreie und emissionsarme Nahverkehrszüge. Gegenüber dem aktuellen Bus-Angebot bieten diese klimatisierten Züge einen höheren Fahrkomfort, auch durch ein größeres Sitzplatzangebot und mehr Bewegungsfreiheit. Außerdem ist die Mitnahme von Kinderwagen, Fahrrädern und Ähnlichem einfacher als beim Linienbus möglich.

Alternative zum Individualverkehr

Mit diesem Mobilitätskonzept „Entlang der Dietzhölze“ bietet sich eine attraktive Alternative zur besonders während des Berufsverkehrs stark frequentierten Bundesstraße 253. Neben einem deutlich verbesserten Mobilitätsangebot leistet jede reaktivierte Bahnstrecke einen Beitrag zum Erreichen der Pariser Klimaschutzziele. Die Maßnahmen des Energie- und Klimaschutzkonzeptes für den Lahn-Dill-Kreis sollen ebenfalls diesem Ziel dienen. Als einzigem Wirtschaftssektor in Deutschland steigen im Verkehr die CO2-Emissionen an. Mit einem attraktiven Schienenpersonennahverkehr kann dabei in mehrfacher Hinsicht diesem Trend entgegengewirkt werden.

Ein moderner Nahverkehrstriebwagen hat selbst schon eine bessere CO2-Bilanz pro Personenkilometer als ein PKW oder auch ein Linienbus. Beim Einsatz eines innovativen Akku-Triebwagens erfolgt der Betrieb sogar vollständig emissionsfrei.

Kein neuer Flächenverbrauch

Fahrgastzählungen nach erfolgten Reaktivierungen, wie beispielsweise der Strecke Korbach-Frankenberg, zeigen eine deutlich höhere Akzeptanz des ÖPNV-Angebotes auf der Schiene gegenüber einem Linienbus-Angebot. Dies führt wiederum zu einer Steigerung der Fahrgastzahlen. Durch die Verlagerung des Verkehrs zum Schienenpersonennahverkehr wird eine weitere Reduzierung der CO2-Emissionen erzielt.

Durch die Reaktivierung der Dietzhölztalbahn entsteht kein nennenswerter neuer Flächenverbrauch, da auf bereits vorhandene Infrastruktur zurückgegriffen werden kann. Ebenfalls erfolgt kein Eingriff in geschützte Gebiete wie das Landschaftsschutzgebiet und das Überschwemmungsgebiet der Dietzhölze.

Positive Beispiele vorhanden

Deutschlandweit gibt es bereits Dutzende Beispiele erfolgreicher Reaktivierungen von Bahnstrecken im ländlichen Raum. Seit 1996 sind so insgesamt 49 Bahnstrecken reaktiviert worden, wobei 90 Prozent dieser Eisenbahnstrecken die prognostizierten Fahrgastzahlen erfüllen oder sogar übertreffen.

Die dabei ermittelten Erfolgsfaktoren, wie der Stundentakt an Wochentagen, aufeinander abgestimmte Busanschlüsse und die barrierefreien Stationen und Fahrzeuge sind vom Verein im Entwurf zum Mobilitätskonzept „Entlang der Dietzhölze“ berücksichtigt worden und eingeflossen.

Für die Mobilität der Zukunft im Dietzhölztal mit einer reaktivierten Bahnstrecke setzen sich die Mitglieder des Vereins Dietzhölztalbahn e.V. weiterhin ein, um beispielsweise durch Informationsveranstaltungen Bürger und Kommunen von diesem Mobilitätskonzept zu überzeugen.

Info Verein Dietzhölztalbahn e.V.:

Anfang 2012 haben sich interessierte Bürgerinnen und Bürger zur IG Dietzhölztalbahn zusammengefunden. Daraus gründete sich der Verein, der seit März 2014 als „Dietzhölztalbahn e.V.“ im Vereinsregister eingetragen ist. Vorsitzender ist Stephan Kretzer, sein Stellvertreter

Dipl.-Ing. (FH) Torsten Haas. Informationen über den Verein, seine Tätigkeiten und Kontakt zum Vorstand gibt es im Internet unter www.dietzhoelztalbahn.net oder über „facebook“.

Über den Autor

Franz Ewert

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