Bundestagsabgeordneter Hans-Jürgen Irmer zu Besuch bei Interpol-Generalsekretär Professor Dr. Jürgen Stock

Interpol muss personell und finanziell deutlich aufgerüstet werden -
Verstärkter Datenaustausch im Kampf gegen
das Verbrechen zwingend notwendig

Vor kurzem war der heimische CDU-Bundestagsabgeordnete Hans-Jürgen Irmer zu Gast bei Interpol in Lyon (Frankreich). Er hatte dort Gelegenheit, u.a. mit dem Generalsekretär von Interpol, Prof. Dr. Jürgen Stock, sowie anschließend mit einigen Experten zu speziellen Themen ein Gespräch führen zu können. Prof. Stock wies darauf hin, dass das regelmäßige, von den internationalen Staaten eingezahlte Beitragsniveau bei rund 55 Millionen Euro liege. Hinzu kämen freiwillige Leistungen oder das Einwerben von Projekten, so dass der Gesamtetat in der Regel bei über 100 Millionen Euro liege. Wenn man gleichzeitig aber die weltweite Bedeutung von Interpol bei der Frage der Verbrechensbekämpfung auf allen denkbaren Ebenen sehe, sei dieser Betrag sehr überschaubar.

„Aus meiner Sicht“, so Irmer, „eine unbefriedigende Situation, denn der deutsche Zuschuss in Höhe von rund 4 Millionen Euro als Teil des Haushaltes des Bundeskriminalamtes ist inakzeptabel niedrig. Darüber hinaus muss es perspektivisch einen eigenen institutionalisierten Haushalt dafür geben.“ Es sei ebenfalls unbefriedigend, wenn sich die Verantwortlichen ständig um Zuschüsse bemühen müssten. So sei es erfreulich, dass man 20 Cyber-Spezialisten, also Analysten, habe und man dank der USA eine neue Analyse-Plattform für 10 Millionen Euro installieren konnte, deren Folgekosten aber aktuell nicht etatisiert seien. Interpol verfüge über eine eigene Datenbank, mit der weltweit Opfer von Kindesmissbrauch identifiziert werden könnten. Dies sei von der Gruppe der G8-Staaten finanziert worden. Die laufenden Kosten müssten jetzt aus dem eigenen Budget bestritten werden.

Wenn man bedenke, dass es insgesamt 17 hochspezialisierte Datenbanken gebe, dann werde klar, welcher Aufwand betrieben werde, um das Verbrechen effektiv zu bekämpfen. Interpol müsse, wie auch Europol, von den deutschen Sicherheitsbehörden in einen so optimalen Zustand personell und finanziell versetzt werden, dass die unglaublich vielen Facetten der internationalen Kriminalität noch besser bekämpft werden könnten.

Organisierte Kriminalität verursacht weltweit Milliarden Schäden

Ein schwieriges Terrain ist der Kampf gegen die Organisierte Kriminalität (OK), ob im Bereich Drogen, Korruption, Geldwäsche, Dokumentenfälschung, Migranten-Schmuggel, um nur einige zu nennen.

Als Gesprächspartner standen Paul Stanfield/England, Hans Hallvorsen/Norwegen, Lisa Michaud/Frankreich und Sebastian Bley, abgeordnet vom BKA, zur Verfügung. In der Lebenswirklichkeit, so die Experten, gebe es große Unterschiede bei den 192 Interpol-Mitgliedsländern. Dort sei der Zugang zu den Daten sehr unterschiedlich. In einigen weniger entwickelten Ländern und auch kulturell anders geprägten Ländern sei es darüber hinaus sehr schwierig, die Notwendigkeit der Kriminalitätsbekämpfung bewusst zu machen. Es gebe Staaten, in denen der Schmuggel zur Verbesserung der Lebensqualität beitrage. Niemand kümmere sich darum, niemand sammele Informationen. Den Behörden werde häufig misstraut. So sei es denn auch schwierig, analytisch vorzugehen, Erkenntnisse zu sammeln, auszuwerten und Konsequenzen zu ziehen. Es gebe leider Staaten, in denen die Korruption an der Tagesordnung sei. Dass diese ein anderes Verhältnis zur Verbrechensbekämpfung hätten als die Europäer, dürfte auf der Hand liegen. Es gebe Staaten, bei denen der Missbrauch von Kindern keine besondere Priorität darstelle, die bei Menschenhandel und beim Schleusertum wegschauten, weil partiell aus ihrer Sicht damit Probleme gelöst würden.

90 Prozent der Asylbewerber, so die Experten, würden geschleust. So sei es auch für viele kein wirkliches Problem, gefälschte Pässe zu bekommen. Auch dies sei ein „Industriezweig“, und mit „Bakschisch“ könne man je nach Land auch angeblich verlorengegangene echte Pässe erhalten. Prinzipiell gehe es immer und ausschließlich nur um das Geld. „Deshalb“, so Irmer, „war es aus meiner Sicht richtig, dass der Deutsche Bundestag eine Beweislastumkehr beschlossen hat.“ Dies bedeute, wie aktuell an einigen spektakulären Fällen in Nordrhein-Westfalen und Berlin nachzulesen, dass bestimmte Clans, teilweise Sozialhilfe beziehend, jetzt nachweisen müssten, wo sie das Geld für teure Wohnungen, Luxusgüter, Luxusautos usw. herhaben. Es sei richtig gewesen, deren „Besitztümer“ zu beschlagnahmen und von ihnen Belege dafür einzufordern, dass alles aus legal verdientem Geld stammt.

Drogen bereiten Sorge

Die Entwicklung im Drogenbereich bereite Sorge. Es gebe eine dramatische Entwicklung, die sich nicht nur auf die klassischen Drogen, sondern vor allen Dingen auch auf die Entwicklung von synthetischen Drogen beziehe. Hier gebe es entsprechende Projekte mit internationalen Spezialisten und eine gute Zusammenarbeit mit den meisten Ländern, so dass man häufig in der Lage sei, Drogenwege sehr gezielt zurückverfolgen zu können, um festzustellen, wo sie hergestellt wurden.

Terrorismusbekämpfung

Zum Thema Terrorismusbekämpfung stand Paul Riordan, ein Engländer, zum Gespräch zur Verfügung. Er wies darauf hin, wie wichtig der Datenaustausch bei der Bekämpfung der Terrorgefahr sei. Nur so könne man mögliche Attentate antizipieren, indem man beispielsweise wisse, wer denn möglicherweise komme. Er gehe davon aus, dass ca. 300 bis 400 neue Terroristen in den nächsten wenigen Jahren Richtung Deutschland im Anmarsch seien. Weltweit schätze man die Zahl der potentiellen Terroristen auf ca. 40.000, wobei man davon ausgehe, dass etwa 400 sogenannte Gefährder bereits in Deutschland seien.

Um diese überwachen zu können, sei es notwendig, sämtliche verfügbaren Daten auszutauschen. Dies bedeute, Telefonmitschnitte, WhatsApp-Mitschnitte, Finanzströme und anderes mehr zu verfolgen. „In diesem Zusammenhang“, so Irmer, „wird einmal mehr deutlich, wie zwingend notwendig die sogenannte Vorratsdatenspeicherung für die Sicherheitsbehörden nicht nur in Deutschland ist. Nur durch die Vorratsdatenspeicherung, wobei die Speicherfristen entschieden zu kurz sind, ist es möglich, entsprechende Wege zurückzuverfolgen, um Hinweise auf eventuelle aktuelle Straftaten und Terroranschläge zu erhalten.“

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier

Bildergalerie

Aktuelle Ausgabe07.03.