Kinder waren wieder einmal Versuchskaninchen

„Schreiben nach Gehör“ gnadenlos gescheitert
Rechtschreibung nach Fibelmethode am besten

Das deutsche Schulwesen hat schon eine Reihe von Reformen mit äußerst zweifelhaftem Erfolg hinter sich gebracht. Leidtragende waren immer die Kinder. Fortschrittliche Kreise haben sich dann auf sogenannte „Reformpädagogen“ berufen, wie beim „Lesen durch Schreiben“ oder „Schreiben nach Gehör“. Es waren ideologische Vorstellungen, weil man der Auffassung war, dass Kinder diskriminiert werden können, wenn sie auf Fehler aufmerksam gemacht werden. Diese Lese-Lernmethode, wie zum Beispiel „Lesen durch Schreiben“, sollte ja nicht diskriminieren und nicht demotivieren.

Die „Reformpädagogen“ haben nicht begriffen, dass man durch Fehler lernt und Schüler motiviert werden, wenn sie beim nächsten Mal vorher begangene Fehler nicht mehr machen. Im Übrigen hat diese Methode dazu beigetragen, dass sich die soziale Spaltung verschärft, die ja angeblich nach dem Willen der Reformpädagogen gemindert werden soll. Denn Kinder aus bildungsnahen Elternhäusern erfahren zu Hause die Hinwendung, die sprachliche Korrektur, die notwendig ist, um die Rechtschreibung perspektivisch zu beherrschen. Zu diesen pädagogischen Irrtümern gehört auch der sogenannte „Offene Unterricht“ oder das sogenannte „SOL – Selbstorganisiertes Lernen“, das schwache Schüler aus unterschiedlichen Gründen benachteilige.

„Die Schulä fenkt an“

Der frühere Grundschüler hätte in der Regel „Die Schule fängt an“ sprachlich korrekt geschrieben. Das oben erwähnte Beispiel oder „Wia gen in den Tso“ mit dem Hinweis „dort gips keine Fögel“ sind das Ergebnis des Schreibens nach Gehör: Das Resultat der euphorischen Versprechungen der Protagonisten des „Lesen durch Schreiben“ oder „Schreiben nach Gehör“. Die Begründung zur Einführung dieser Lehrmethode lautete, dass Kinder freier und unkomplizierter oder auch origineller und kreativer mit der Sprache umgehen würden. Die Kreativität kann man anhand der wenigen Beispiele sehen.

Ziel war, dass die Schüler möglichst viel frei schreiben sollen und darüber hinaus das Lesen spielerisch mitlernen. Korrekturen falsch geschriebener Wörter waren unerwünscht. Es könnte ja die Kinder belasten und demotivieren. Man stelle sich vor, Kinder schreiben in den ersten zwei Grundschuljahren nach Gehör. Man hat sie bis dahin gestärkt, und nach zwei Jahren stellen diese Kinder fest, dass jetzt korrigiert wird und all das, was sie geschrieben haben, weitgehend falsch war. Der bewährte Grundsatz „besser gleich richtig lernen, als Falsches umlernen zu müssen“ wurde bewusst missachtet.

Fibelmethode erfolgreich

Wissenschaftler des Instituts für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie der Universität Bonn haben aktuell festgestellt, dass Grundschüler am besten nach der klassischen sogenannten Fibelmethode lernen. Das Ergebnis einer Studie von über 3000 Grundschulkindern in Nordrhein-Westfalen ist, dass die Kinder, die die Rechtschreibung nach der Fibelmethode erlernt haben – hier werden Buchstaben und Wörter schrittweise und nach festen Vorgaben eingeführt – mit Abstand die besten Rechtschreibkenntnisse hatten. Auch die Universität Dortmund hat in Person der Bildungsforscherin Nele McElvany festgestellt, dass die Fibelmethode deshalb erfolgreich sei, weil das Lernen regelgeleitet sei, aufeinander strukturiert aufbaue, Übungsphasen implementiere und es ein positives Lehrerfeedback gebe.

Fehlerhäufigkeit um 76 Prozent gestiegen

Eine weitere Studie von Professor Wolfgang Steinig und anderer aus dem Jahr 2009 hat Texte von Viertklässlern unter dem Rechtschreibaspekt analysiert und identische Texte von 1972 und 2002 verglichen. Das Ergebnis: Im gleichen Text machten die Schüler im Jahr 1972 6,9 Fehler, im Jahr 2002 12,2, was einem Plus von 76 Prozent entspricht. Im „Bildungstrend 2015“ wurden beispielsweise sprachliche Kompetenzen am Ende der 9. Jahrgangsstufe verglichen, im Oktober 2016 veröffentlicht, und zwar bezogen auf den Teilbereich der Rechtschreibung. In Deutschland erreichten 67,9 Prozent der Schüler die Regelstandards. Spitzenreiter war Bayern mit einer Quote von 76,7 Prozent, Schlusslichter Bremen mit 54 Prozent, Berlin mit 59,7 Prozent und Hamburg mit 60,6 Prozent.

Kultusminister ziehen Notbremse

Erfreulich, dass in dem Kontext nicht nur Brandenburg unter Führung von Ministerpräsident Woidke (SPD), sondern auch Baden-Württemberg in Form von Kultusministerin Eisenmann (CDU) den Grundschullehrern den Einsatz der Methode „Schreiben nach Gehör“ verboten haben. Sehr zum Missfallen roter und grüner sowie gewerkschaftlicher Lobbyisten, wie der ehemalige langjährige Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, feststellte, der zutreffend analysiert hatte, dass gerade die 68er die Rechtschreibung in ihrem Egalisierungswahn zum „Herrschaftsinstrument“ erklärt hatten, das es zu Schleifen gelte. Das sei ihnen leider in weiten Bereichen gelungen, aber auf Kosten gerade von Kindern aus sozial schwächeren Schichten.

Inklusion – die Fehler wiederholen sich

„In wenigen Jahren“, so der heimische CDU-Bundestagsabgeordnete und langjährige bildungspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion von Hessen, Hans-Jürgen Irmer, „wird man feststellen, dass die völlig überzogene Inklusion ebenfalls dazu geführt hat, dass Kinder aus sozial schwachen Schichten benachteiligt werden, dass die Leistung insgesamt zurückgeht und gerade diejenigen, die eine besondere Förderung zwingend notwendig haben, diese aufgrund der Rahmenbedingungen nicht bekommen, weil in einigen Bundesländern ideologisch bedingt die Förderschulen zwangsweise aufgelöst werden, obwohl dort anerkannte Fachleute, Spezialisten im besten Sinne des Wortes, in ausgewiesenen kleinen Klassen ihre Schüler im Rahmen der Möglichkeiten optimal fördern.“ Eine Förderung, die im allgemeinbildenden Schulwesen in aller Regel zumindest nicht ansatzweise vergleichbar sein könne. Auch hier würden im Sinne der Gleichmacherei, der Egalität bewährte Strukturen zerstört, weil man nicht einsehen wolle, dass Menschen von Natur aus unterschiedlich sind, ob Groß ob Klein, ob hochintelligent und weniger begabt, was das Kognitive angeht, ob handwerklich geschickt oder weniger geschickt.

„Menschen sind unterschiedlich, und weil sie unterschiedlich sind, brauchen sie unterschiedliche Lernangebote. Alle über einen Kamm scheren, führt zur Demotivation, zu Leistungsungerechtigkeit und Leistungsabbau“, so Irmer abschließend.

 

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Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier

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