Berlin Splitter
Liebe SPD, Vorsicht bei der Partnerwahl!
Letzte Woche haben sich in Berlin wieder Vertreter von Rot, Dunkelrot und Grün getroffen, um – nach eigenem Bekunden – inhaltliche Schnittmengen auszuloten und persönliches Vertrauen aufzubauen. Zielsetzung ist eine rot-rot-grüne Bundesregierung nach der Bundestagswahl im Herbst. Diese Trialog-Veranstaltungen haben fast schon Tradition und genießen mitunter auch höchste Rückendeckung: Der damalige Parteichef Gabriel nahm ebenso an diesen Runden teil wie Fraktionsvorsitzender Oppermann.
Rot-Rot-Grün auf Länderebene: Ein Vorgeschmack für den Bund?
Wer eine Koalition aus SPD, Linke und Grüne für Utopie hält, muss nur nach Thüringen oder ins rote Rathaus von Berlin schauen. Dort regieren die besagten Parteien schon miteinander – und wie schlimm die Gesinnungspolitik in der Praxis wirkt, kann ich regelmäßig in Berlin beobachten. Hauptamtliche Stasi-Mitarbeiter sollen zu Staatssekretären gemacht werden, Autofahrer werden zum Feind erklärt, Flüchtlinge werden nicht mehr abgeschoben und rechtsfreie Räume mit de facto legalisiertem Drogenhandel sind an der Tagesordnung.
In Thüringen ist jüngst wieder eine SPD-Parlamentarierin zur CDU-Fraktion gewechselt. Diesmal war es Marion Dewes, die Ehefrau des früheren SPD-Landesvorsitzenden. Sie begründete diesen Schritt mit dem „dogmatisch-ideologischen Führungskader der Linken“ und dass die Koalition durch deren zentralistische Tendenzen geprägt werde. In Erfurt schmilzt die rot-rot-grüne Mehrheit damit auf nur noch eine Stimme zusammen. Wäre Oskar Helmerich nicht bereits im letzten Jahr von der AfD zur SPD gewechselt, wäre Bodo Ramelows Koalition jetzt schon am Ende.
Was eine Koalition von Rot-Rot-Grün dann gar auf Bundesebene anrichten könnte, will ich mir gar nicht erst ausmalen. Mittlerweile weiß jeder Bürger, wie wichtig die nationale und internationale Politik mit ihren jeweiligen Aus- und Wechselwirkungen für das Wohl unseres Landes ist. Daher schaue ich zurzeit genau hin, was die Vertreter der Linken in Bezug auf Außenpolitik alles so von sich geben. Denn schließlich droht das ja ab September zur Regierungsdogmatik zu werden, wenn die Wählerinnen und Wähler das nicht verhindern.
Als entwicklungspolitische Sprecherin meiner Fraktion habe ich auch mit den Ländern Latein- und Südamerikas zu tun. Hier waren vor allem Kuba und Venezuela schon immer Vorzeigeländer für die Linken im Bundestag. Oskar Lafontaine von der Linkspartei preist diese Länder als Vorbild für einen „Sozialismus des 21. Jahrhundert“. Die Realität wird da mitunter ausgeblendet. Chávez hat das einst so wohlhabende und rohstoffreiche Venezuela heruntergewirtschaftet und der aktuelle Präsident Maduro gibt ihm den Rest.
Venezuela und der sozialistische Irrweg – ein Land wird heruntergewirtschaftet
Dieser will auch noch die letzten Reste von Demokratie in dem totalitär-sozialistischen Land beseitigen, um an der Macht zu bleiben. Dagegen gehen Millionen Menschen auf die Straße und Maduro fällt nichts Besseres ein, als diese Demonstrationen mit dem Einsatz seiner paramilitärischen Trupps zusammenschlagen zu lassen. 20 Tote Demonstranten sowie Hunderte Verletzte und Verhaftete sind zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses die traurige Bilanz der bisherigen Auseinandersetzungen. Und wie kommentiert das die Linke, die sonst so gerne Demonstrationszüge anführt und die Stimme der Zivilgesellschaft hochhält?
Heike Hänsel, immerhin stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag und Mitglied im Entwicklungsausschuss, diffamiert die Proteste der venezolanischen Menschen als „Putschversuch“ und fordert nicht etwa Maduro mit seiner sozialistischen Herrschaftsclique, sondern die Opposition zum „Dialog“ und zur „Achtung der Rechtsstaatlichkeit“ auf. Als Begründung weist Heike Hänsel darauf hin, dass „die Regierung von Venezuela demokratisch gewählt [sei], und die Opposition […] den Dialog über eine Beilegung der politischen und ökonomischen Krise suchen [muss]. Bisher setzt[e] die Opposition nur auf kurzfristige politische Ziele, indem sie darauf beharrt, Nicolás Maduro aus dem Präsidentenamt zu drängen.“ Für Heike Hänsel ist das inakzeptabel.
Das ist schon eine sehr exklusive, um nicht zu sagen gefährliche Sicht auf die Dinge. Die Zeitung „Die Welt“ kommentiert das ganz treffend: „Wer noch Zweifel daran hat, dass die Linkspartei in Wahrheit nichts anderes ist als die umgeschminkte SED, braucht sich nur ihre Position zu Venezuela anzusehen.“
Wenn die linke Gesinnung die Wertung und das Handeln diktiert, müssen der gesunde Menschenverstand, der menschliche Anstand und die Realität weichen. Ich verstehe nicht, wie blind man gegenüber willkürlicher Gewalt, Korruption und ideologischer Gleichschaltung sein kann, wenn der sozialistische Präsident in Venezuela sein eigenes Volk verprügeln lässt. Das lässt in Bezug auf die gesellschaftspolitischen Ziele der Linken tief blicken. Sich halbwegs demokratisch verhalten, bis man an der Macht ist, und dann sein wahres Gesicht zeigen: Das hat der Sozialismus in Venezuela mit dem Faschismus gemein. Ich hoffe, dass uns das hier erspart bleibt.
Venezuela und die Türkei – für die Linke Äpfel und Birnen
Dass sie auch anders können, hat die Linke im Fall des türkischen Referendums gezeigt. Hier spielten sie sich zum Gralshüter der Demokratie, Zivilgesellschaft und des Protests auf und warfen Erdogan vor, die Türkei in eine islamische Diktatur mit Personenkult zu transformieren. Hier war es für die Linke auf einmal ganz einfach, schlicht zu fordern, dass der türkische Präsident Erdogan weg müsse. Dabei ist auch Erdogan demokratisch legitimiert und über seine Verfassungsänderung – so falsch und gefährlich ich sein Vorhaben auch halte – durfte wenigstens das Volk abstimmen. Am Rande sei nur erwähnt, dass rund zwei Drittel der in Deutschland lebenden Türken für Erdogans Verfassungsänderung gestimmt haben – und die gleichen Türken bei Bundestagswahlen dank doppelter Staatsbürgerschaft mehrheitlich Rot-Rot-Grün Wählen. Was sagt das über die innere Geisteshaltung der deutschen Türken aus? Doch dazu kein Wort von den Linken – das könnte ja Wählerstimmen kosten. Was die Linke im Zusammenhang mit Venezuela und der Türkei veranstaltet, hat nichts mehr mit Heuchelei und Doppelmoral zu tun. Dieses krampfhafte Festhalten an sozialistischer Zwangsbeglückung ist einfach nur noch pathologisch zu erklären. Wer kann diese Linke ernst nehmen?
Dabei darf man die Gefahr nicht unterschätzen, die von ihr ausgeht, wenn Sahra Wagenknecht im Herbst Außenministerin werden sollte. Daher mein Appell an die SPD: Prüfe wer sich ewig bindet, ob sich nicht was Besseres findet. Augen auf bei der Partnerwahl! Wer die NATO abschaffen, die Bundeswehr einstampfen und die Verpflichtungen gegenüber den Vereinten Nationen beispielsweise bei Friedensmissionen ignorieren will, der hat sich eigentlich als Gesprächspartner von vorneherein disqualifiziert - von der Frage, ob das ernsthaft ein Koalitionspartner sein kann, ganz zu schweigen.
Herzlichst
Ihre Sibylle Pfeiffer
Über den Autor
Entwicklungspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion (bis 2017)