Pro Polizei Wetzlar besuchte "Königlich-Preußische" Strafanstalt in Kassel

Im Rahmen ihres Jahresprogramms waren jetzt rund 40 Mitglieder der Bürgerinitiative „Pro Polizei Wetzlar“ zu Gast in der 1882 eröffneten und bis heute in Betrieb befindlichen Königlich-Preußischen Strafanstalt, heute Justizvollzugsanstalt Kassel, wo sie von Anstaltsleiter Jörg-Uwe Meister persönlich begrüßt wurden. Die älteste hessische JVA hat derzeit 508 Haftplätze. Davon sind zurzeit 460 belegt, darunter 80 in Untersuchungshaft. Die meisten der Insassen verbüßen hohe Freiheitsstrafen von acht und zwölf Jahren, rund 10 Prozent sitzen lebenslänglich ein.

Zur JVA Kassel gehörten, so Meister, mit dem Offenen Vollzug in Baunatal mit gut 70 Plätzen sowie der Anstalt für Frauen in Kaufungen noch zwei Zweiganstalten. Dort seien rund 30 Personen untergebracht, so dass man im Gesamtbereich der JVA über 600 Haftplätze habe. Damit sei die JVA die größte in Hessen. 335 Beschäftigte seien vor Ort, inklusive Werkmeister, die zum Bäcker, Schreiner oder Fahrradmonteur in eigenen, entsprechend ausgestatteten Werkstätten ausbilden würden. Eine Ausbildung sei wichtig, um den jungen Leuten anschließend die Chance zu geben, in Freiheit einer sinnvollen Betätigung nachzugehen. 40 Prozent der Insassen seien Ausländer. Rechne man die Deutschen mit Migrationshintergrund hinzu, liege der Gesamtmigrantenanteil, der natürlich schwankend sei, bei 65 bis 70 Prozent. Diese würden sich auf insgesamt 50 Nationalitäten aufteilen, wobei der größte Anteil der der türkischen Community sei.

Hin und wieder gebe es zwar Übergriffe oder Beleidigungen gegenüber Bediensteten, doch fahre man sehr bewusst eine Null-Toleranz-Strategie. Wer sich nicht an die Regeln halte, dem würden Vergünstigungen inklusive Freigang, Besuchsrecht, Einkaufsmöglichkeit in der JVA und anderes entzogen oder eingeschränkt. Diese klare Linie, dazu gehöre auch die jederzeit mögliche Untersuchung des Haftraumes, habe dazu geführt, dass jeder wisse, woran er sich zu halten habe, so dass man mit der Situation unter grundsätzlich schwierigen Rahmenbedingungen zufrieden sein könne. In den nächsten Jahren werde das Gebäude für rund 100 Millionen Euro saniert, wobei der grundsätzliche Charakter des Gebäudes, das denkmalgeschützt sei, erhalten bleibe.

Pro-Polizei-Vorsitzender Hans-Jürgen Irmer, seine Vorstandskollegen Renate Pfeiffer-Scherf und Dieter Steinruck, dankten Meister für eine höchst interessante Führung und die Beantwortung der vielen Fragen.

Verwaltungsgerichtshof-Präsident Schönstädt kritisiert Zahl der Asylverfahren und „rüffelt“ Stadt Wetzlar

Im Anschluss hatten die Mitglieder der BI Gelegenheit, mit dem Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs, dem höchsten hessischen Gericht, Dirk Schönstädt, ins Gespräch zu kommen. Schönstädt stellte einleitend die gesamte Asylrechtsproblematik in sachlicher und informativer Form dar und machte deutlich, wie sehr sich die Belastung der fünf Verwaltungsgerichte in Hessen durch die Asylklagen verändert habe. So hätten im Jahr 2014 100 Verwaltungsrichter insgesamt rund 13.000 Verfahren bearbeitet, darunter 5000 Asylverfahren. Diese Zahl sei in 2017 sprunghaft angestiegen, wobei dafür 160 Verwaltungsrichter zur Verfügung gestanden hätten. Es lägen jetzt 36.000 Verfahren vor, darunter 30.000 Asylverfahren. Man müsse aufpassen, so Schönstädt, dass die Menge der Verfahren nicht zu einem Risiko für Qualität werde und normale Verwaltungsgerichtsverfahren dadurch automatisch in die Länge gezogen werden müssten, denn auch diese müssten den Anspruch haben, in angemessener Zeit erledigt zu werden. In diesen Verfahren gehe es häufig um das öffentliche Baurecht, Gefahrenabwehrrecht, Kommunalrecht, Beamtenrecht, Ausländerrecht oder auch das Versammlungsrecht.

Auf die Nichtgenehmigung einer NPD-Veranstaltung in Wetzlar angesprochen fügte der Präsident in diplomatischer, aber auch deutlicher Form an, dass es nicht angehen könne, dass ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nicht umgesetzt werde. Dies erst recht nicht von kommunalen Ebene. Wenn der Verweis der Stadt Wetzlar auf fehlende Unterlagen durch den Veranstalter in das Verfahren nicht eingebracht werde und keine Änderungsanträge gestellt würden, dann gebe es keinerlei Interpretationsmöglichkeit eines Urteils des höchsten deutschen Gerichts.

Politisch, darüber waren sich alle einig, könne man Proteste gegen die NPD verstehen. Man müsse sie politisch mit allen legalen Mitteln bekämpfen. Dies könne aber eben nur mit rechtsstaatlichen Mitteln geschehen, denn so lange die NPD nicht verboten sei, könne sie für sich das Recht auf Versammlungsfreiheit genauso in Anspruch nehmen wie jede andere Partei auch. Irmer überreichte abschließend Präsident Schönstädt eine Dokumentation über die 20-jährige Geschichte von Pro Polizei Wetzlar und dankte ihm für den Vortrag und die Zeit, die er sich genommen habe. Anschließend blieb noch genügend Zeit zum Bummeln durch die Kasseler Innenstadt.

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Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier

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