CDU-Kreistagsfraktion im Gespräch mit der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau
Mitgliederzahlen sinken – Säkularisierung bereitet Probleme

Zu einem Gedankenaustausch über die Arbeit der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) trafen sich Mitglieder der CDU-Kreistagsfraktion mit Annegret Puttkammer, Pröpstin für den Bereich Nord-Nassau. Frau Puttkammer erläuterte die nicht ganz einfache Kirchenstruktur in Hessen, die historisch bedingt vergleichsweise relativ zersplittert sei. Zuständigkeiten gingen über kommunale Kreis- und Landesgrenzen hinaus, so dass es nicht immer einfach sei, die entsprechenden Ansprechpartner zu finden, weil es viele Überschneidungen gebe. Die geschichtliche Verwurzelung sei vielen Gemeinden aber sehr wichtig und auch identitätsstiftend.

Insgesamt gebe es in ihrem Einzugsbereich in ihrer Verantwortung über 190.000 evangelische Christen in 160 Kirchengemeinden, die von etwa 200 Pfarrern betreut würden. Der bundesweite Trend, sinkende Mitgliederzahlen in den beiden großen christlichen Kirchen, mache auch vor ihrem Bereich nicht halt. Man verliere im Durchschnitt etwa 1,7 Prozent der Mitglieder pro Jahr. Die Evangelische Kirche habe im Jahr 1950 noch 42 Millionen Mitglieder in Deutschland gehabt. Heute liege sie bei etwa 21,5 Millionen, was einer Halbierung entspreche, die dazu zwinge, die Frage nach dem Warum zu stellen. Es gebe keine einfache Antwort, sondern ein Kompositum von Gründen. Auf der einen Seite sei die allgemeine Säkularisierung in der Gesellschaft gerade für Kirchen ein Problem. Wer austrete, bliebe danach in der Regel konfessionslos. Manch einer fühle sich in einer freien evangelischen Gemeinde besser aufgehoben und wieder andere seien mit dem allgemeinen Kurs der Kirche nicht zufrieden. Dies betreffe Katholiken und Protestanten gleichermaßen.

In dem offenen und konstruktiven Gespräch kamen auch die unterschiedlichen Vorstellungen zutage. Nach CDU-Auffassung, so Fraktionsvorsitzender Hans-Jürgen Irmer, MdB, gebe es allgemein formuliert in den Spitzengremien Tendenzen zu einer relativen politischen Einseitigkeit, die auch dazu beitragen würden, dass manch ein evangelischer Christ zwar im Herzen Christ bleibe, aber aus der Kirche austrete. Die Pröpstin schilderte die Erwartung vieler Kirchenmitglieder, dass die Kirche sich zu aktuellen Themen äußern müsse. Dabei müsse sich die Kirche immer am Evangelium her orientieren, nicht an Parteiprogrammen.

Sehr offen wurden auch die unterschiedlichen Vorstellungen im Bereich des bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichtes angesprochen, den die Union ablehne, da er keinen Beitrag zur Integration darstelle. Solange keine Distanzierung von den 200 gewaltverherrlichenden Suren im Koran, die zum Kampf gegen die Ungläubigen aufrufen, erfolge, habe man erhebliche Probleme damit. Pröpstin Puttkammer vertrat die Auffassung, dass der islamische Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen durchaus zur Integration beitrage. Nötig sei die historische Kritik an Texten, die zur Gewalt aufrufen, diese gebe es in der Bibel ja auch.

Unterschiedliche Auffassungen bestanden auch im Bereich der Asylpolitik bzw. des Familiennachzuges. Hier müsse man, so Hans-Jürgen Irmer, die Kreisbeigeordneten Ulla Landau, Hans Jackel und Karl-Heinz Schüler sowie die Kreistagsabgeordneten Rabea Krämer-Bender und Elke Würz, bei aller christlichen Berechtigung für die Bedeutung der Familie dennoch die Sorge formulieren, dass erstens der Familiennachzug zumindest teilweise gezielt ausgenutzt werde und zum anderen die Gefahr bestehe, dass die Gesellschaft überfordert und gespalten werde. Die Pröpstin verwies darauf, wie viele Kirchengemeinden sich seit 2015 mit großem Engagement um Flüchtlinge kümmern und dadurch auch den Staat entlasten. Dass Kernfamilien zusammengehören, sei ein christlicher Grundsatz. Menschen dürften nicht in Länder abgeschoben werden, in denen Krieg oder Bürgerkrieg herrsche.

Aus ihrer Sicht, so Annegret Puttkammer, müsse es Aufgabe von Kirche sein, in differenzierter Form auf gesellschaftliche Missstände und soziale Ungleichheiten aufmerksam zu machen. Dies dürfe aber nicht, da teile sie die Auffassung der Union, parteipolitisch einseitig sein, denn sonst würde man auch das Ansehen von Kirche beschädigen. Gleichwohl müsse sich Kirche – und dies sei eine Gratwanderung – durchaus zu der ein oder anderen tagespolitischen Entscheidung bzw. Entwicklung äußern. Beide Seiten vereinbarten die Fortsetzung des sehr offenen und intensiven Gedankenaustausches.

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