
Wer schützt uns vor dem Verfassungsschutz?
Die Meinungsfreiheit ist bedroht
Liebe Leserinnen und Leser,
es geht in diesem Artikel ausdrücklich nicht um die Frage, ob die AfD eine „gesichert rechtsextremistische“ Partei ist oder nicht. Diese Aussage hat nach Vorlage eines Gutachtens das Bundesamt für Verfassungsschutz getätigt, diese aber aufgrund einer Klage zunächst einmal zurückgezogen und auf der Homepage des Bundesverfassungsschutzes nicht mehr veröffentlicht. Das müssen jetzt die Gerichte klären, und das wird mit Sicherheit sehr spannend. Es geht mir ausschließlich um die Frage der Bedrohung unserer Meinungsfreiheit.
Grundgesetz Artikel 5
Artikel 5 des Grundgesetzes führt in Absatz 1 Folgendes aus: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Damit ist eigentlich klar, dass die Bürger und auch ich als Zeitungsverleger von dem Recht auf freie Meinungsäußerung uneingeschränkt Gebrauch machen können, wobei diese allgemeinen, sehr weit gefassten Rechte ihre Schranken, auch im Artikel 5 Absatz 2 fixiert, in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze finden, wenn es beispielsweise um das Recht der persönlichen Ehre geht. Soweit die Theorie. Zur Praxis komme ich gleich.
Aufgaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz
Beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) arbeiten rund 4500 Mitarbeiter. Hinzu kommen 16 Verfassungsschutzämter in den Bundesländern mit weiteren rund 5000 Beamten. Das Jahresbudget liegt bei knapp 500 Millionen Euro. Die eigentliche Aufgabe ist die Sicherung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Deutschland. Dazu gehört die Beobachtung von Islamisten, Rechts- und Linksextremisten sowie Abwehr von Sabotage- und Spionageangriffen, wobei für das Ausland der Bundesnachrichtendienst zuständig ist.
Nach Paragraf 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes sammelt der Verfassungsschutz Informationen über „Bestrebungen“, also Personengruppen, die „gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder gegen den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind“. Im Jahr 2021 wurde der Auftrag erweitert, um auch Einzelpersonen eventuell leichter ausfindig machen zu können. Es ging damals um die Anschläge von Halle 2019 bzw. Hanau 2020. Allerdings gab es auch damals Kritiker, denn mit dieser Begriffsausweitung, so der Vorwurf, öffne man dem Missbrauch Tür und Tor, wenn auch Einzelpersonen beobachtet werden können, die selbst erklärendermaßen natürlich nicht eine ganze Republik erschüttern können. Doch damals stimmten CDU/CSU und SPD dafür, AfD, FDP, SED/Linkspartei und die Grünen waren dagegen.
Kritik am Verfahren
Das BfV unterliegt weisungsgebunden dem Bundesinnenminister, in der letzten Legislaturperiode der Bundesinnenministerin Nancy Faeser, ist also keine Behörde, die frei von Weisungen ist. Das muss man vorab wissen. Die Veröffentlichung des Gutachtens wenige Tage vor Amtsübergabe Faeser/Dobrindt ist einzigartig in der Geschichte der Bundesrepublik, und zwar aus mehreren Gründen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Faeser von dem Inhalt oder dem Ergebnis aus Sicht des BfV überhaupt nichts wusste, ist offen gestanden nicht sehr groß. Unabhängig davon hätte es der Anstand geboten, im parlamentarischen Verfahren den neuen Bundesinnenminister vorab einzubeziehen bzw. ihm die Prüfung des Gutachtens zu überlassen.
Auch das ein Verfahren, das einzigartig ist, dass das BfV öffentlich erklärt, eine Partei sei „gesichert rechtsextremistisch“ und sich weigert, Belege dafür vorzulegen. Faeser erklärte dazu, dass man wegen Quellenschutz dieses nicht veröffentlichen könne, obwohl Medien mittlerweile das Gutachten vorliegen haben und, wie die Zeitung „Welt“ berichtete, wirklich nur an extrem wenigen Stellen man überhaupt über Quellenschutz reden könne. Aber das sei nur am Rande bemerkt.
Ebenfalls völlig indiskutabel ist das Verfahren gegenüber dem Beschuldigten. Mit dieser Argumentation könnte das BfV jeden Bürger für vogelfrei erklären. Man erklärt öffentlich, der Bürger sei rechtsextrem, das sei gesichert. Gleichzeitig verweigert man ihm die Einsicht in das Gutachten und diffamiert ihn damit öffentlich. Zu einem Rechtsstaat gehört ein anderes Verfahren. Audiatur et altera pars, „Gehört werde auch der andere Teil.“ Mit anderen Worten, es hätte sich gehört, im Vorfeld, in diesem Fall die betroffene Partei AfD zu fragen, um Stellungnahme zu bitten und diese Stellungnahme in das Gutachten einzubauen. Im Normalfall wäre es dann so, dass dieses Gutachten in das Innenministerium geht, das Innenministerium seinerseits prüft und dann möglicherweise gemeinsam mit dem BfV zum gleichen oder zu einem anderen Schluss kommt.
Staatsrechtler Professor Dr. Dietrich Murswiek hat deshalb zu Recht davon gesprochen, dass die Veröffentlichung der vermeintlichen Erkenntnisse mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar sei. Auch der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Peter Müller, erklärte zu dem Verfahren, dass dies nicht in Ordnung sei, denn der Inhalt sei offiziell überhaupt nicht bekannt, so dass man eigentlich keine Stellungnahme aus juristischer Sicht abgeben könne.
Massive Kritik an Einschränkung der Meinungsfreiheit
Ex-Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang hat seine Behörde in den letzten Jahren systematisch um den Bereich der sogenannten „Delegitimierung des Staates“ ausgebaut. Ein Beobachtungsgebiet, das ihm nicht zusteht, wie die ehemalige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) zu Recht formulierte. Sie wies darauf hin, dass das BfV sich in den letzten Jahren verstärkt in den sogenannten Meinungskampf eingelassen habe. Dies sei auch nicht ansatzweise seine Aufgabe. So tauche der Begriff „Queerfeindlichkeit“ seit 2022 im jährlichen Verfassungsschutzbericht im Kapitel Rechtsextremismus auf. Erstens gehöre dieses Thema grundsätzlich nicht in einen Verfassungsschutzbericht und zweitens würden damit Menschen diskreditiert, die der grundsätzlichen Auffassung seien, dass es zwei Geschlechter gibt, nämlich Mann und Frau. Und wer das in Frage stelle, laufe Gefahr unter dem Oberbegriff Homophobie und Queerfeindlichkeit im Oberkapitel Rechtsextremismus benannt zu werden.
Was ist Delegitimierung des Staates?
Genauso inakzeptabel sei es, wenn Coronamaßnahmen oder die Thematisierung des Klimawandels im Verfassungsschutzbericht unter dem Aspekt der „Delegitimierung des Staates“ erscheinen. Delegitimierung definiert als „ständige Agitation gegen Verächtlichungmachen von demokratisch legitimierten Repräsentantinnen/Repräsentanten sowie Institutionen des Staates und ihrer Entscheidungen“. Was heißt, so fragt schon Schröder zu Recht, Verächtlichmachen und wie grenzt sich dies von völlig legitimer scharfer Kritik ab? Wenn ein Ex-Verfassungsschutzpräsident im Jahr 2023 erklärt: „Nicht allein der Verfassungsschutz ist dafür zuständig, Umfragewerte der AfD zu senken“, hat er ohne jeden Zweifel seine Neutralitätspflichten verletzt und damit das Vertrauen in die Kompetenz und die Glaubwürdigkeit seiner Behörde erschüttert.
Der schon genannte Professor Murswiek hat ebenfalls zu Recht ausgeführt: „Ein Verfassungsschutz, der mit Unterstellungen arbeitet, schützt nicht die Demokratie, sondern schädigt sie“. Wobei man grundsätzlich wissen muss, dass Deutschland neben Österreich der einzige westliche Staat ist, in dem der Geheimdienst Parteien beobachten darf. In allen anderen westlichen Demokratien ist es undenkbar, dass ein Geheimdienst, der der Regierung untersteht, oppositionelle Parteien ausforscht und beobachtet.
Stasiähnlicher Sammelwahn
Zurück zum besagten Gutachten, das auf über 1000 Seiten Einzelaussagen von Politikern, die alle öffentlich zugänglich waren, gesammelt hat, die zur Bewertung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ geführt haben. Es mag Erkenntnisse geben, die bisher nicht bekannt sind, die möglicherweise gleichwohl zu diesem Ergebnis führen können. Aber das ist Sache der Gerichte. Was aber dort partiell als Beleg für Rechtsextremismus herbeigezogen wird, spottet nach meiner Auffassung jeder Beschreibung. Wenn man das nicht einmal sagen darf, haben wir keine Meinungsfreiheit mehr.
Man muss all die Zitate, und dies ist nur ein Auszug von vielen, inhaltlich nicht teilen, das ist völlig in Ordnung. Aber in einer Demokratie muss man seine Meinung auch mit Schmähkritik, scharfer Kritik, mit Ironie, mit Unterstellungen durchaus formulieren dürfen. Ob an der Regierung, an der Opposition, beim Stammtisch oder in sozialen Netzwerken.
Achtung, schwere Kost!
Sie sind „gesichert rechtsextremistisch“!
1. Wenn Sie sagen, dass der Antisemitismus in Deutschland in erster Linie ein importiertes Problem ist und man vor allem mehr Abschiebungen und ein Ende der Massenmigration benötige.
2. Wenn Sie der Auffassung sind, dass Ausgangssperren, Schulschließungen, Kontaktverbote, Denunziations-Hotlines (zu Coronazeiten) eine Aushöhlung unserer Demokratie und ein Abtriften der Regierung in ein totales System bedeuten.
3. Wenn Sie die Coronamaßnahmen kritisieren und die Parteien beschuldigen, „die Menschen ins Unglück zu stürzen“.
4. Wenn Sie von „Messermigration“ sprechen.
5. Wenn Sie erklären, dass sich die Regierung ein neues Volk wählt (zitiert sei an dieser Stelle der verstorbene Ost- und Islamexperte Peter Scholl-Latour, der erklärt hatte: „Wer Afrika einwandern lässt, wird afrikanisch“).
6. Wenn Sie glauben, dass Vielfalt Multi-Kulti bedeutet und Multi-Kulti Traditionsverlust, Identitätsverlust, Verlust der Heimat, Mord, Raub und Gruppenvergewaltigungen bedeuten kann (zitiert sei sinngemäß Ahmad Mansour, der auf den hohen Anteil migrantischer Täter zum Beispiel bei Gruppenvergewaltigungen hinwies).
7. Wenn Sie der Auffassung sein sollten, dass die verfehlte Migrationspolitik und Asylmissbrauch zum hunderttausendfachen Import von Menschen aus zutiefst rückständigen und frauenfeindlichen Kulturen geführt hat.
8. Wenn Sie davon überzeugt sind, dass es ein deutsches Volk im ethisch-kulturellen Sinne gibt (zitiert sei Artikel 116 Grundgesetz, der von „deutschen Volkszugehörigen“ im Unterschied zu „Staatsbürgern“ spricht).
9. Wenn Sie öffentliche Kritik an der Einseitigkeit vieler bundesdeutscher Medien und dem Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk wie folgt „für mich ist die neue Zürcher Zeitung (NZZ) so etwas wie Westfernsehen in der DDR früher“ äußern.
10. Wenn Sie antisemitische Hetze in Berlin wie folgt kritisieren: „Ausländer grölen in Berlin antisemitische Parolen „Tod den Juden, Tod Israel“ und das politisch mediale Establishment schaut einfach weg und tut nichts. Das ist nicht mehr das Deutschland…, das ich will.“
Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, möglicherweise einen Teil dieser Aussagen oder gar allen zustimmen, sind Sie „gesichert rechtsextremistisch“.
Sie sind gesichert nicht linksextremistisch!!!
1. Wenn Sie den Kapitalismus stürzen wollen und die Systemfrage stellen (Heidi Reichinnek).
2. … Sie der Auffassung sind, dass alle AfDler in die Gaskammer gehören (Bianca Deubel).
3. … Sie der Auffassung sind, dass man die Reichen nicht erschießen solle, aber sie für nützliche Arbeit einsetzen sollte (Bernd Riexinger).
4. … Sie der Auffassung sind, dass eine klassenlose Gesellschaft sich nicht über Parlamente oder Regierungen einführen lässt (was dann?).
5. … Sie der Auffassung sind, dass es nirgendwo in Deutschland Deutschland-Fahnen geben solle und das sei schön.
6. … Sie der Auffassung sind, dass die nächste Bullenwache nur einen Steinwurf entfernt ist.
7. … Sie der Auffassung sind, dass am Beispiel von Hamburg (G7 Gipfel) wir eine „marodierende“ Polizei (Katja Kipping) haben.
8. … Sie der Auffassung sind, dass wie die „Rote Hilfe“ es formulierte, den seinerzeit drei flüchtigen RAF-Terroristen „viel Kraft und Lebensfreude“ gewünscht werden sollte statt sie wegen Bombenterror und Banküberfällen vor Gericht zu ziehen, so die „Rote Hilfe“ in ihrer Mitgliederzeitung.
9. … Sie der Auffassung sind wie die linksradikale Antifa, dass man in einem „Schweinesystem“ lebe und die Diener seien „All Cops are Bastards" („Alle Polizisten sind Bastarde“) oder anders formuliert ACAT „All Cops are Targets“ („Alle Bullen sind Ziele“).
10. … Sie der Auffassung sind, dass das Staatswesen der Bundesrepublik abgeschafft gehöre, so der ehemalige stellvertretende Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Helmut Holter.
11. … Sie der Auffassung sind, dass als Antikriegsaktion Bundeswehrausrüstung abgefackelt wird und das legitim ist, wie auch Sabotage im Betrieb an Rüstungsgütern, so die Ex-RAF-Terroristin Inge Viett.
12. … Sie der Auffassung sind, Partei und Demokratie könne nicht das letzte Wort sein, so die ehemalige MdB Leidig.
13. … Sie der Auffassung sind, dass die in den Eigentumsverhältnissen wurzelnden kapitalistisch geprägten Machtstrukturen überwunden werden müssen, so Dietmar Bartsch.
All dies, liebe Leserinnen und Leser, sind Zitate, wörtlich bzw. sinngemäß zugeordnet Politikern und Vorfeldorganisationen aus dem Bereich der SED/Linkspartei.
Konsequenzen?
Abgesehen vom aktuell latenten Antisemitismus, der vor wenigen Tagen wieder auf dem Bundesparteitag der SED/Linkspartei zum Ausdruck kam, haben solche und eine unglaubliche Fülle weiterer Aussagen keinerlei Auswirkungen auf die mediale Berichterstattung über die SED/Linke. Im Gegenteil, man versucht gezielt, diese der demokratischen Mitte zuzuordnen. Absurdistan lässt grüßen. Das gilt auch für den „Genossen Günther“ (CDU), der der Auffassung zuneigt, man müsse das Verhältnis zur SED/Linkspartei normalisieren. Die Partei, die rechtsidentisch mit der früheren Staatspartei der DDR, der Sozialistischen Einheitspartei“ (SED), ist, die für Mauer, Stacheldraht, Schießbefehl, Folter und Enteignungen verantwortlich war, die ein Spitzelsystem etabliert hat, „besser“ noch, als es die Nationalsozialisten vermochten, Blockwarte in Form sogenannter Informeller Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes hatte. Nichts anderes sind gefühlt die derzeitigen Denunziations-Hotlines, Meldestellen, Antidiskriminierungsstellen, die ein Ziel haben, unterhalb der Strafbarkeitsschwelle Meinungen und damit Menschen diskreditieren zu wollen, um das Sagbare einzuschränken, um Meinungsfreiheit einzuschränken.
Niemand muss die eine oder andere abstruse Auffassung billigen, schön finden, aber zur Meinungsfreiheit gehört auch die Freiheit, das zu sagen, was man denkt. Wer diese Freiheiten einschränken will, bewegt sich in Richtung einer Gesinnungsdiktatur. Wenn heute bereits aktuell laut Umfrage etwa 40 Prozent der Menschen der Auffassung zuneigen, man dürfe nicht mehr sagen, was man denkt, so ist dies eine dramatische Entwicklung, die letzten Endes den Staat delegitimiert, weil man ihm nicht mehr vertraut. Verantwortlich dafür sind diejenigen, die die Kritiker des Staates delegitimieren wollen.
Verfassungsschutz auf Kernaufgabe begrenzen
Deshalb muss es Aufgabe des neuen Innenministers sein, den Verfassungsschutz auf seine eigentliche Kernaufgabe zu beschränken und ihm deutlich zu machen, dass es nicht seine Aufgabe ist, Meinungen als staatsdelegitimierend zu sammeln, zu brandmarken. Das Schlimme ist, dass diejenigen, die gegen Hass und Hetze aufstehen, in der Regel leider diejenigen sind, die zu den größten Hetzern in dieser Republik gehören, weil sie es nicht ertragen können, dass es Menschen mit anderen Auffassungen gibt. Das aber ist das Wesen von Demokratie und rechtsverbriefter Meinungsfreiheit laut Artikel 5 Grundgesetz.