
Sven Breidenstein bei Pro Polizei
„Es wird alles geklaut, was nicht niet- und nagelfest ist“
Unter dem Oberbegriff „So arbeiten Ladendiebe“ hatte die Wetzlarer Bürgerinitiative „Pro Polizei“ Sven Breidenstein von Breidenstein & Morkell Security GmbH aus Dillenburg eingeladen, der als Geschäftsführer und Ausbilder von Security-Mitarbeitern ein profundes Wissen über die Arbeitsweise von Ladendieben hat. Pro-Polizei-Vorsitzender Hans-Jürgen Irmer begrüßte, auch im Namen seiner Stellvertreterin Heike Ahrens-Dietz, die Teilnehmer und die anwesenden Einzelhändler. Er machte dabei deutlich, dass Ladendiebstahl nun wirklich kein Kavaliersdelikt sei, denn Ladeninhaber müssten heutzutage für die Sicherheitsausstattung, technische Aufrüstung, Video-Kamera, Security, Einbruchmeldeanlagen und anderes mehr viel Geld aufwenden, was zur Folge habe, dass dies auf die Preise, die Kunden zu zahlen hätten, umgelegt werden müsse.
Alleine im Jahr 2023 gab es 430.000 angezeigte Ladendiebstähle, ein Plus im Vergleich zum Vorjahr um 23,6 Pro-zent. Der Wert der gestohlenen Waren lag im Jahr 2024 bei ca. 4,1 Milliarden Euro, wobei Experten, so Irmer, von einer Dunkelziffer von rund 90 (!) Prozent ausgehen würden. Spätestens hier könne man die Dimension des Laden-diebstahls ermessen.
Wer sind die Täter?
Nach Aussage von Breidenstein gebe es die klassischen Einzelgänger, die Gelegenheitsdiebe, aber auch Jugend-banden, so auch in Wetzlar (!). An Stellen, an denen viele Geschäfte in konzentrierter Form vorhanden seien, gebe es Hotspots des Diebstahls, die auch in Wetzlar zu beobachten seien. Ohne jeden Zweifel gebe es eine Korrelation zwischen Zuwanderung und Diebstahl, die Beschaffungskriminalität, sowie, auch dies gehöre zur Wahrheit, auch Diebstahl von Mitarbeitern.
Was wird gestohlen?
Nach Aussage von Breidenstein wird „alles geklaut“, was nicht niet- und nagelfest ist, von Süßwaren über Red Bull, Tabakwaren, Kleidung, Parfüm, Schmuck, elektronische Geräte, einfach alles, was man entweder selbst gut ge-brauchen oder vergleichsweise leicht verhökern könne.
Wie gehen die Täter vor?
Die Maschen seien sehr unterschiedlich. Es gebe präparierte Mäntel mit einem eingenähten sogenannten Klaubeutel im Innenteil. Es gebe die Täuschung durch Warentausch, indem man beispielsweise mit einem billigen Jackett in die Umkleidekabine gehe, dort ein teures anprobiere und mit der mitgebrachte Zange Sicherheitsvorrichtungen abzwa-cke, um dann mit dem neuen Jackett die Kabine zu verlassen. Man nutze zum Diebstahl auch mit Alu und Pappe präparierte Taschen, die nicht anschlagen würden. Wenn Diebe im Doppelpack auftreten würden, gelänge es ihnen durch gezielte Ablenkungsmanöver, Kunden zu bestehlen, wenn diese im Einkaufswagen leichtsinnigerweise ihre Handtaschen oder Einkaufstaschen relativ offen liegen hätten. So würde ein Täter beispielsweise das potenzielle Opfer fragen, wo man im Geschäft etwas finden könne. Die Ablenkung funktioniere und in dem Moment schlage der andere zu.
Bitte keine Selbstjustiz
Die rechtliche Situation, was man dürfe oder nicht, sei für die praktische Arbeit der offiziellen Hausdetektive nicht ganz einfach. Generell gelte aber, dass man sehr vorsichtig sein müsse, wenn man jemanden auf frischer Tat ertappt habe, denn erwischte Täter würden immer aggressiver. Es mache mehr Sinn, sofort die Geschäftsführung bzw. die Polizei zu informieren, bevor man selbst zur Tat schreite.
Lug und Betrug
Das Geschäft mit den Sicherheitskräften in Deutschland, so Breidenstein, floriere ohne jeden Zweifel. Aber als Inha-ber eines zertifizierten Betriebes wisse er, dass es in der Branche auch schwarze Schafe gebe. So habe der islamis-tische Münchener Attentäter als Ladendetektiv offiziell gearbeitet, ohne eine entsprechende echte Sachkundeprüfung abgelegt zu haben. Es hat immer wieder Fälle gegeben, in denen gefälschte Urkunden für Sachkundeprüfungen aufgetaucht sind. Auch dies sei leider Realität. Für die Zukunft müsse man damit rechnen, dass die zunehmende Zahl der Selbstzahlerkassen dazu führen werde, dass die Anzahl der Diebstähle steige, denn dieses Bezahlsystem könne vergleichsweise einfach ausgehebelt werden.
Nach einer engagierten Diskussion mit vielen Fragen dankte Irmer Breidenstein im Namen von Pro Polizei mit einem kleinen Präsent für einen hochinformativen, lebendigen Vortrag, für den es reichlich Applaus gab.
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Herausgeber Wetzlar Kurier