Professor Papier zum Thema Asylrecht:

„Kein Land kann gezwungen werden, seine Identität preiszugeben“

Er gehört zu den großen Verfassungsrechtlern der Bundesrepublik Deutschland, der ehemalige Präsident des Ver-fassungsgerichtes, Hans-Jürgen Papier, der in einem bemerkenswerten Artikel in der „Welt“ darauf hinwies, dass Deutschland durch niemanden gezwungen werden könne, jeden aufzunehmen, der in Deutschland ein Asylbegehren vorbringe. Schaue man sich die EU-Verträge an, heiße es in Artikel 4 Absatz 2, dass die Union die jeweilige nationale Identität der Mitgliedsstaaten achte, die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen zum Ausdruck komme. Die Grundstruktur der Souveränität der Mitgliedsstaaten, ihre verfassungsrechtliche Identität dürften nicht erschüttert werden. Schließlich sei die EU kein Staat, sondern ein Verbund souveräner Staaten. Damit werde die Schranke der Anwendbarkeit des europäischen Rechts deutlich.
Richtig sei, dass das europäische Recht im Grundsatz Vorrang habe vor dem nationalen Recht, aber dieser Vorrang habe Grenzen. Und nach Artikel 23 des Grundgesetzes dürfe der Bund zwar Hoheitsrechte auf die EU übertragen. Dazu zählten aber nicht die in Artikel 21 niedergelegten Grundsätze der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Unkon-trollierte Migration, so Professor Papier, könne dazu beitragen, die Wahrung der Identität der verfassungsmäßigen Demokratie preiszugeben. Zu diesem Identitätsvorbehalt gehöre das Recht der Mitgliedsstaaten, dass seine demokratisch legitimierten gewählten Organe darüber entscheiden dürfen, ob und unter welchen Umständen Drittstaaten-angehörige in Deutschland einreisen und Aufenthalt nehmen dürfen. 
Dieses zentrale Souveränitätsrecht eines jeden (!) Mitgliedsstaates werde ausgehöhlt, wenn beispielsweise Deutsch-land jede Person aus aller Welt bedingungslos und voraussetzungslos einreisen lassen müsste. Nach Artikel 72 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU könne Deutschland nicht durch sogenanntes sekundäres EU-Recht und dessen Auslegung durch die europäischen oder die nationalen Gerichte gezwungen werden, grenzenlos, voraussetzungslos und Asylgrundlos Menschen aufzunehmen. Damit hat Papier recht.
Wenn dann die Bundesregierung sich für die Einführung von Grenzkontrollen feiern lässt, so ist dies nichts anderes als „weiße Salbe“, denn die Kontrollen bringen relativ wenig, wenn man nicht die Möglichkeit einer Zurückweisung nutzt. Und nur die letzten Endes würde dazu führen, die Asylbewerberzahlen deutlich zu reduzieren. Die künftige Bundesregierung sollte sich Professor Papier als exzellenten juristischen Sachverstand bei der Lösung der Problematik hinzuholen.

 

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Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier

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