Sandro Mattioli bei Pro Polizei Wetzlar
Die Aktivitäten der italienischen Mafia in Deutschland
werden nicht wirklich als Problem erkannt
Es ist etwas faul. Nicht nur Shakespeare-literarisch im Staate Dänemark. Sondern, allerdings mittlerweile nur mehr wenig überraschend, vor allem auch im Staate Deutschland. Und nicht nur "etwas" ist faul, sondern viel zu Vieles! An nur einem einzigen, allerdings ebenso gravierenden wie von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommenen und als Gefahr erkannten Beispiel machte der deutsche Journalist und Buchautor Sandro Mattioli als Gast der Bürgerinitiative Pro Polizei Wetzlar deutlich, wie unerkannt gefährdet und fragil die Sicherheitslage in Deutschland ist. Thema seines Vortrages vor 170 Besuchern im Bürgerhaus Büblingshausen waren die Aktivitäten der italienischen Mafia in Deutschland, die sich unter dem Radar öffentlichen Bewusstseins abspielen und vollziehen und auch "ohne Blutvergießen" für Staat und Gesellschaft hierzulande sehr gefährlich sind.
Seit 2008 beschäftigt sich Mattioli, dessen Vater Italiener ist, intensiv mit der italienischen Mafia und klärt speziell über deren Aktivitäten in Deutschland auf. "Frucht" und Ergebnis dieser seit 15 Jahren andauernden Arbeit ist sein aktuelles Buch "Germafia - Wie die Mafia Deutschland übernimmt", dem er das Etikett eines "Erfahrungsberichts" verliehen hat. Die dramatische, leider jedoch von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommene Entwicklung, die er in diesem Buch auf gut 360 Seiten dokumentiert hat, fokussierte und beleuchtete Mattioli in Wetzlar am Beispiel der "´ndrangeta".
4 Mafia Organisationen
Drei von vier Mafia-Organisationen sind laut Mattioli in Italien aktiv. Drei von ihnen bestehen bereits seit fast 200 Jahren: Cosa Nostra, Camorra und ´ndrangeta. Mittlerweile ist mit der Sacra Corona Unita eine vierte hinzugekommen. "Und sie entwickeln sich ständig weiter", mahnte der Referent, dessen Anliegen es in Deutschland sowie auch in Österreich und der Schweiz ist, mit einem nicht selten anzutreffenden "romantisierenden Bild" der Mafia aufzuräumen. Dass Mafiosi gerade auch in Deutschland "angenehm und in ein charmantes Mäntelchen gehüllt" auftreten, sei Taktik und diene dem Ziel, nahezu unsichtbar zu bleiben.
Anders als in ihrem Herkunftsland Italien töten die Clans der italienischen Mafia hierzulande nur selten. Ihre Waffe sei das Geld und ihr Ziel die gesellschaftlichen Institutionen. Und gerade deswegen, so Mattioli, seien die Mafia-Clans ein immenses Risiko für ganz Europa. Während die Mafia-Organisationen in Italien Konkurrenten seien, die sich auch bekämpften, gebe es in Deutschland eher ein Mit- und Nebeneinander sowie zudem Kooperationen mit anderen "Playern" der organisierten Kriminalität. Das alles in einer Art konzernartigem Aufbau mit klaren Machtstrukturen. Mattioli macht rund 60 "Localis", lokale/regionale Mafia-Organisationen mit jeweils mindestens 50 Mitgliedern aus, wobei die ´ndrangeta der wichtigste Mafia-Clan in Deutschland sei.
Die Bundesregierung gehe von rund 1000 Mitgliedern der organisierten italienischen Kriminalität hierzulande aus. Das erscheine auf den ersten Blick nicht viel und als wirkliches Problem nicht so relevant. Mattiolo weiß aber, dass sich die Mafia in Deutschland durch eine "Strategie der Unauffälligkeit" auszeichne, was das Mafia-Phänomen in Deutschland als relativ unwichtig erscheinen lasse. Was aber hierzulande in Sachen Mafia passiere, sei eng mit der Mafia in Italien verbunden.
Breite Palette krimineller Felder
Einerseits sei die Mafia praktisch und flächendeckend in Stadt und Land auf der "kompletten Palette krimineller Felder" aktiv, wobei die Geldwäsche "extrem wichtig" sei. Eine offizielle Liste von "Mafia-Morden" gebe es nicht, wobei jedoch von einer Dunkelziffer auszugehen ist. Drogen, Finanz- und Cyber-Kriminalität seien ebenso relevant wie das Feld des Online-Glücksspiels. Andererseits sind laut Mattioli die Aktivitäten der Mafia in der "Legal-Wirtschaft" ein großes Problem, weil dabei legal und illegal vielfach ineinander verschränkt und schwerlich unterscheidbar ist, Beispiel: Immobilienkauf mit gewaschenem oder legalem Geld? Gleiches gelte für den Gaststätten-Bereich.
Zur Struktur der Mafia gehöre einerseits die untere Ebene, jene der "offen Kriminellen", "oben" dagegen bewegten sich die "Unsichtbaren", zu denen auch Politiker, Rechtsanwälte und Unternehmer zählten. Gefährlich sei dabei, dass diese Leute extrem gut dabei sind, Kontakte aufzubauen. So seien derzeit in Italien zwei stellvertretende Minister wegen Vorwürfen, Mafia-Kontakte zu haben oder gar Teil der Organisation zu sein, in Haft.
220 Milliarden „Umsatz“
Wichtiger Teil der organisierten Kriminalität als "globale Superorganisation" sei die Mafia, so der Referent. So erziele alleine die ´ndrangeta mit ihren kriminellen Aktivitäten 220 Milliarden Umsatz pro Jahr. Dabei habe es die Mafia mittlerweile nicht mehr nötig, Geld kofferweise von Land zu Land, zum Beispiel in die Schweiz, zu bringen. Für Mattioli ist es inzwischen "theoretisch möglich", dass ´ndrangeta-Geld "auch in deutschen Banken steckt". Schon vor 20 Jahren habe es nachweislich Kontakte mit Bank-Mitarbeitern gegeben.
Mafia-Organisationen sind laut Mattioli "nicht ohne Weiteres zu erkennen", laufe doch leider sehr vieles "subkutan unter der Oberfläche" ab. So habe zum Beispiel die ´ndrangeta und zugleich die russische organisierte Kriminalität in eine Fabrik in Brandenburg investiert! Das sei durch das Mitwirken de sogenannten "Unsichtbaren" der Mafia möglich, Menschen auf den Führungsebenen, die aber wissen sollten, dass sie zu einer Organisation gehören, die Tausende von Menschen ums Leben gebracht hat.
Sandro Mattioli ist Vorsitzender des eingetragenen Vereins "mafianeindanke", der sich wenige Tage nach dem Blutbad von Duisburg in Jahr 2007, das von der kalabrischen ´ndrangeta geplant und begangen wurde, gegründet hat. Der Verein will in Deutschland auf vielfältige Weise bis hin zu Kontakten zur Bundes- und Landespolitik für die Gefahren sensibilisieren, die aus der weitgehend verborgenen Existenz der italienischen Mafia-Gruppen im Land resultieren.