Von Johannes Volkmann
Ein Zwischenruf zu den „Demos gegen rechts“
Mitlaufen – oder nicht?
Bundesweit sorgen „Demos gegen rechts“ für Schlagzeilen und konfrontieren jeden mit der Frage: teilnehmen oder nicht?
Die Antwort von Christdemokraten fällt unterschiedlich aus: Mancherorts beteiligen sie sich an den Protesten, andernorts nicht. Während die mediale Bewertung meist einhellig positiv ausfällt, bemerke ich bei Konservativen Vorbehalte gegen diese Demonstrationen. Dazu mein persönlicher Erklärungsversuch:
Natürlich ist es zunächst einmal richtig, gegen Rechtsextremismus auf die Straße zu gehen. Jede Form des Extremismus ist zu bekämpfen – das gilt im Übrigen auch für Linksextremismus, Antisemitismus oder Islamismus. In der Praxis zeigen sich bei den Demonstrationen der vergangenen Wochen jedoch Probleme, die zu einer Entfremdung vieler Konservativer führen.
Erstens fehlt oftmals die nötige Differenzierung: Wer zu „Demos gegen rechts“ aufruft, lässt in der Wortwahl bewusst unscharf, wer der Gegner ist. Geht es gegen völkische Rechtsextreme wie Höcke oder um die Delegitimierung konservativer Positionen? Soll Freiheit verteidigt oder Meinungskorridore weiter verengt werden? Demonstrationen gegen Rechtsextremismus sollten als solche benannt werden. Wortbeiträge auf manchen Kundgebungen zum Thema Abschiebungen zeigen hingegen, wie aus einer „Demo gegen rechts“ schnell eine Demo gegen Recht wird. In München wurden beispielsweise CSU und Freie Wähler von der Anmelderin der größten „Gegen Rechts“-Demos explizit ausgeschlossen und verunglimpfend mit der AfD in einen Topf geworfen.
Zweitens findet vielerorts kaum oder gar keine Abgrenzung zum linken Rand statt. Man kann nicht glaubwürdig für Freiheit und Demokratie an der Seite von anderen Verfassungsfeinden demonstrieren. Antifa-Gruppen, als potenzielle Gewalttäter, sind niemals ein Partner für Demokraten. Bundespräsident Steinmeier hatte mit Blick auf die Bauernproteste Anfang des Jahres gesagt: „Demokratinnen und Demokraten sollten sich deshalb sehr genau überlegen, mit wem sie zusammen auf die Straße gehen und hinter welchem Plakat man hinterherläuft.“ Dieser Maßstab gilt auch für Demonstrationen gegen Rechtsextremismus.
Drittens stößt mir besonders der Kontrast zu den Solidaritätsdemonstrationen mit jüdischem Leben in Deutschland auf. Nach den grausamen Angriffen der Hamas am 7. Oktober und der einsetzenden Welle an Terrorsympathie auf deutschen Straßen standen Pro-Israel-Demos oftmals sehr einsam da. Der Slogan „Nie wieder ist jetzt“, der nun wohlfeil und gratismutig verwendet wird, ist in diesem Kontext entstanden. Ich frage mich: Wo wart ihr, als Antisemiten und Islamisten unsere Straßen in Beschlag nahmen – nicht nur in Neukölln, sondern in Hessen? „Nie wieder“ war auch letzten Herbst und die Mehrheit schwieg.
Sind diese Vorbehalte zu kleinmütig? Schließlich sind völkische Kräfte unzweifelhaft eine Bedrohung für die Freiheit. Klar - wo es gelingt, aus der Mitte der Gesellschaft gegen Rechtsextremismus einzutreten, ist das eine gute Sache. Ich will niemandem einen Moment demokratischer Selbstwirksamkeit zerreden und gerade unsere Landsleute mit Migrationshintergrund verdienen jede Solidarität gegen Rassismus. Kundgebungen wie vor Kurzem in Ehringshausen bieten dafür Positiv-Beispiele. Es muss uns alle beunruhigen, wenn wie jüngst in Wetzlar rechtsextreme Schlägerbanden offenbar schwere Straftaten planen und nur dank dem beherzten Eingreifen der Polizei Schlimmeres verhindert werden kann.
Was mich gleichwohl stört, sind Aussagen von Ampel-Verantwortlichen, die erst mit ihrer Politik die Umfrageergebnisse der AfD verdoppeln - und dann zu Demonstrationen gegen die Folgen ihres eigenen Regierungshandelns aufrufen.
Haltung ist kein Ersatz für kompetente Politik, Pathos kein wirksames Dauermittel gegen Konzeptlosigkeit.
Die andauernde Migrations- und Integrationskrise in unserem Land befeuert einen Vertrauensverlust in das Funktionieren unserer Demokratie, deren Folgen nicht „wegdemonstriert“ werden können.
Es ist die Pflicht der politischen Mitte, dafür Lösungen zu finden, so wie es Dänemark bereits getan hat. Meine Überzeugung ist: Nur wer einen gültigen Aufenthaltstitel hat, sollte nach Europa einreisen dürfen. Für alle anderen müssen humanitäre Zentren an unseren Außengrenzen, beispielsweise in Nordafrika, gebaut werden. Im Windschatten der derzeitigen Demos Diskussionen über eine notwendige Migrationswende tabuisieren zu wollen, ist kurzsichtig.
Einem Viertel bis Fünftel der Wählerschaft entgegenzurufen, dass die „ganze Stadt euch hasst“, mag sich vielleicht moralisch überlegen anfühlen, bringt uns aber als Gesellschaft nicht weiter. Wohin eine unversöhnliche Polarisierung führt, können wir in den USA und in Polen beobachten. Eine solche Entwicklung unserer politischen Kultur kann kein verantwortungsvoller Demokrat wollen. Von Wagenburg-Effekten würde am Ende vor allem der harte Kern völkischer Faschisten in der AfD profitieren, der so mittelfristig seinen Einfluss über relevante Teile unserer Gesellschaft festigt. Ein wirksames Mittel gegen die AfD findet man hingegen in politischen Taten, dafür zu streiten ist die Aufgabe der Union.