Stiller Verfassungswandel führt zu kalkuliertem Verfassungsbruch

Öffnung der Ehe - Folgen für alle

 

„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten… Eine Zensur findet nicht statt.“ So steht es im Artikel 5 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland.

Ein Grundgesetzartikel kann natürlich geändert werden. Allerdings ist dazu jeweils eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag wie im Bundesrat notwendig. Das ist eine bewusst hoch gesetzte Hürde. Deshalb wurde der Artikel 5 bisher nicht geändert. Aber es geht ganz offensichtlich ja auch anders. So wie der Artikel 5 seiner „Entkernung“ nicht zu entkommen scheint, ergeht es in ähnlicher Weise dem nachfolgenden und ebenso bedeutungsschweren Artikel 6 unseres Grundgesetzes. Er trägt die Überschrift „Ehe - Familie – Kinder“. Auch er wurde bisher nicht geändert. Zumindest in der theoretischen Verfassungswirklichkeit noch nicht. Praktisch aber sehen die Dinge in unserem Lande leider anders aus.

Meinungsfreiheit quo vadis?

Wer beispielsweise öffentlich - zum Beispiel in Leserbriefen oder den sozialen Medien, ja schon im Gespräch - seine ganz persönliche Meinung zur kürzlich „im Handstreich“ beschlossenen „Ehe für alle“ und dabei auch seine Einstellung zur Homosexualität als Phänomen - ausdrücklich nicht zu homosexuell orientierten einzelnen Menschen - äußert, läuft bereits Gefahr, mit dem Gesetz gegen Diskriminierung in Konflikt zu geraten. Von der Ächtung, den Beleidigungen und der Verächtlichmachung durch die „Gutmenschen“ ganz zu schweigen. Und wer sich für den Erhalt der Familie als Keimzelle von Staat und Gesellschaft, so wie sie in diesem Sinne in Artikel 6 Grundgesetz unter dem „besonderen Schutz der staatlichen Ordnung“ steht, dem ergeht es ebenso. Dieses Gutmenschentum hat sich in Deutschland dazu aufgeschwungen, zu bestimmen, was gesagt, gemeint, was - von ihm - akzeptiert werden kann und was nicht - und somit verfolgt werden muss. Mit dem grundgesetzlich verbrieften Recht, seine Meinung zu welchem Thema auch immer, frei äußern zu dürfen, hat diese in Deutschland mittlerweile gängige Praxis nichts mehr zu tun. Eine fatale Folge neben anderen: den Grundgesetzartikeln 5 und 6 - die Meinungsfreit sowie die Familie betreffend, bläst der Wind ins Gesicht, obwohl die Artikel offiziell von niemanden in Frage gestellt werden. Genauer, theoretisch noch nicht, praktisch aber schon.

Politik und Staat versagen

Und die, die unsere Verfassung schützen sollten, weil sie beispielsweise als Parteien, als Politik, als Verfassungsorgane wie Bundestag, Bundesrat, Regierung und auch Justiz selbst auf dem Boden dieser Verfassung stehen und von ihr getragen werden, versagen. Anstatt Grundlagen unserer Demokratie, wie sie unter anderem in den Artikeln 5 und 6 der Verfassung verankert sind, zu verteidigen, festzuhalten an über Jahrzehnte Bewährtem, sind die, die für deren Aushöhlung und Uminterpretation und damit letztlich und faktisch für deren Abschaffung sorgen. Und ironischer-, fataler- und schlicht rechtswidriger Weise ohne Änderung des Grundgesetzes.

Als ein jüngstes, allerdings eines in einer sehr langen Reihe von Beispielen für diese in letzter Konsequenz den Staat gefährdenden Entwicklung stehen die Umstände, unter denen Mitte Januar rund 500 Menschen aus ganz Deutschland in einem Kongress-Center in Kelsterbach bei Frankfurt für einen Tag zusammengekommen waren. Bürger, die sich um das Ergehen und Fortbestehen unseres Gemeinwesens Sorgen machen und diese Befürchtungen mit einer Handvoll Experten in Vortrag und Gesprächen erörtern wollten. Eingeladen hatten und Veranstalter waren ein „Aktionsbündnis für Ehe und Familie - Demo für alle - CitizenGO Deutschland“. Das Thema lautete „Öffnung der Ehe - Folgen für alle“.

Experten warnen vor den Veränderungen

Hedwig von Beverfoerde vom Aktionsbündnis führte durch das Programm. Zu den einzelnen Aspekten des Tagungsgegenstandes nahmen Stellung: Prof. Dr. Jörg Benedict vom Lehrstuhl für Privatrecht, Rechtsgeschichte und Rechtsphilosophie an der Uni Rostock. Dr. med. Christian Spaemann, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Philosoph und Autor. Birgit Kelle, Journalistin, Publizistin und Buchautorin. Dr. Stephanie Merckens, Juristin und Buchautorin sowie Leiterin der Abteilung Politik am Institut für Ehe und Familie, der österreichischen Bischofskonferenz und Mitglied der österreichischen Bioethikkommission beim Bundekanzleramt. Dr. Jakob Cornides, Jurist, Beamter der Europäischen Kommission, Generaldirektion Handel in Brüssel. Die Interviews des Tages führte Jürgen Liminski, Journalist, Publizist und Buchautor, langjähriger Redakteur bei verschiedenen Zeitungen und Moderator beim Deutschlandfunk - und Vater von zehn Kindern.

Freie Meinungsäußerung nur unter Polizeischutz?

Allesamt, so muss man wohl leider feststellen, „rote Tücher“ für die überwiegend linksgestrickte „Meinungsmafia“, deren Toleranz dann schlagartig endet, wenn Andersdenkende die geltende „Political Correctness“ infrage stellen oder schlicht ignorieren. Und sich versammeln. Wie in Kelsterbach geschehen. Dass dies allerdings nur unter massivem Polizeischutz geschehen kann - es waren über 200 Beamte im Einsatz, darunter auch berittene Polizei - und dass sich Versammlungsbesucher auf ihrem Weg fußläufig zum Tagungsort übelste Beschimpfungen und Beleidigungen seitens der Gegendemonstranten anhören mussten, deren Weg zur Demo durch einen Bauzaun vom Zugang zur Versammlung abgetrennt war, ist in diesem Land vom Demonstrationsrecht gedeckt, gehört also dazu, muss erduldet werden.

Recht auf die eigene Meinung

Versuchten in Kelsterbach 200 bis zeitweise 500 Demonstranten den Zugang zum Tagungsraum zu stören, von der Polizei daran aber gehindert wurden, kam es zeitgleich in der Frankfurter Innenstadt zu einer Gegendemonstration. Protest gegen eine Veranstaltung von Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes, die die „Ehe für alle“ ebenso kritisch betrachten wie den in vollem Gange befindlichen Bemühungen, den traditionellen Begriff der Familie in der Form von Mann, Frau und Kindern auszuhöhlen und ihm nur noch die Rolle als eine von vielen Möglichkeiten des Zusammenlebens zuzuordnen. Jedermann und jede Frau kann und darf in diesem freiheitlichen Land in welcher Konstellation auch immer zusammenleben dürfen - und darf auch öffentlich für diese wie immer gearteten Formen des Zusammenlebens werben. Alles ist möglich. Wenn aber die grundgesetzlich geschützte Familie dabei unter die Räder kommt, dann muss es Andersdenkenden zumindest erlaubt sein, diese ihre andere Meinung zu artikulieren, öffentlich in Wort, Schrift, Veranstaltungen und auch Demonstrationen

„Aktivisten“ liegen inhaltlich und rechtlich daneben

Die „Gegenseite“ aber, die für sich ganz selbstverständlich diese Rechte für sich in Anspruch nimmt - und es ja auch darf - sieht das anders. An der Demo in der Frankfurter Innenstadt nehmen rund 2500 Personen teil. „Die Demo ist lang, sehr lang. Grüne, CDUler, LGBTIQ*-Verbände, Dragqueens, SPDler, Antifa. Alles dabei“, ist in einer Frankfurter Zeitung zu lesen. Und weiter: Letztere „tragen ein Transparent mit der Aufschrift Tod der Reaktion“. Begleitet von der Antifa-Parole „Wir bleiben unserem Motto treu - queer, pervers und arbeitsscheu“. (Darf es einem Angst werden um die Zukunft dieses Landes?)

Für eine Oberbürgermeisterkandidatin steht Frankfurt für „Liebe und Vielfalt, nicht Hass und Einfalt". Oberbürgermeister Feldmann (SPD) erklärt, er sei froh, dass sich die Ehe für alle durchgesetzt habe. Und dass die offene, bunte und tolerante Stadt keinen Platz und kein Verständnis für homophobe Gruppen, Diskriminierung und Ausgrenzung habe. Kai Klose (Grüne), Staatssekretär und Bevollmächtigter der hessischen Landesregierung, griff die „Demo für alle“ als Veranstalter des Symposiums in Kelsterbach an. Sie grenze aus und kämpfe gegen die Grundwerte unserer Gesellschaft. Und so weiter und so fort - und so bunt.

Gerechte und Ungerechte

Was aber, so drängt sich die Frage auf, hat das alles mit der Veranstaltung in Kelsterbach zu tun? In der Innenstadt - und zuvor schon in Kelsterbach - die, man muss es sagen, medial aufgehetzten linken und linksradikalen „Aktivisten“. In Kelsterbach 500 Menschen, die sich aus Sorge um die Zukunft von Staat und Gesellschaft der Frage widmen, ob die „Ehe für alle“ die richtige Entscheidung war und ist. Die Befürworter sagen vehement und toleranzlos ja. Andere haben einen anderen Blick auf die Entwicklungen. Und dies bitte mit dem gleichen Recht! Wer aber von seinem Recht, anderer Meinung zu sein, Gebrauch macht, wird denunziert. Zum Beispiel als „ultrakonservatives Aktionsbündnis“, wie es die Symposiumsveranstalter am 20. Januar im hr-Text, einem durch Pflichtabgaben finanzierten öffentlich-rechtlichen Sender, lesen durften. Wem steht es mit welchem Recht zu, Andersdenkende in eine solche Schublade zu stecken? Oscar Wilde hat wohl doch recht: „Es gibt zwei Klassen von Menschen: die Gerechten und die Ungerechten. Die Einteilung wird von den Gerechten vorgenommen.“ Wobei „Gerechte“ auch durch „Gutmenschen“ zutreffend ersetzt werden könnte. In Frankfurt jedenfalls waren die „Gerechten“ zugange, in Kelsterbach die zu bekämpfenden anderen.

„Ehe für alle“ ist grundgesetzwidrig

Und dort, beim mit großer Polizeipräsenz geschützten Symposium, war es der Rostocker Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Jörg Benedict, der in einem fundierten und mit Humor gewürzten Vortrag anschaulich nachwies, dass die Verfasser des Grundgesetzes unter „Ehe“ ausschließlich die Verbindung von Mann und Frau verstanden haben. Dagegen komme die Neufassung des Paragraphen 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) einem „Anschlag auf die Ehe“ gleich, der damit ein Bruch des Grundgesetzes sei. Außerdem ein Koalitionsbruch der SPD, den die Union als Koalitionspartner aber nicht sanktioniert habe. Das überfallartig zustande gekommene Abstimmungsergebnis im Bundestag, mit dem der Begriff „Ehe“ im BGB umdefiniert wurde, ist laut Benedict mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Die Umbenennung von „Ehe“ im Bürgerlichen Gesetzbuch schreibe aber den Artikel 6 des Grundgesetzes nicht um. „Die Politik ist an die Verfassung gebunden und kann somit nicht machen, was sie will. Der Artikel 6 Grundgesetz schließt also die Neuregelung im BGB aus, deshalb ist die Neufassung des Ehebegriffs im BGB nicht verfassungskonform“, so Benedict. In der kurzen Debatte im Bundestag sei auf das Problem der Verfassungstauglichkeit der Neuregelung aber nur marginal hingewiesen worden. Die Behauptung, das Grundgesetz lasse eine gesetzliche Änderung, die faktisch einer Änderung des Grundgesetzes gleichkomme, zu, ist laut Benedict rechtshistorisch nicht haltbar und als reine Willkür zu betrachten. Auch dem Eheverständnis des Grundgesetzes, das auf dem gegensätzlichen Geschlecht einer Verbindung fußt, nun die „Fürsorge“ als tragendes Fundament einer wie auch immer gearteten Partnerschaft zugrunde zu legen, ist laut Benedict historisch nicht haltbar.

Aufstehen, um etwas zu bewegen

Der Verweis auf Umfragen, wie in der Debatte geschehen, ersetze nicht die Verfassungswirklichkeit. Zumal die Umfrage mit dem Ergebnis einer 80-prozentigen Zustimmung in der Bevölkerung für die „Ehe für alle“ von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes stammt. „Mit der gleichen Verbindlichkeit könnten 80 Prozent der Befragten beschließen, dass Bayern München nicht mehr Deutscher Fußballmeister werden darf.“

Bezüglich der vom Aktionsbündnis an die bayerische Landesregierung gerichteten beiden Petitionen, das Ehe-für-alle-Gesetz vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen, fürchtet Benedict jedoch, dass das BVG nichts im Sinne des Antragstellers tun werde. Die Rechtstheorie sei das eine, die Rechtspraxis als bisheriges Ergebnis der Zusammensetzung des 1. BVG-Senats gebe aber leider wenig Anlass zu Hoffnung. Es sei zu befürchten, dass die von SPD, FDP und Grünen nominierten Richter das neue Lebenspartnerschaftsgesetz goutieren. Darauf lasse auch die bisherige „Antidiskriminierungsrechtsprechung“ des BVG schließen, die laut Benedict in eine „ungute und falsche Richtung weist“ - und letztlich einem „kalkulierten Verfassungsbruch“, vorbereitet und vollzogen in Form eines „stillen Verfassungswandels“ gleichkomme. Deshalb: „Manchmal ist es wichtig aufzustehen für etwas, was einem wichtig ist. Man muss aufstehen, wenn man etwas bewegen will!“

In einem spannenden Interview des Journalisten Jürgen Liminski mit dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Christian Spaemann, wurde deutlich, wie wichtig für Kinder das Aufwachsen mit Mutter und Vater ist. Nur so, meinte Spaemann, sei in der Regel eine positive Persönlichkeitsentwicklung und Findung der Geschlechtsidentität als Mann oder Frau seitens der Heranwachsenden gewährleistet.

Problem Leihmutterschaft und Kinderhandel

Die Wiener Juristin und Bioethikerin Dr. Stephanie Merckens zeigte in ihrem Vortrag, wie mit allen Mitteln und Tricks versucht werde, das in Deutschland bestehende Verbot der Leihmutterschaft zu umgehen und welche Gefahren eine rechtlich nicht konsequent geregelte Adoptionspraxis sowie „Fortpflanzungsindustrie“ mit sich bringen. Daran anschließend vertiefte Birgit Kelle diese wissenschaftlichen Erkenntnisse und zeigte anhand aufrüttelnder und erschütternder Beispiele die katastrophalen Folgen einer Legalisierung von Leihmutterschaft auf: „Organhandel ist zurecht verboten. Warum ist dann der weltweite Kinderhandel nicht verboten?“ Der österreichische Jurist Dr. Jakob Cornides, Beamter der Europäischen Kommission, gab abschließend hochinteressante Einblicke zum Thema „Ehe-Öffnung in Europa und weltweit“. Bezogen auf Deutschland empfahl er dringend, eine Normenkontrollklage gegen das Ehe-Öffnungsgesetz anzustrengen: „Wir befinden uns mitten im Schlachtengetümmel, und noch ist nicht abzusehen, wie es ausgehen wird.“

„Wir kämpfen weiter“

Wie die massiven Anfeindungen gegen das Aktionsbündnis „Demo für alle“ und gegen das Symposium in Kelsterbach zeigten, „trifft diese Aussage voll ins Schwarze“, so Hedwig von Beverfoerde namens der Veranstalter, „Wir sind als Aktionsbündnis 'Demo für alle mit CitizenGO' die erste und einzige gesellschaftliche Gruppierung, die der grundgesetzwidrigen Kaperung des Ehe-Begriffs ernsthaft entgegentritt. Und diesen Kampf werden wir weiterführen.“

Über den Autor

Franz Ewert

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