Hans-Jürgen Irmer
hinterlässt die sprichwörtlich "großen Schuhe"

Dass Politiker ihre ehrenamtlichen oder auch hauptamtlichen Aktivitäten - in vielen Fällen vereinigt sich beides in einer Person - auf- oder abgeben, gehört sozusagen "zum Geschäft" - und ist daher in den meisten Fällen nicht der besonderen Rede wert. Es wird gewöhnlich zur Kenntnis genommen, registriert und "zu den Akten gelegt". So oder so ähnlich ist es in der Historie vielen politischen Akteuren ergangen - und wird auch weiterhin so passieren -, ob auf der Ebene des Bundes, des Landes oder auch in Kreis und Kommune.

Es ereignen allerdings auch Rücktritte, die von einer interessierten Öffentlichkeit nicht mehr oder weniger regungs- oder teilnahmslos konstatiert werden. Dazu zählt - und das zumindest auf kommunaler und regionaler Ebene - der sicher erst nach reiflicher Überlegung beschlossene, vor wenigen Tagen verkündete und zum 1. September 2023 vollzogene Schritt von Hans-Jürgen Irmer, sämtliche parteipolitischen Ämter aufzugeben und alle seine bisherigen Mandate niederzulegen.

50 Jahre

Fünf Jahrzehnte hat sich der gelernte Pädagoge für die CDU im Ganzen - unter anderem als Landtags- und Bundestagsabgeordneter sowie in zahlreichen weiteren Gremien - und ganz besonders für "seine" CDU auf kommunaler und auf Ebene Lahn-Dill-Kreises "ins Zeug gelegt". Es wird sowohl aus den Reihen der Union auf der einen wie auch der "politischen Mitbewerber" auf der anderen Seite kaum jemanden in den Sinn kommen (können), das außerordentliche persönliche politische Engagement des heute 71-Jährigen anders zu beschreiben, zu bewerten und auch durchaus anzuerkennen, als es ist, beziehungsweise - ab sofort im Präsens perfekt - als es gewesen ist: eben außerordentlich und außergewöhnlich und zweifellos über das "normale Maß" hinausgehend.

Zäsur

Was immer die genauen und tief im Herzen Irmers abgewogenen und entscheidenden Gründe für diesen für die meisten Parteigänger doch überraschenden und in seinen direkten und indirekten Folgen Stand heute, vor allem für seine Partei auf lokale Ebene, noch nicht wirklich einzuschätzenden Rücktritt von allen seinen kommunalpolitischen Ämtern, Mandaten und Aufgaben gewesen sind, eines ist klar: eine Ära ist Ende. Eine Zäsur findet statt. Und die CDU an Lahn und Dill, die von Hans-Jürgen Irmer an führender und entscheidender Stelle geformt und "zusammengehalten" wurde, steht nun zwangsläufig vor einem Neuanfang. Wie dieser personell und auch inhaltlich aussieht, entscheidet sich in den nächsten und vermutlich CDU-intern nicht gänzlich unaufgeregten Tagen, Wochen und längstens Monaten. Denn spätestens beim nächsten Kreisparteitag, bei dem als wohl wichtigstem Tagesordnungspunkt die Neuwahl, sprich Neubesetzung des Amtes des Kreisvorsitzenden ansteht, muss entschieden werden. Und mit dieser dann erfolgten personellen Weichenstellung an der Spitze untrennbar verknüpft ist - das sei an dieser Stelle bewusst angemerkt - nichts weniger und nichts Geringeres als die Zukunft der CDU an Lahn und Dill.

Klare Linie und Glaubwürdigkeit

Wer oder was diese CDU auf heimischer Kreisebene in den vergangenen vier Jahrzehnten geprägt hat, war praktisch immer mit dem Namen Hans-Jürgen Irmer verbunden, wobei der Politiker und der (Familien-)Mensch stets eine nicht voneinander zu trennende Einheit gewesen sind. Irmer hat sich nie verstellt, er hat nie nach außen getragen und repräsentiert, was nicht zugleich auch in seiner Natur miteinander verbunden war. Anders gesagt: auf Hans-Jürgen Irmer war immer Verlass. Aufs Ganze gesehen war sein Ja ein Ja und sein Nein ein Nein. Dabei ist er sich immer treu geblieben, wissend - und oft auch ertragend und erleidend -, dass Politik wahrlich nicht selten "grausam" sein kann. Auf diesen Wesenszug konnten sich sowohl seine politischen Freunde wie auch seine politischen Kontrahenten stets verlassen.

Kümmerer für Jedermann

Dass rund Tausend Menschen aus der Region, junge und alte, Frauen wie Männer, in den letzten Jahrzehnten bei dem Landtags- und Bundestagsabgeordneten Hans-Jürgen Irmer Rat und Unterstützung auf allen möglichen Feldern des Lebens - privat, politisch, gesellschaftlich und vielfach bei Problemen mit der Bürokratie - gesucht und, wo immer möglich und machbar, auch gefunden haben, erfüllt den nun Zurückgetretenen mit besonderer Freude und Befriedigung. Diese Unterstützung vieler Einzelner, der Einsatz für die Mitbürger in seinem Wahlkreis (und selbstredend auch darüber hinaus), die sich ihm in großer Zahl hilfe- und ratsuchend zugewandt haben, hat Irmer stets als seine vornehmste, wenn auch niemals "an die große Glocke" gehängte Aufgabe angesehen. Zumal, und das ist vielfach dokumentiert, diese Hilfe und dieser Rat völlig unabhängig von der eventuellen Partei- oder Religions- oder auch sonstiger Zugehörigkeiten gewährt wurde.

Ecken und Kanten

Dass Hans-Jürgen Irmer Zeit seines politischen Agierens polarisiert und Gegenwind erzeugt hat - und zwar auf allen Ebenen - war sicher nicht seine Absicht, ließ sich aufgrund seiner Geradlinigkeit und Unbeugsamkeit gegen oft heftige Widerstände aber nicht vermeiden. Mit dem Strom zu schwimmen, wenn er das Gegenteil oder eine andere Variante für das Richtige hielt, war nie seine Sache. Das aber soll an dieser Stelle, weil sattsam bekannt, mehr oder weniger nur am Rande erwähnt werden. Zumal ihm auch politische Widersacher, die sich im Gegensatz zur großen Mehrheit seiner Gegner die Mühe gemacht haben, sich ansatzweise in die Persönlichkeit Irmers hineinzuversetzen, nicht selten Respekt gezollt haben. Seltener in der Öffentlichkeit, viel öfter dafür "unter vier Augen".

Hans-Jürgen Irmer hinterlässt zweifelsfrei "große Schuhe". Diese durch seinen Rücktritt entstandene Lücke zum Wohle der CDU wie auch immer zu füllen und im Idealfall zu schließen, wird die ebenso dringende und unaufschiebbare wie zugleich schwierige Aufgabe der Interimsvorsitzenden und vor allem des vom Kreisparteitag zu wählenden Nachfolgers an der Spitze der CDU Lahn-Dill sein. Irmer war sich seiner herausragenden Stellung innerhalb der heimischen CDU durchaus bewusst. Und genau das hatte für ihn sehr viel mit Verantwortung für die Sache sowie die mitagierenden Personen zu tun. Angestrebt, sozusagen als Selbstzweck oder gar zur Befriedigung seines Egos, hat er diese exponierte Stellung dagegen nie. Er hat seine Person stets den ihm per Wahlergebnis zugefallenen und von den Parteimitgliedern und -gremien übertragenen Aufgaben untergeordnet. Und bei alledem unablässig versucht, im Blick auf die Zukunft der Partei auf Kreisebene engagierte junge Menschen aus den Reihen des Parteinachwuchses zu fördern, zu ermuntern und zu unterstützen, ihren Weg zu gehen.

Wer anderes - wie nicht selten sogar wider besseren Wissens praktiziert - behauptet, wird der Person, dem Politiker und dem Menschen Hans-Jürgen Irmer schlicht nicht gerecht.

Über den Autor

Franz Ewert

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Aktuelle Ausgabe06.03.