Julia Klöckner kritisiert in Wetzlar die "Ampel"-Politik scharf und wirbt für Lösungsvorschläge der Union
"In unserem Land kippt etwas - die Gesellschaft gerät unter Druck"
In dem von Berlin aus regierten "Ampel-Land" läuft vieles zu langsam, vieles in die falsche Richtung, vieles schief. Darauf dezidiert hinzuweisen im Vorfeld der Landtagswahl in Hessen, ließ sich die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, ehemalige Bundesministerin und seit 2022 Bundesschatzmeisterin der CDU Deutschlands, Julia Klöckner aus dem benachbarten Rheinland-Pfalz, auf Einladung und vor einem 90-köpfigen interessierten Publikum begrüßt vom heimischen CDU-Landtagsabgeordneten und Wetzlarer Wahlkreiskandidaten für den Urnengang am 8. Oktober, Frank Steinraths, in ihrem Referat zur Lage in der Wetzlarer "Blattform" nicht entgehen.
Stimmung im Land schlecht
Sie konstatierte eine schlechte Stimmung im Land wie seit 20 Jahren nicht mehr, befördert durch Inflation und Rezession. Also Problemen, die in der Vergangenheit von Regierungen unter Führung von CDU und CSU stets gemeistert worden seien. Darauf als "staatstragende CDU" in der politischen Auseinandersetzung auch "überspitzt" hinzuweisen, sei Aufgabe der Opposition. Aber nicht in der Form, wie die AfD dies tue, "das können und das wollen wir nicht!" Gegen die Ampel zu protestieren, sei legitim und angebracht. Allerdings sollten Proteststimmen, für die sie volles Verständnis habe, nicht bei der AfD "abgeladen werden". Denn, so Klöckner: "Wer AfD wählt, muss wissen, dass er die Ampel stärkt."
Das gelte auch in ein paar Wochen für Hessen, dessen Ministerpräsident Boris Rhein - ebenso wie seine CDU-Vorgänger - geerdet sei und seine Aufgabe überaus ordentlich, verbindlich, verlässlich, anständig und mit gesundem Menschenverstand erfülle. Das sei "ein gutes Werbegerüst", gerade auch in Zeiten, "in denen in unserem Land etwas kippt" und die Gesellschaft vermehrt unter Druck gerate.
AKW-Abschaltungen falsch
Die Grünen, derzeit im Bund an entscheidenden politischen Hebeln agierend, haben laut Klöckner durchaus ihre Verdienste in Sachen Klimaschutz. Allerdings sei der Auftrag "Bewahrung der Schöpfung" ureigenes Betätigungsfeld von CDU und CSU. Unter entscheidender Mitwirkung und Verantwortung der Union sei der CO2-Ausstoß in den letzten 25 Jahren in Deutschland um 40 Prozent gesenkt worden - und das parallel zu einer Steigerung der Wirtschaftskraft Deutschlands um das Doppelte. Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit müssen laut Klöckner im Sinne von Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen: "Ökologie, Ökonomie und soziale Balance sind keine Gegensätze, sondern bedingen einander."
Leider müsse festgestellt werden, dass "grüne Vorfeldorganisationen" gegen alles klagten und damit schnelle Planungen verhinderten. Das Habeck'sche Heizungsgesetz sollte übers Knie gebrochen werden, um damit ideologisch motivierte - und alleine schon deshalb falsche - AKW-Abschaltungen zu kompensieren. Das rechne sich nicht und auch die Bürger machten nicht mit, weil sie überfordert werden. Die Angst der Menschen, wie und ob sie zum Beispiel 40.000 Euro zur von oben verordneten Heizungsumstellung aufbringen können und sollen, sei verständlich. Ergebnis: "Wer mit dem Kopf durch die Wand will, wird scheitern."
Wirtschaft hat Probleme
Die "Ampel" trage die Verantwortung dafür, "dass Explosives zusammenkommt". Zum Beispiel mit Insolvenzen auf Rekordniveau, 42 Prozent Lohnnebenkosten, zweieinhalb Mal so teure Energiekosten im Vergleich mit dem Ausland. "Unsere Wirtschaft schmiert zurzeit ab, nicht weil sie schlechter ist, sondern weil in anderen Ländern die Rahmenbedingungen besser sind." Und "aus Notwehr" wendeten sich dann viele Bürger leider den Extremen zu.
In Deutschland laufe viel schief. Klöckner vermisst Technologieoffenheit. "Was wir aber haben, ist eine Steigerung des CO2-Ausstoßes, weil als Ergebnis einer falschen Energiepolitik Kohlekraftwerke hochgefahren werden müssen - und das unter einem grünen Wirtschafts- und Klimaschutzminister." Die Abschaltung der Kernkraftwerke führe zu einer Energieverknappung und in deren unmittelbarer Folge zu höheren Preisen. Deutschland verliere derzeit "dramatisch an Wettbewerbsfähigkeit". Firmen reduzierten einerseits die Zahl ihrer Mitarbeiter, investierten aber andererseits "massiv" im Ausland, nicht zuletzt in China. Weniger Export führe zu weniger Einnahmen".
Lebt Scholz noch?
Inflation, Rezession, steigende Arbeitslosigkeit, das alles werde von der Regierung ignoriert oder, wie von Habeck, als "German Angst" abgetan. Aber dies genau seien die Gründe, weshalb in Deutschland die Angst umgehe. Dabei erhebt sich laut Julia Klöckner die Frage: "Lebt Scholz eigentlich noch?" Denn präsent sei er nicht.
Der langen Auflistung regierungsamtlicher Fehlleistungen stellte die wirtschaftspolitische Sprecherin Lösungsvorsachlage der Union gegenüber. Klima- und Umweltschutz könnten nur erfolgreich praktiziert werden, wenn es zu einer Win-Win-Situation komme. Die Sache müsse sich rechnen. Deshalb funktioniere es nur nach dem Prinzip Klimaschutz UND Wirtschaft. Deshalb müsse der Industrie- und Wirtschaftsstandort Deutschland gestärkt werden. Denn eine drohende De-Industrialisierung in Deutschland führe nicht zu weniger CO2-Emissionen, sondern zu einem zwar dann anderenorts - viel höheren Schadstoffausstoß.
Union mit Lösungs-Vorschlägen
Klöckner forderte eine umfassende Technologieoffenheit, mehr Investitionen in Forschung und Bildung, eine qualifizierte Zuwanderung ("70 Prozent der 2015er Zuwanderung befindet sich im Sozialbezug"), ein gültiger Arbeitsvertrag müsse eine Einreise nach Deutschland ermöglichen sowie eine Trennung von Arbeitsmigration von Asyl-Migration.
Auf dem Feld der Energie müssen laut Klöckner die Atomkraftwerke eigentlich weiterlaufen, zumindest aber in Reserve gehalten werden. Dass die Union ihren nach dem Unglück in Japan gefassten AKW-Ausstiegsbeschluss von 2013 begründet revidiert habe, liege an der Änderung der Ausgangskriterien. Die CDU-Politikerin verwies auf Schweden, das wieder in die Kernenergie einsteige, um in Sachen Energie unabhängiger zu werden. Das gleiche gelte auch für Deutschland. Klöckner forderte die Senkung der Strom- und Gassteuern auf das "europäische Mindestmaß", Vertragsfreiheit zwischen Energieherstellern und -erzeugern, eine Reduzierung bürokratischer Auflagen und damit ein "Lösen der Bürokratie-Bremse".
Ordentliche Diskussionskultur nötig
Insgesamt und unter dem Strich gab sich Klöckner aber auch optimistisch. Das technische Know-how, die Probleme zu bewältigen, sei in Deutschland vorhanden. Sie will "die Leute machen lassen", besonders was die Forschung angehe. Das Land benötige wieder mehr Mut zu Investitionen und weniger Risikoabsicherung. Um die derzeit heikle Lage in Deutschland wieder zum Positiveren zu wenden, braucht es laut Julia Klöckner endlich wieder eine "ordentliche Diskussionskultur" in unserem Land. Und ihre CDU müsse in allen diesen Zusammenhängen wieder deutlicher machen, wofür sie stehe. Denn die Mehrheit der Deutschen "ist nicht laut und schrill, will aber gehört werden". In diesem Sinne müsse "Demokratie jeden Tag erkämpft werden".