Ministerpräsident Boris Rhein als Gast des
Lions-Clubs Wetzlar-Solms in der Leica-Welt Wetzlar:
"So wie bisher können wir nicht weitermachen"

Als Ehrengast einer Informationsveranstaltung des Lions-Clubs Wetzlar-Solms in der "Leica-Welt" in Wetzlar, zu der auch befreundete Lions anderer Clubs eingeladen waren, zeigte sich Hessens Ministerpräsident Boris Rhein beeindruckt von dem Unternehmen Leica. "Die Marke Leica kennt jedes Kind" und die in Wetzlar entwickelte Leica-Technik "hat die Welt verändert". Mittelhessen, die Heimat von Leica, sei eine "unglaublich starke Wirtschafts- und Wissenschaftsregion, deren Erfolgsrezept in der engen Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft begründet liege.

Begrüßt wurden die Lions-Mitglieder und der Ministerpräsident von Matthias Harsch, der seit gut fünf Jahren als CEO, zu deutsch Geschäftsführer, ein Traditionsunternehmen leitet, dessen Name "Leica" (Leitz-Camera) zu den weltweit bekanntesten Marken zählt, jedoch nur zwei Prozent des globalen Kamera-Marktes bediene. Von Wetzlar aus, einem laut Harsch "kleinen gallischen-hessischen Dorf", müsse sich Leica, ein "Made-in-Germany-Symbol", weltweit gegen die "Großen" durchsetzen. Das geschehe mit 1100 Mitarbeitern in Wetzlar und 70 eigenen "Leica-Stores" rund um den Globus.

Neben seinen Bekundungen des Respekts und der Anerkennung für das mittelständische Vorzeigeunternehmen Leica erwartete das vielköpfige und überwiegend selbst in der Ökonomie angesiedelte Publikum die Einschätzung des obersten hessischen Politikers zu den aktuell drängenden Fragen in Deutschland und Europa. Und wurde unter der Überschrift "Wir befinden uns in gleichzeitig stattfindenden weltweiten Krisen, die nicht einfach weggesteckt werden und mehrere Generationen betreffen" auf eine Tour d'Horizon mitgenommen.

Ja zur Unterstützung der Ukraine

Mehrere Generationen alleine deshalb, wenn es um die Rückzahlung all jener Schulden gehe, die angesichts der multiplen Krisen haben aufgenommen werden müssen. Der Krieg in der Ukraine, völkerrechtswidrig von Putin vom Zaun gebrochen, ist laut Rhein ein Hauptgrund für die krisenhafte Entwicklung der letzten Jahre. Der Ministerpräsident bezeichnete Putin als Kriegsverbrecher, der sich allerdings "total verkalkuliert" habe. Nie in ihrer Geschichte habe die NATO als "Garant für Sicherheit und Frieden" auch und gerade bei uns in Deutschland so gut und so eng zusammengestanden wie derzeit.

Was in der Ukraine geschehe, dürfe in seinen Auswirkungen auf die ganze Welt nicht unterschätzt werden, so Rhein, der die ukrainischen Soldaten und Soldatinnen hervorhob, die in ihrem Land für Frieden und Freiheit für ganz Europa kämpften. Denn wäre Putin siegreich, so Rhein, "dann sind als nächstes Polen und die baltischen Staaten dran". Deshalb gehe es am Ende um die Frage, ob das Recht des Stärkeren oder die Stärke des Rechts die Oberhand behalte. Lichterketten und Friedensgebete seien sicher wichtig und richtig, konkreten Frieden aber, so zeige sich jetzt in der Krise, seien nur mit einer wehr- und verteidigungsfähigen EU und einer starken NATO in einem einigen Europa möglich.

Begrenzung der Zuwanderung

In gewissem Sinne sei der Krieg unter anderem in Form einer "satten Energiekrise" auch in Deutschland angekommen. Bei der Bewältigung der Herausforderungen zeige sie der "Wert des Föderalismus" als Grundlage einer handlungsfähigen Demokratie über Parteigrenzen hinweg. Und es zeige sich eindrucksvoll, was die "kommunale Familie" im Blick auf die vielen Flüchtlinge zu leisten imstande sei. Wichtig war Rhein der Verweis auf die "nach wie vor hohe Willkommenskultur und Hilfsbereitschaft" in Deutschland und auch in Hessen. Allerdings stoße man mittlerweile zunehmend an Grenzen. Hilferufe aus Kreisen und Kommunen zeigten, dass diese Grenzen vielerorts schon erreicht seien. Deshalb werde zwangsläufig auch das "Thema Akzeptanz" aufkommen. In diesem Kontext kommen für Boris Rhein auch Überlegungen, die Hürden zum Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft abzusenken, "völlig zur Unzeit".

Deutschland komme zeitnah nicht umhin, Migration zu steuern und auch zu begrenzen. Das aber sei vor allem Sache des Bundes. Kein Land, so die Überzeugung des hessischen Ministerpräsidenten, leiste in Sachen Humanität so Vorbildliches wie Deutschland. Dies aber müsse künftig "mit mehr Ordnung" geschehen. Gerade auch angesichts der Tatsache, dass mehr als die Hälfte der antragstellenden Menschen keinen Anspruch auf Asyl hierzulande habe. Auch im Blick auf die sogenannte "Sekundär-Migration", die Schleuser-Kriminalität und die mangelnde Kontrolle an den EU-Außengrenzen "können wir nicht so weitermachen wie bisher", so Rhein.

Für den Verbrennungsmotor

Zanken, Zögern und Zaudern warf Rhein der Bundesregierung auf vielen Politikfeldern vor. Nicht zuletzt beim Thema Klimaschutz. Hier gelte es zwingend, Ökologie und Ökonomie zusammenzubringen: "Wenn uns das nicht gelingt, wird unsere Wirtschaft großen Schaden nehmen und in der Folge der Wohlstand verlorengehen." Rhein forderte, das "Aus für den Verbrennungsmotor" zu stoppen. In dieser Technologie sei Deutschland weltweit führend. Der "Verbrenner" dürfe nicht verboten, sondern müsse verbessert werden. Ausschließlich auf E-Mobilität zu setzen sei ein gefährlicher Weg, weil sich Deutschland dann wiederum abhängig mache, in diesem Falle von China. Im Übrigen muss laut Rhein Energie bezahlbar bleiben.

Offenheit für neue Technologien

Der Ministerpräsident forderte ein "Ende der Aussteigerhaltung" in Deutschland und stattdessen ein Einsteigen in neue Technologien und Forschungsfelder: "In der Energie- und High-Tech-Forschung ist Deutschland führend." In diesem Zusammenhang nannte er es "Irrsinn", einerseits auf Wärmepumpen und Elektromobilität zu setzen und andererseits aus der CO2-freien Kernenergie auszusteigen.

Anschließend machte Rhein seinen Zuhörern im Blick nach vorne auch Mut. "Die anstehenden Aufgaben sind lösbar, man muss es nur richtig machen." Die Voraussetzungen seien dafür in Deutschland und insbesondere in Hessen auf der Basis des Zusammenwirkens von Wirtschaft-Wissenschaft und Bürgerschaft gut, deshalb sei ein optimistischer Blick in die Zukunft durchaus erlaubt.

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Franz Ewert

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