Auf Einladung von Pro Polizei Wetzlar referiert Prof. Marcel A. Verhoff im Bürgerhaus Büblingshausen

"Tote retten Leben" - Rechtmediziner liefert dafür die Begründung

Professor Marcel Alfred Alfons Verhoff ist als Rechtsmediziner und Gutachter nicht nur ein anerkannter Experte bei der Suche nach Todesursachen, sondern auch ein "begabter Verkäufer" seiner Profession - und deshalb zum Beispiel auch regelmäßiger Gast in TV-Talkrunden und gefragter Referent.

Auf Einladung der Bürgerinitiative Pro Polizei Wetzlar sprach der geborene Gießener vor gut 200 Zuhörern im Bürgerhaus Büblingshausen zum Thema "Von den Toten für die Lebenden - wie Leichenschau und Obduktion Leben retten".

Marcel A. Verhoff ist Leiter des Instituts für Rechtsmedizin am Uni-Klinikum der Goethe-Universität Frankfurt, an dem jährlich rund 900 Obduktionen vorgenommen werden. Die Rechtsmedizin trägt bekanntlich oft entscheidend zur Aufklärung von Verbrechen bei. "Den perfekten Mord gibt es nicht", macht Verhoff deutlich. Niemand schaffe es, einen Menschen zu töten, ohne dabei Spuren zu hinterlassen. Desto wichtiger sei die sorgfältige Leichenschau und die Obduktion.

In Deutschland versterben pro Jahr rund eine Million Menschen. Bevor die Sterbeurkunde ausgestellt werde und es danach zu einer Beerdigung oder einer Feuerbestattung komme - in Hessen lassen sich mittlerweile 60 Prozent der Verstorbenen kremieren -, sei in Deutschland die Leichenschau, in der Regel durch einen Arzt und mit dem Ziel, eine unnatürliche Todesursache auszuschließen, gesetzlich vorgeschrieben. Vor Feuerbestattungen sei zudem seit dem 1. März 2019 eine zweite Leichenschau, vorzunehmen durch einen Rechtsmediziner, obligatorisch. Obduziert - Obduktion ist die "innere Leichenschau" - werden laut Verhoff, weil es Zweifel an einem natürlichen Tod gibt, etwa ein bis zwei Prozent aller Verstorbenen. Und zwar auf Grund gerichtlicher Beschlüsse, klinischer oder versicherungsmedizinischer Notwendigkeiten, auf Basis des Infektionsschutzgesetzes oder auch im privaten Auftrag.

Neben der Verbrechensaufklärung sammelt die Rechtsmedizin im Zuge ihrer Arbeit auch wichtige Informationen zu Krankheiten, deren Vorbeugung und Behandlung. Und genau dieser Aspekt, nämlich wie Leichenschau und Obduktion Leben - das Leben anderer - retten können, war Schwerpunkt des Vortrages des 53-Jährigen in Büblingshausen.

Obduktion und Corona

Gerade auch in Corona-Zeiten habe die Rechtsmedizin Neuland betreten. Obduktionen seien nur unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen vorgenommen worden. Denn, so eine Feststellung: Covid-Viren sind auch im Falle einer Leiche noch 19 Tage aktiv und ansteckend. Und: Erst durch die Obduktion habe das Ausmaß von Covid-19-Schäden festgestellt werden können. Mit der Folge, dass bewusst wurde, was zuvor gar nicht bedacht wurde bei der Behandlung von Covid-Patienten. Ergebnis: "Die Überlebensrate wurde auf einen Schlag besser."

Des Weiteren haben die Ergebnisse von Obduktionen auch beispielsweise zu einer Verbesserung der Arbeitsschutz-Vorschriften beigetragen. Und zur Anerkennung von Erkrankungen als Berufskrankheit, was die Prävention verbesserte und auch zur finanziellen Unterstützung bereits betroffener Menschen beitrage. "Gründliche Leichenschau rettet Leben", macht Verhoff deutlich.

Kindstod und plötzlicher Herztod

Ein Bereich, in dem man noch nicht zu den wirklichen Ursachen durchgedrungen sei, ist laut Verhoff der "plötzliche Kindstod". Verstorbene Säuglinge würde fast immer obduziert. Beim nach wie vor unklaren plötzlichen Kindstod vermutet der Rechtsmediziner genetische Gründe. 25 Prozent aller Todesfälle sind laut Verhoff auf den plötzliche Herztod zurückzuführen. Todesursachen seien "Zivilisationskrankheiten" und Risiken, zum Beispiel durch das Rauchen. Der plötzliche Herztod betreffe auch junge Leute unter 40 Jahren (ein bis zehn Tote auf 100.000 Menschen). Besonders bei dieser Gruppe spielten genetische Bedingungen eine große Rolle und deshalb sei eine detaillierte Autopsie essentiell - und von hoher Relevanz für betroffene Familien.

Insgesamt sei aber bei allen genannten - und im Vortrag nicht genannten - Fällen durch die Forschung an Verstorbenen und auch deren lebenden Angehörigen zumindest klarer, wo Risikofaktoren liegen, sodass alleine schon dadurch Leben gerettet werden könnten, so Marcel A. Verhoff.

Werbung für Pro Polizei

Pro Polizei Vorsitzender Hans-Jürgen Irmer dankte Prof. Verhoff für sein erneutes Kommen zur Wetzlarer Bürgerinitiative und für seinen exzellenten Vortrag, und er warb einmal mehr dafür, Mitglied von „Pro Polizei“ zu werden. Verhoff selbst zeigte sich sehr beeindruckt von der Entwicklung von Pro Polizei und fügte hinzu, dass es solche Einrichtungen eigentlich überall geben müsste, wo Polizeistationen sind. (https://www.propolizei-wetzlar.de/)

Über den Autor

Franz Ewert

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