Auf Einladung der CDU-Mittelstandsvereinigung Lahn-Dill: Vahrenholt-Vortrag bei der Helmut Hund GmbH, Podiumsrunde und Diskussion mit dem Publikum zeigt eindeutiges Ergebnis

Energiewende: Entweder die Vernunft kehrt endlich ein -
oder wir fahren Deutschland an die Wand

Im Ergebnis einer verkorksten und ideologiebefrachteten sogenannten „Energiewende“ steuert die deutsche Wirtschaft - und die gesamte Gesellschaft - auf ein enormes Stromproblem zu, auf eine weitere, durch die Verknappung des Stromangebotes zusätzlich beförderte Strompreissteigerung mit Auswirkungen bis in jeden Haushalt hinein. Dabei geht auch und gerade die mittelständische Wirtschaft sehr schwierigen Zeiten entgegen. Angesichts einer zu erwartenden 30-Gigawatt-Stromlücke bis zum Jahr 2030 flößt die Energiewende Furcht ein mit Energiepreisen, die nicht mehr zu stemmen sind.

"Flächenbrand" befürchtet

Das gilt für den standortgebundenen Mittelstand und darin vor allem für das Handwerk. Industriebetriebe, denen sich die Möglichkeit bietet, denken bereits heute konkret über eine Verlagerung ihrer Fertigung ins Ausland nach. Da dies für Mittelstand und Handwerk überwiegend keine Option ist, wird ein "Flächenbrand" befürchtet, der die gesamte mittelständische Industrie betreffen wird. Denn es werde auch eigentlich "gesunde" Unternehmen treffen, die nicht mehr produzieren werden können, wenn auch nur ein Glied in der "Lieferkette" wegbricht. Und diese Wahrscheinlichkeit ist hoch. Deshalb ist die Energiewende in ihrer derzeitigen Form "kein tragfähiges Modell".

Mit dieser seiner Einschätzung setzte Dr. Rainer Vinkemeier von der C21 Consulting GmbH "Impulse" am Beginn einer Informationsveranstaltung in den Räumen der Helmut Hund GmbH in Nauborn, zu der die Mittelstands- und Wirtschafts-Union Lahn-Dill gemeinsam mit der Mittelstandsinitiative Rettet unsere Industrie" und dem "Gießener Salon" eingeladen hatte. Gastreferent war Prof. Dr. Fritz Vahrenholt, einst Hamburger Umweltsenator in der SPD-Regierung Voscherau - "als SPD-Mitglied bin ich heute innerhalb der Partei ein Exot" -, langjährig erfahrener Energie- und Klimaexperte und Bestsellerautor. Seine Ausführungen zum Thema: "Die große Energiewende - und wie wir sie bewältigen können", stieß bei dem knapp 100-köpfigen Publikum auf breite Zustimmung.

Energiewende in jetziger Form falsch

Um das Ergebnis seiner faktenorientierten und ideologiefreien Ausführungen vorwegzunehmen: Die Energiewende, so wie sie angepackt und umgesetzt wird, ist falsch, gefährdet eine tägliche und sichere Energieversorgung, führt zu Wohlstandseinbußen privater Haushalte und vernichtet bei der im internationalen Wettbewerb stehenden Industrie Arbeitsplätze.

Bei der Erläuterung seiner Positionen denkt, argumentiert und sagt Vahrenholt, was er in der Sache für richtig hält - und löckt damit auf einem hohen fachlichen Niveau gegen den Stachel. Und das kommt in den ideologie-affinen Energie- und Klimawende-Kreisen und leider auch in einer nicht mehr in der Kategorie "Ausgewogenheit" agierenden deutschen Medienlandschaft - in Sonderheit in Funk und Fernsehen - nicht gut an. Bis hin zu dem sachlich nicht zu begründenden Vorwurf an Vahrenholt, "Klimaleugner" oder Schlimmeres zu sein. Davon lässt sich der ehemalige Hamburger Umwelt-Senator jedoch nicht beirren.

"Tiefes Tal" befürchtet

Ich bin kein Gegner der Windenergie", machte Vahrenholt deutlich. Wie die verantwortliche Politik die Energieversorgung Deutschlands jedoch gestalten und angeblich sichern will, werde dazu führen, dass "wir durch ein tiefes Tal gehen, bis wieder Vernunft einkehrt". Leider vermisst der Professor im Blick auf CDU/CSU als derzeit größter Oppositionspartei im Deutschen Bundestag "ein tragfähiges energiepolitisches Gegenkonzept".

Vahrenholt warnte davor, angesichts eines aktuell sinkenden Gaspreises die Energiekrise als bewältigt anzusehen. Tatsache sei, dass beispielsweise der Strompreis "im Vergleich zu 2021 drei- oder vier Mal so hoch ist". Und diese "hausgemachte Strompreiskrise" ist laut Vahrenholt nicht die Folge des Ukraine-Krieges, der jedoch für einen zusätzlichen Schub verantwortlich zeichne.

"Enormes Stromproblem" steht bevor

Dass Deutschland auf ein "enormes Stromproblem" zusteuere, ist für Vahrenholt angesichts der Abschaltung der letzten drei deutschen Atomkraftwerke (AKW) mit einer Leistung von 4500 Megawatt (MW) sowie das Vom-Netz-Nehmen zahlreicher Kohlekraftwerke im April 2024 mit einer Gesamtleistung von 7000 MW unvermeidlich. Und die von Bundeswirtschaftsminister Habeck ins Auge gefasste Verbot neuer Gasheizungen nannte der Referent einen "unglaublichen Eingriff" in die persönliche Entscheidungsfreite, "was ich in meinem Haushalt tun und lassen kann". Es sei schon eine "ganz starken ideologischen Orientierung" notwendig, um Derartiges umsetzen zu wollen.

Andererseits interessiere es die Regierung offenbar nicht, dass sich 80 Prozent der Menschen in Deutschland

eine längere Laufzeit der Kernkraftwerke wünsche, bis die Probleme der Energie- und Stromversorgung ausreichend gelöst sind. Die letzten Hoffnungen auf einen Weiterbetrieb über den April 2023 hinaus habe Kanzler Scholz höchst selbst "für erledigt erklärt".

Höchste Strompreise weltweit

Dabei spiele es offensichtlich auch keine Rolle, dass Deutschland die höchsten Strompreise weltweit habe. In China und den USA, Deutschlands wichtigsten Wettbewerbern auf dem Feld der Ökonomie, liege er um zwei Drittel niedriger. Die Verteuerung des Strompreises in Deutschland sei "politisch gewollt". Die Verteuerung des CO2-Preises von 20 auf 100 Euro pro Tonne sei nichts anderes als eine Strafsteuer, die den Standort Deutschland enorm verteuert.

"Wir haben und bekommen ein Stromproblem, weniger ein Gasproblem". Ohne Kern- und Kohlekraftwerke bestimmten die Gaskraftwerke den Strompreis. Und wenn ein steigender Bedarf die "Grundlast-Nachfrage" anwachsen lässt, also mehr Strom aus Gaskraftwerken anstelle aus Wind und Sonne benötigt wird, "dann explodiert der Strompreis".

Um dies auszugleichen, müsste die Energiegewinnung aus Windkraft um das Dreifache und das Angebot an Solarenergie um das Vierfache gesteigert werden. Allerdings habe 2021 der Anteil von Wind und Sonne am Gesamtenergieverbrauch in Deutschland nur 5,1 Prozent betragen, so dass eine Steigerung um das Drei- oder Vierfache ebenfalls unzureichend sei.

Was also den Menschen von den derzeit agierenden Energiewende-Verantwortlichen erzählt werde, wird laut Vahrenholt "spätestens 2030 in sich zusammenfallen wie ein Soufflé". Und, so seine Befürchtung: "Mit dieser Perspektive fahren wir Deutschland an die Wand."

Deutschland ist sehr CO2-effizient

Dabei sei die Bundesrepublik durchaus ein Vorzeigebeispiel für die Welt. Deutschland habe in den letzten 30 Jahren den CO2-Ausstoß um 40 Prozent gesenkt, wofür das Ende der DDR als dem bis dahin international größten Emittenten der Grund gewesen sei. Die Effizienz von CO2-Emissionen pro 1000 Dollar Bruttoinlandsprodukt (BIP) - und nur auf dieser Basis ließen sich die Werte der einzelnen Länder aussagekräftig vergleichen - liege in der Schweiz bei 0,06 Tonnen, in Schweden bei 0.08, in Frankreich bei 0,10, in Großbritannien bei 0,11 Tonnen. Dann folge bereits Deutschland mit 0,15 Tonnen, dahinter Japan (0,21), die USA (0,29), Russland (0,43) und China (0,50). Der Welt-Durchschnitt übrigens 0,28 Tonnen. Deutschland ist also eines der CO2-effizientesten Länder. Auch wenn sein Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß unter zwei Prozent liege.

Daraus ergibt sich laut Vahrenholt die Irrationalität, dass bei der - wirtschaftlich möglicherweise sinnvollen, vor allem aber durch die Umstände erzwungenen - Verlagerung von Arbeits- und Produktionsplätzen beispielsweise ins "billigere China" die CO2-Emissionen um ein Vielfaches stiegen. Auch deshalb müsste im Blick auf die globalen Klimaziele die deutsche Politik dafür sorgen, dass die Arbeitsplätze im Land bleiben und eben nicht abwanderten.

Entstehende Energielücke muss geschlossen werden

In Deutschland sind 5,6 Millionen Arbeitsplätze "erdgasabhängig", insbesondere in der chemischen Industrie, der Glas- und Ziegelindustrie, der metallerzeugenden und metallverarbeitenden Industrie. Schon 2021 wies der EON-Chef Birnbaum auf die "gigantische Lücke" hin, die entstehe, wenn die Kohle- und Kernenergie komplett gehen. Diese Lücke müsse gefüllt werden, was nur mit Gas als einzig zuverlässiger Quelle möglich sei.

Das Klimaziel der Ampel-Koalition von 80 Prozent erneuerbaren Energien im Jahr 2030 erfordert jedoch laut Bundesnetzagentur neue Kapazitäten von mehr als 20 Gigawatt Erdgaskraftwerken, was 40 bis 50 neue Gaskraftwerke erforderlich machte. Da erheben sich zwangsläufig Fragen: Woher kommt das Gas? Zu welchen Preisen? Wie beeinflussen die Gaskraftwerke die Strompreise? In diesem Zusammenhang befürchtet Vahrenholt für das Jahr 2024 Stromabschaltungen.

Fracking

Stichwort Fracking. Diese Art der Gasgewinnung aus tiefem Untergrund ist in Deutschland seit 2017 verboten. Allerdings kaufe Deutschland zwangsläufig vermehrt Fracking-Gas aus den USA. Das nationale Verbot ist laut Vahrenholt ein Fehler. Um diesen zu korrigieren, brauche es allerding Mut.

Gelingende Energiewende möglich

Der Referent, der die "maßlose Übertreibung der CO2-Auswirkungen" bei gleichzeitiger Nichtberücksichtigung aller natürlichen Effekte im Zusammenhang mit CO2 - "Es wird uns immer Angst gemacht, aber: CO2 ist kein Gift, sondern Mittel zum Leben" - machte am Ende seiner um der Sache willen notwendigen kritischen Ausführungen zahlreiche Vorschläge hinzu, wie die Energiewende gelingen kann.

Fraglos "setzt die Welt auf Kohle". Deshalb spricht sich Vahrenholt zum Beispiel für "Grüne", CO2-freie Kohlekraftwerke aus. Deutschland sei in der Lage, ein solches "Grünes Kohlen-Muster-Kraftwerk" zu bauen, damit zum Beispiel "die Inder sehen, wie es geht". Vahrenholt fordert "Forschungs-Offenheit", insbesondere auch im Bereich der Kernenergie. Weil es im Kernkraftbereich ein "riesiges Abfallproblem" gebe, müsse und könne aus abgebrannten Elementen neue Energie gewonnen werden.

Bisherigen Irrweg verlassen

In der sich dem Vortrag auf hohem fachlichen Niveau - auch dank der Beiträge aus dem Publikum - befasste sich eine Diskussionsrunde unter der Leitung von Lisa Schäfer, der stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-Mittelstandsvereinigung Mittelhessen, mit der Thematik. Neben dem Referenten Prof. Vahrenholt waren daran Daniel Henß (Deismann Feinmechanik GmbH, Aßlar), Norbert Bättenhausen (N. Bättenhausen Wärme- und Elektrotechnik GmbH, Naunheim) und Helmut Hund (Gastgeber, Gründer und Seniorchef der Helmut Hund GmbH, Nauborn) beteiligt.

Fazit: Deutschland muss, da es um nichts weniger als die Zukunft des Landes gehe, in Sachen Energiewende den bisherigen Irrweg verlassen - und ist dabei zugleich in der Lage, in den nächsten zehn bis 15 Jahren die Weichen hin zu einer gelingenden und nachhaltigen Energiewende zu stellen. Da aber hierzulande der Schmerz und der Druck, endlich vernünftige Wege zu beschreiten, offensichtlich noch nicht groß genug sind, "haben wir das tiefe Tal noch nicht durchschritten". Desto mehr Bedeutung habe der Widerstand gegen alle jene, "die", so Fritz Vahrenholt, "CO2 zu einem Armageddon machen wollen".

Über den Autor

Franz Ewert

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