In der deutschen Politik

Quote schlägt Qualität
Im Handwerk gibt es die Meisterpflicht, in der Politik leider nicht

Die Zahl der Abgeordneten im Deutschen Bundestag oder auch in der Spitze der Regierungsparteien, die über keinerlei beruflichen Abschluss verfügen, ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen, sehr häufig wiederzufinden bei Sozialdemokraten und Grünen. Ein Blick in das häufig beschönigende Handbuch des Deutschen Bundestages gibt Aufschluss darüber, wenn man zwischen den Zeilen lesen kann.

Wie die „Neue Zürcher Zeitung“ ausführte, lasse die Entkoppelung von Kompetenz und Autorität das Ansehen der Politik erodieren. Wenn Gesinnung wichtiger ist als Kompetenz, dann drückt sie damit auch eine Geringschätzung gegenüber dem Fachmann oder der Fachfrau aus nach dem Motto „Seht her, Kompetenz ist zweitrangig, Gesinnung, Quote ist viel wichtiger.“ Und wie in dem aktuellen Fall in Thüringen eine Sachbearbeiterin ohne juristisches Studium zur Justizministerin ernannt wird oder ein Schauspieler zum Energieminister, dann sagt das etwas über den Zustand der jeweiligen Partei, aber auch den Zustand in diesem Lande insgesamt aus.

Wenn Quote Qualität schlägt

Es sind an der Spitze der Ministerien, und dies ist überparteilich bewusst gemeint, Menschen, die nicht in der Lage sind, Fachvorträge aus dem eigenen Hause zu jeder Zeit zu verstehen. Sie müssen sich auf das verlassen, was ihnen ihre eigenen Fachleute sagen, können es aber aus eigener Anschauung nicht beurteilen und werden damit abhängig und sprechen nach, was man ihnen vorschreibt, statt selbst fachliche und inhaltliche Impulse zu setzen.

Das Staatsministerium der Justiz in Sachsen wird von einer grünen Politikerin geleitet, die Politikwissenschaft und Soziologie studiert hat. In Schleswig-Holstein ist eine Erzieherin, ein sehr ehrenwerter Beruf, plötzlich Finanzministerin. In Berlin ist ebenfalls ein Grüner Finanzsenator geworden, der ohne Abschluss zehn Jahre Geschichte und Kunstgeschichte studiert hat. Wohin Inkompetenz führt, kann man unschwer an der jetzt geschassten ehemaligen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) sehen. Sie war in diesem Amt völlig überfordert und kann einem ob des medialen Trommelfeuers menschlich fast leidtun.

Aber auch ihre beiden christdemokratischen Amtsvorgängerinnen haben sich nicht durch Sachkompetenz ausgezeichnet. Neben der völlig sinnfreien Quote, entscheidend kann einzig und allein nur die Qualifikation sein, kommen noch andere Überlegungen in allen Parteien hinzu. Landsmannschaften Ost/West, Nord-Süd, großer Verband, kleiner Verband, bei den politisch Linken kommen noch Migrationsaspekte hinzu. Qualifikation Nebensache. Kurzum, die Personalpolitik in Deutschland in der Politik ist höchst problematisch.

Die Akzeptanz von politischen Entscheidungen würde deutlich größer werden, wenn Bürger das Gefühl hätten oder auch wüssten, dass an der Spitze eines Ministeriums ausgewiesene Fachleute sind, deren Urteil man, unbeschadet der parteipolitischen Parteizugehörigkeit, zumindest weitgehend vertrauen kann. Wenn diese Kompetenz allerdings fehlt, nimmt man Politik nicht mehr ernst, und was das viel Schlimmere ist, so wie es die NZZ berichtete, das Vertrauen in politische Entscheidungen und die Fähigkeit, einen Staat in die Zukunft zu führen, nimmt dramatisch ab.

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier
Aktuelle Ausgabe4/2024