Ein überforderter Gesundheitsminister in der Kritik

Die Baustellen des Karl Lauterbach (SPD)

1. Homöopathie vor dem Aus

Vor wenigen Tagen erklärte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dass die Homöopathie „in einer wissenschaftsbasierten Gesundheitspolitik keinen Platz“ haben dürfe. Daher wolle er prüfen, ob die Homöopathie als Satzungsleistung der Kassen gestrichen werden könne. Angesichts der Tatsache, dass die verschriebenen Arzneimittel 2021 rund 7 Millionen Euro bei den gesetzlichen Krankenversicherungen ausmachten, das entspricht einem Anteil am GKV-Brutto-Umsatz von rund 0,01 Prozent, verwundert es schon, mit dieser Maßnahme zu glauben, die Kostenproblematik der gesetzlichen Krankenkassen auch nur ansatzweise positiv beeinflussen zu können.

Im Gegenteil. Es gibt Untersuchungen, wonach das Homöopathie-Patienten-Klientel häufig achtsamer mit der Gesundheit umgeht als andere. Und es gibt viele Menschen, die der Homöopathie in Ergänzung zu den schulmedizinischen Therapien Wertschätzung entgegenbringen und gute Erfahrungen gemacht haben.

2. Kein Geld mehr für Pflegevorsorgefonds

Die alte Bundesregierung hatte einen sogenannten Pflegevorsorgefonds eingerichtet, der ab dem Jahr 2034 die Pflegeversicherung entlasten soll, wenn die Generation der Babyboomer in das Alter kommt, wo sie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zumindest teilweise auch eher pflegebedürftig wird. Würde man dies nicht tun, hätte dies erhebliche Auswirkungen auf die Beiträge der Pflegeversicherung. Sie müssten exorbitant steigen.

Derzeit sind ca. 10 Milliarden Euro im Fonds enthalten. Die jährlichen Zahlungen will die Ampel jetzt aussetzen. Wenn sie dies macht, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie auf die 10 Milliarden Euro zurückgreifen wird. Eine Entscheidung zu Lasten der jüngeren Generation. Ein dramatisches Verschieben der Probleme in die Zukunft, um sich aktuell zu entlasten.

3. Keine Vergütung mehr für Neupatienten

Im letzten Monat gab es eine landesweite Protestaktion der Kassenärztlichen Vereinigung und vieler Hausärzte, weil die Bundesregierung beschlossen hat, im Rahmen des GKV-Finanzierungsgesetzes die extra budgetäre Vergütung ärztlicher Leistungen bei sogenannten Neupatienten abzuschaffen. Außerdem soll der eigentlich gesetzlich zustehende Inflationsausgleich in den kommenden Jahren nicht erfolgen.

Scharfe Kritik des Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung, der darauf hinwies, dass es Betrug in Hunderten von sogenannten Testcentern mit nutzlosen Coronatests gegeben habe und noch gebe, und dass dieses weiter üppig finanziert werde.

4. Regierungskommission ohne Experten

Lauterbach hat jetzt eine Regierungskommission eingesetzt, die Reformen für „eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ vorschlagen und entwickeln soll. Diese Kommission soll außerdem Leitplanken für die Krankenhausplanung festlegen, für die im Übrigen bislang die Bundesländer zuständig sind.
Nun kann man ohne jeden Zweifel eine Kommission einsetzen. Berechtigte Kritik allerdings gab es von der Deutschen Krankenhausgesellschaft, die sinnigerweise in dieser Kommission nicht vertreten ist. Nicht dabei im Übrigen auch die Vertreter der Krankenkassen. Die Hauptakteure des Gesundheitswesens sind überhaupt nicht vertreten, das macht keinen Sinn.

5. Arzneimittelforschung in Deutschland gefährdet

Es kommt nicht jeden Tag vor, dass Geschäftsführung und Betriebsrat eines Unternehmens einer Meinung sind. Im Fall des Unternehmens Boehringer Ingelheim, ein Hightech-Unternehmen, das im Kampf gegen schwerwiegende Krankheiten forscht und in den nächsten Jahren rund 25 Milliarden Euro investieren will, sind sie es allerdings. Dabei gelingt es selten, den klassischen großen Wurf zu machen. Es sind in der Regel viele kleine Weiterentwicklungen wie zum Beispiel bei der Bekämpfung von Aids. Auch hier gab es sogenannte Schrittinnovationen über viele Jahre, die so erfolgreich waren, dass Aids nicht mehr eine tödliche Erkrankung ist, sondern eine chronische mit langen Überlebenschancen.

Genau diese Schrittinnovationen, die in der Vergangenheit über die Medikamentenpreise finanziert wurden, soll es nach den Vorstellungen von Lauterbach nicht mehr geben, nur noch dann, wenn ein erheblicher Zusatznutzen attestiert wird, wer immer das im Einzelfall inhaltlich feststellt.

Dr. Sabine Nikolaus, die Deutschland-Chefin des Unternehmens, hat denn auch zu Recht darauf hingewiesen, dass es nicht sein kann, wegen der kurzfristigen Begleichung eines Finanzloches die Zukunft einer Schlüsselbranche aufs Spiel zu setzen. Damit werde der Forschungsstandort Deutschland massiv geschwächt.

6. Zusatzbeitrag für Krankenversicherung steigt

Im nächsten Jahr wird das Defizit bei den gesetzlichen Krankenkassen laut Aussage des Bundesgesundheitsministers bei rund 17 Milliarden Euro liegen. Einen Teil dieses Defizites will Lauterbach dadurch abmildern, dass der Zusatzbeitrag für die Krankenversicherung und die Arbeitgeber um 0,3 Punkte steigt, also eine Zusatzeinnahme von rund 5 Milliarden Euro bzw. eine Zusatzbelastung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer in diesen ohnehin schwierigen Zeiten von rund 5 Milliarden Euro. Derzeit liegt der Beitrag bei 1,3 Prozent.

Gleichzeitig greift der Minister in die Rücklagen der Krankenkassen. Eine grundlegende Reform mit deutlicher Erhöhung der Effizienz fehlt völlig, ist aber zwingend notwendig, wenn man weiß, dass im Jahr 2024/25 das Defizit vermutlich auf 30 Milliarden Euro ansteigen wird.

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier
Aktuelle Ausgabe3/2024