Bananenrepublik Berlin

Wahl zum Abgeordnetenhaus ist zu wiederholen

Auswirkungen für die Bundestagswahl?

Das hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben, dass ein Bundesland im Rahmen einer Wahl, gleichzeitig Bundestag und Berliner Abgeordnetenhaus, nicht in der Lage war, den Wahlvorgang so zu organisieren, wie wir ihn als zivilisierte Mitteleuropäer gewohnt sind - korrekt zugeschickte Wahlbenachrichtigungen, korrekt zugeschickte Wahlzettel, geöffnete Wahllokale von 8 bis 18 Uhr usw.

In Berlin galt dies alles nicht. Dort wurden zeitweise Wahllokale geschlossen, weil Stimmzettel fehlten. Dann wurden Stimmzettel fotokopiert – die Manipulationsmöglichkeit lässt grüßen, stundenlange Wartezeiten, mehr abgegebene/kopierte Stimmzettel als Wähler, Wahllokale teilweise bis 19 und 20 Uhr geöffnet. Kurzum, so viele Verstöße gegen das Wahlgesetz hat es noch nie in einem Bundesland gegeben, so dass der Berliner Verfassungsgerichtshof gar nicht anders konnte, als eine komplette Wiederholung der Wahl zum Abgeordnetenhaus zu erklären, gleichzeitig aber auch für die Wahl zu den zwölf Bezirksverordnetenversammlungen.

Zuständiger Senator lehnt Rücktritt ab

Zuständig seinerzeit für die Durchführung war SPD-Innensenator Andreas Geisel, früher in der SED aktiv, der heute Senator für Stadtentwicklung ist. Rücktrittsforderungen berechtigter Art prallen von ihm ab. Jeder anständige Mensch würde nach diesem Desaster sofort zurücktreten. Aber mit den Rücktritten in Berlin ist es so eine Sache. Nicht zu vergessen Berlins Regierende Bürgermeisterin Giffey, deren Doktortitel wegen Fälschungen in der Dissertation aberkannt worden war. Auch für sie war ein Rücktritt kein Thema. Anders im Übrigen bei der ehemaligen Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU), die ihren Doktortitel ebenfalls verloren hatte und daraufhin zurücktrat.

Konsequenzen für die Bundestagswahl?

Höchst spannend, zu welchem Ergebnis in diesem Kontext der Wahlprüfungsausschuss des Bundestages kommt. Denn wenn auch die Bundestagswahlkreise neu bestimmt werden müssen, könnte dies zu einer erheblichen Verschiebung der Zusammensetzung des Bundestages kommen. Die SED/Linkspartei scheiterte bei der Bundestagswahl knapp an der 5-Prozent-Hürde. Ihre jetzt 39 Abgeordneten sind nur deshalb ins Parlament eingerückt, weil die 5-Prozent-Hürde nach dem Wahlgesetz dann nicht in Kraft tritt, wenn eine Partei drei Direktmandate in den Wahlkreisen gewonnen hat. Die Linkspartei hat drei gewonnen, darunter zwei in Berlin. Würde sie bei einer Nachwahl in Berlin nur ein Direktmandat verlieren, würden sämtliche Abgeordneten des Deutschen Bundestages der SED/Linkspartei ihr Mandat verlieren. Diese Sitze würden dann im Verhältnis der Stimmen auf die anderen Fraktionen verteilt, wie es das Wahlergebnis hergab, so dass Profiteur in erster Linie in dem Fall die SPD wäre, dann CDU und Grüne. Spannende außenpolitische und spannende innenpolitische Zeiten.

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier
Aktuelle Ausgabe4/2024