Iran-Proteste

Es geht nicht um Parteipolitik, sondern um die Freiheit des Volkes!

von Sahra Sanaie

Wenn man die deutsche Außenpolitik gegen den Iran betrachtet, dann ging es häufig nicht nur um die Beschwichtigung des Regimes, um wirtschaftliche und geopolitische Vorteile für Deutschland zu erlangen, sondern leider ging es in den letzten Jahren auch vermehrt darum, den Kampf des iranischen Volkes für innenpolitische Kämpfe zwischen den Parteien zu verfremden, doch dafür ist kein Platz in diesem blutigen Kampf um Leben und Tod.

Neben den Versuch der Schaffung eines Zahlungsmechanismus zur Umgehung der US-Sanktionen (INSTEX) wurde in den letzten Jahren in Deutschland mehrfach von Politik und den Medien betont, wie schlecht die Sanktionen eigentlich seien.

Heute sind die Sanktionen, welche die EU gegen das Regime verhängt hat, richtig und werden als „gerechte Maßnahme“ bewertet. Die US-Sanktionen gegen den Iran wurden unter US-Präsident Biden weiter verschärft und treffen heute nicht mehr auf Gegenwehr.

In den deutschen Medien nehmen nun leider auch die Stimmen zu, welche den Tod von Mahsa Amini immer mehr ins Visier von parteipolitischen Spielen nehmen, zum einen wegen Veränderungen von Umfrageergebnissen und zum anderen wegen der Energiekrise, die in Deutschland herrscht und wo die Politik in einem wilden Status der Panik neben dem Iran auch unter anderen brutalen Diktaturen des Mittleren und Nahen Osten nach Versorgungssicherheit sucht. Doch auch die Frage von Frauenrechten, des Hijab oder andere Kernforderungen des Volkes werden dann für die jeweilige innenpolitische Agenda der Parteien benutzt.

Dem iranischen Volk bringen diese sinnlosen parteipolitischen Diskussionen nichts. Mutig und tapfer protestieren die Menschen im Iran gegen die Diktatur der Ayatollahs und rufen „Nieder mit der Diktatur“. Für ihren Kampf um Freiheit und Demokratie zahlen sie einen hohen Preis, denn es ist ganz eindeutig, dass diese Proteste nicht nur auf die Zwangsverschleierung, sondern auf das iranische Regime in seiner Gesamtheit abzielen.

Die Menschen sterben auf den Straßen, in den Gefängnissen und in den Universitäten und es ist ihnen dabei egal, welche Partei welches Thema für sich im Land und für seine Wahlergebnisse oder eine Polarisierung der Gesellschaft nutzt. Das iranische Volk will nicht die Wahlen in Deutschland bestimmen, es will eigene freie Wahlen haben und seinen eigenen Weg gehen und nichts anderes zählt.

Was dem iranischen Volk wirklich hilft

Der iranische Widerstand und das rebellierende Volk im Iran erwartet vielmehr von der Politik und den Medien. Nämlich, dass sie ihre parteipolitischen Spiele beiseitelegen, Verantwortung übernehmen und für das iranische Volk agieren. Dazu können sie wichtige Maßnahmen unternehmen und fordern, unter anderem:

1. die Ausweisung der iranischen Botschafter und Schließung der Botschaften

2. Ein Ende der Atomverhandlungen, bis Teheran die Menschenrechtslage verbessert und inhaftierte Gefangene frei gelassen hat

3. die Anklage iranischer Führungspersonen vor internationalen Gerichten in Den Haag für die Massaker von 30.000 politische Gefangenen im Sommer 1988 und 1500 Tote friedlich Protestierende im November 2019

4. die Terrorlistung der Revolutionsgarden, des Geheimdienstministeriums und der Bassidsch-Milizen in der Gesamtheit

5. die Anerkennung des Rechts des iranischen Volkes auf Widerstand und Selbstverteidigung gegen die Tyrannei, sowie Sturz des Regimes für einen demokratischen Wandel

6. eine Debatte im UN-Sicherheitsrat über das Dossier der Menschenrechtsverbrechen im Iran

Diese harten und handfesten Maßnahmen helfen dem iranischen Volk und seinem organisierten Widerstand und mehr als Tweets einiger Politiker. Das iranische Volk hat genug leere Worte gehört und Untätigkeit gesehen, hat genug unter der Beschwichtigung des Regimes durch alle Arten von europäischen Regierungen gelitten. Das iranische Volk hat ebenso genug von dem manipulativen Spiel des iranischen Regimes mit ihnen und der Welt, in dem sie Pseudo-Reformisten wie die Ex-Präsidenten Khatami und Rohani einsetzen. Das alles muss aufhören zum Wohle eines Volkes, welches jede Hilfe in seinem Kampf um Freiheit und Demokratie braucht.

Kritik an Steinmeier

Verwunderlich ist, dass beispielsweise Bundespräsident Steinmeier 2019 den Mullahs zum Jahrestag der Islamischen Revolution gratuliert hat. Der Bundespräsident eines Landes, in dem die Würde des Menschen laut Artikel 1 Absatz 1 als unantastbar gilt, gratuliert einem Regime, was Steinigung, Hinrichtung und Folter in seiner Verfassung und in der Praxis legitimiert.

Leider sind dies keine spontanen Ausrutscher aufgrund von Unwissenheit gegenüber dem iranischen Regime und haben u.a. zu einer Desinformationskampagne gegen den Iranischen Widerstand geführt.

Deutscher „Iran-Experte“ mit Verbindung zum Regime

In der Vergangenheit als auch aktuell werden sogenannte „Iran-Experten“, wie Adnan Tabatabai, in den Medien, als auch im Außenministerium zur Beratung herangezogen und verleihen dem iranischen Regime – so scheint es – ein freundliches Gesicht. Es ist verwunderlich, warum ausgerechnet einem Deutsch-Iraner, dessen Familie mit dem Iranischen Regime eng verbunden ist, solch eine Deutungshoheit über die Iran-Debatte verliehen wird. „Iran-Lobbyisten“ wie Adnan Tabatabai und viele weitere Personen in der Medienbranche und in der Politik plädieren hierbei seit Jahren für die Unterstützung eines „Reformkurses“ innerhalb des Regimes. Dabei wird geflissentlich weggeschaut, dass die sogenannten „Reformer“ ebenfalls eng mit dem Regime verbunden sind und seit Jahrzehnten bei der Unterdrückung des iranischen Volkes mitgewirkt haben. Dass dieses Regime nicht reformfähig ist, war seit Beginn der 1980er deutlich abzusehen und hat es in den 43 Jahren seiner Machtherrschaft bewiesen. Um diese Umstände zu verstehen, bedarf es einiger Erklärung.

Verharmlosung als Ziel

Um sein Überleben zu sichern, verfolgte das Regime verschiedene Strategien. Eine Strategie beinhaltet die Infiltration und Beeinflussung der westlichen Politik, Medien und Universitäten durch Personen, die dem Regime nahestehen, es verharmlosen oder selbst keinen Widerstand leisten. Ziel ist es, den Menschen die Reformfähigkeit des Regimes zu verkaufen und von jeglicher Unterstützung des aktiven Widerstands der iranischen Bevölkerung abzuraten. Um diese Strategie schönzureden, wurden wohlklingende Stichwörter verwendet wie: Reformen, Wandel durch Annäherung, Kulturdialog, Menschenrechtsdialog, Diplomatie usw.

Darauf aufbauend haben die zuvor erwähnten „Iran-Experten“ wissenschaftliche Analysen erstellt, Bücher und Zeitungsartikel geschrieben, die mithilfe ihres Netzwerks flächendeckend verbreitet wurden.

Dies hatte zur Folge, dass die Narrative des Iranischen Regimes – bewusst und unbewusst – Einzug hielten in die westlichen Gesellschaften und Politik. Beispielsweise wurde das Ausbleiben von Reformen und die schlechte wirtschaftliche Lage im Iran auf Sanktionen zurückgeführt, obwohl der Iran zu den reichsten Ländern der Welt gehört und Korruption im Iran ein weitverbreitetes Problem ist. Für außenpolitische Spannungen wurden ebenfalls überwiegend die USA verantwortlich gemacht, obwohl der Iran selbst seit Jahrzehnten terroristische Organisationen im Nahen/Mittleren Osten aktiv unterstützt, ein Nuklearwaffenprogramm betrieben hat bzw. betreibt und eine auf Expansion und Provokation ausgelegte Außenpolitik verfolgt.

Es zeigt sich nun, dass sich die Analysen und Vorhersagen der meisten „Iran-Experten“ im Laufe der letzten Jahre allesamt als falsch erwiesen haben und dass die iranische Bevölkerung einen Umsturz des Regimes anstrebt.

Dass die Propaganda des iranischen Regimes die Gesellschaft und vor allem die Parteien einer standhaften Demokratie wie Deutschland dermaßen beeinflussen kann, ist ein alarmierendes Zeichen.

Solche „Überlebensstrategien“ haben darauf abgezielt die Exil-Opposition zu schwächen und den Menschen im Iran die Hoffnung auf einen demokratischen Wandel zu rauben.

Für eine Stärkung des Nationalen Widerstandrates

Der Nationale Widerstandsrat Iran (NWRI) stellt eine demokratische Alternative zum islamistischen Fundamentalismus im Iran dar, die von Hunderten früheren Politikern, Abgeordneten, Menschenrechtsaktivisten und anderen Aktivisten aus allen Bereichen des Lebens in Europa anerkannt ist. Die Anhänger dieser Widerstandsbewegung erstrecken sich aus dem ganzen Parteienspektrum in Europa und den USA. Sie alle haben längst verstanden, dass es im Kampf gegen das terroristische System im Iran nicht um parteipolitische Spiele geht, sondern um ein größeres Ziel, nämlich Frieden und Freiheit.

Die iranische Bevölkerung, die Widerstandseinheiten im Inland und der Widerstand im Exil braucht die Hilfe aller Menschen in Europa und weltweit. Der Kampf um Freiheit, Demokratie und Menschenrechte ist universell und wir werden diese klerikale Diktatur nur beheben können, wenn wir alle gemeinsam und international zusammen daran arbeiten. Es ist an der Zeit der Exil Opposition Gehör zu verschaffen.

Heute kämpfen im Iran Menschen aus allen politischen Richtungen, mehreren religiösen Strömungen, verschiedenen ethnischen Gruppen und aus allen Schichten des Landes in Widerstandseinheiten auf den Straßen und in vielen weiteren Bereichen des Lebens für die Freiheit. Warum sollte dies Europa und seine Politik nicht eben so vereint können?

 

Sahar Sanaie, 36 Jahre alt, Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche. Ich lebe seit meinem 5. Lebensjahr in Deutschland. Beide Eltern waren inhaftiert und sind ins Exil geflüchtet. Die Brüder meines Vaters und eine Cousine von ihm wurden im Iran hingerichtet, wie viele Freunde von meinen Eltern. Ich bin Menschenrechts- und Frauenrechtsaktivistin in der NGO Association Internationale pour l'égalité des femmes und Mitglied der Deutsch-iranische Gesellschaft Hessen.

 

Bildergalerie

Aktuelle Ausgabe4/2024