Geht es nach Grünen und FDP

Einmal wegen Mangels an Beweisen freigesprochene Mörder
sollen trotz Vorliegens neuer Beweise straffrei bleiben

In der Großen Koalition der letzten Legislaturperiode 2017 bis 2021 hatten CDU/CSU und SPD sich darauf verständigt, dass es möglich sein muss, abgeschlossene Mordverfahren neu aufzunehmen, wenn es entsprechende neue Erkenntnisse gibt. Die Opposition damals war dagegen. Hintergrund dieser Gesetzgebung war die Erkenntnis, dass es heute völlig neue Verfahren zur Feststellung und Überprüfung von Spuren gibt, hier ist die DNA-Analyse stichwortartig zu erwähnen.

Aktueller Fall

1981 wurde eine 17-Jährige in Niedersachsen von einem Tatverdächtigen namens Ismet H. vergewaltigt und ermordet. Der Täter wurde seinerzeit zu lebenslanger Haft verurteilt, nach Aufhebung des Urteils aber durch den Bundesgerichtshof von einem anderen Gericht freigesprochen, da den Richtern ein bestimmtes Beweismittel nicht genügte. Jahrzehnte später wurden die Beweisstücke erneut untersucht, und zwar durch eine DNA-Analyse, die zum damaligen Tatzeitpunkt nicht möglich war. Das Ergebnis war, dass diese DNA-Analyse eine entsprechende Übereinstimmung mit dem Täter ergab. Bis 2020 durfte dieser identifizierte Täter aufgrund des Freispruches nicht mehr belangt werden. Eine unerträgliche Situation für die Angehörigen des vergewaltigten und ermordeten Opfers.

Es gibt im Grundgesetz den Artikel 103, in dem es heißt: „Niemand darf wegen derselben Tat mehrmals bestraft werden.“ Ein alter Rechtsgrundsatz aus der Zeit der Römer „Ne bis in idem“ – „nicht zweimal in derselben Sache“. Deshalb ist für FDP und Grüne der damalige Beschluss des Bundestages problematisch und sie wollen eine Neuregelung.

Fortsetzung des Falles

Der Mordverdächtige Ismet H. hat eine Verfassungsbeschwerde eingelegt, nachdem das Landgericht Verden das Verfahren gegen ihn wieder aufgenommen und Untersuchungshaft angeordnet hatte. Eine Beschwerde war vom Oberlandesgericht Celle zurückgewiesen worden. Das OLG ist der Auffassung, dass diese Änderung in der Strafprozessordnung zulässig ist, da sie nur für „äußerst eng umgrenzte Fallkonstellationen“ gelte und hohe Hürden vorsehe. Außerdem ist kein rückwirkend anwendbarer Straftatbestand neu geschaffen, sondern lediglich die Verfolgbarkeit von bereits strafbaren Taten rückwirkend neu geregelt worden.

Eine Auffassung, die auch der rechtspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Professor Günter Krings, vertritt, denn es gehe ausschließlich um Kapitalfälle und das seien wenige Fälle von unerträglicher Ungerechtigkeit. Es gebe nichts Schlimmeres, als wenn die Angehörigen der Opfer mit ansehen müssten, dass derjenige, der ihnen Sohn oder Tochter genommen hat, Mutter oder Vater, frei herumläuft, nachdem aufgrund zum Beispiel der DNA-Analyse bewiesen ist, dass er oder sie der Täter ist. Man darf gespannt sein, wie das Bundesverfassungsgericht, das sich mit dem Fall nun zu beschäftigen hat, entscheiden wird.

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier
Aktuelle Ausgabe3/2024