Scholz - III

Die Scholz’sche Zurückhaltung gegenüber Putin
dürfte mit seiner politischen Vergangenheit und
SED-Nähe zu tun haben

Es ist Dr. Hubertus Knabe zu danken, der von 2000 bis 2018 wissenschaftlicher Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen war, jenes Gefängnis, in dem die Staatssicherheit der damaligen „DDR“ politische Häftlinge folterte, Geständnisse erpresste und sie rechtsstaatswidrig festhielt. Heute ist Knabe unter anderem wissenschaftlicher Mitarbeiter an einem Lehrstuhl für Neueste Geschichte der Universität Würzburg.

Ein Mann, der die Geschichte kennt, wie kaum ein anderer, vor allen Dingen die Verflechtungen zwischen SPD und SED, der Sozialistischen Einheitspartei der damaligen „DDR“ oder auch der Jungsozialisten mit der Freien Deutschen Jugend (FDJ) der „DDR“. Bei seinen Recherchen fand Knabe bezüglich Olaf Scholz Interessantes heraus, das medial weitgehend verschwiegen wurde.

So nahe stand der Sozialist Olaf Scholz dem SED-Regime in der „DDR“

Viele in Deutschland wundern sich ob der Zögerlichkeit von Kanzler Olaf Scholz, der Ukraine endlich die schweren Waffen zu liefern, die sie zwingend im Verteidigungskampf gegen Putins Mörderregime benötigt. Es wurde versprochen, nicht gehalten, verzögert, verhindert. Ein Skandal. Und man kann wirklich sagen, dass manche, gerade auch zivile Todesopfer in der Ukraine, moralisch zumindest von Scholz mitverantwortet werden, weil er nicht das getan hat, was beispielsweise Engländer und Briten und andere ohne zu Zögern gemacht haben. Die Erklärung für das zögerliche Verhalten könnte in der politischen Vergangenheit von Scholz liegen.

Scholz war von 1982 bis 1988 der stellvertretende Bundesvorsitzende der Jungsozialisten, der sich, wie heute bekannt ist, regelmäßig mindestens neunmal mit den Funktionären des SED-Staates getroffen hat. Scholz war nicht nur überzeugter Marxist, sondern auch Vertreter der sogenannten Friedensbewegung in Deutschland, die die Nato und die USA als Kriegstreiber betrachtete und nicht den Kreml, also die damalige Sowjetunion.

Als im Dezember 1979 sowjetische Truppen in Afghanistan einmarschiert waren, hatte der Kreml gleichzeitig hunderte nukleare Mittelstreckenraketen neu auf Westeuropa ausgerichtet. Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) initiierte mit Unterstützung durch CDU und CSU und in Absprache mit dem amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan den sogenannten Nato-Doppelbeschluss, der auf der einen Seite gezielte und kontrollierte gegenseitige Abrüstung einforderte. Sollte diese Abrüstung von sowjetischer Seite nicht erfolgen, werde man, wie Reagan einmal formulierte, die Russen totrüsten. Im Kern ging es darum, amerikanische Raketen auf deutschem Boden zu stationieren als Verteidigung. Während die sowjetischen Raketen bereits vorhanden waren, SS20, SS24 und viele andere, geißelte Scholz in Aufsätzen und Reden die „aggressiv-imperialistische NATO-Strategie“ und verbündete sich zu diesem Zweck mit hohen Ostblockfunktionären. Neun Besuche von ihm in der „DDR“ sind gelistet. Die DDR-Grenzorgane wurden dabei angewiesen, ihn nicht nur vom Zwangsumtausch zu befreien, sondern ihm eine „besonders bevorzugte höfliche Abfertigung“ zuteilwerden zu lassen, so Hubertus Knabe.

Dokumente aus dem Bundesarchiv zeigen, dass Funktionäre des DDR-Jugendverbandes FDJ vermerkt hatten, dass Scholz zur marxistisch orientierten Stamokap-Gruppe gehöre, die bereit sei, „mit Kommunisten zusammenzuarbeiten“. Im Jahr 1984 wurde der Juso-Bundesvorstand mit Scholz vom Sekretär des Zentralkomitees für Sicherheit, Egon Krenz, dem damals zweitwichtigsten Funktionär der „DDR“, empfangen. In dem rund zweistündigen Gespräch erklärten die Jusos, „1984 noch aktiver als bisher… die Friedensbewegung gegen die Stationierung amerikanischer Pershing-II-Raketen und Cruise-Missiles-Marschflugkörper in Westeuropa unterstützen“ zu wollen. Außerdem vertraten sie die Ansicht, Scholz inklusive, dass die Sowjetunion „den USA noch viel mehr Atomraketen vor die Haustür stellen“ müsse. 1986 war Scholz gemeinsam mit den Jusos erneut von Krenz empfangen worden, und die Jusos hatten seinerzeit erstmals die Forderung der „DDR“ sich zu eigen gemacht, Ostdeutschland wie einen ausländischen Staat zu behandeln, und das entgegen dem Wiedervereinigungsgebot im Grundgesetz.

Jusos und FDJ vereinbarten eine gemeinsame Arbeitsgruppe, und die FDJ vermeldete im Dezember 1986 mit stolz geschwellter Brust, „dass wir im Grundsatz völlige Übereinstimmung erzielen konnten“. Mit Genugtuung dürfte das Sekretariat des SED-Zentralkomitees im Januar 1987 vermerkt haben, dass es eine Übereinkunft der Jusos mit der FDJ gab, wonach vor allem US-Präsident Ronald Reagan kritisierte wurde, der einen Abwehrschirm gegen sowjetische Interkontinentalraketen aufbauen wollte. Im März 1987 nahm Scholz an einem internationalen Friedensseminar der FDJ in Ostberlin teil. Im September 1987 beteiligte er sich an einer offiziellen FDJ-Demonstration in der „DDR“. Gemeinsam mit FDJ-Chef Eberhard Aurich lief er in der ersten Reihe durch Wittenberg, hielt eine Rede, die im „DDR-Radio“ übertragen wurde und die natürlich das Wohlgefallen der SED-Diktatur fand.

Mitte Januar wurden über 100 Bürgerrechtler in der „DDR“ verhaftet und teilweise ausgebürgert. Kein öffentliches Wort der Kritik durch Scholz und die Jusos. Stattdessen war er im Mai 1988 ein weiteres Mal in der „DDR“ und nahm an einem Seminar der FDJ über „Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Zusammenarbeit junger Kommunisten und junger Sozialdemokraten“ bei der Friedenssicherung teil. Die FDJ-Funktionäre nannten es anschließend „auffällig“, dass die innere Situation in der „DDR“ beim Gespräch keine große Rolle gespielt hätte. Im Gegenteil, nach Aussage der Jusos hätte die „Friedensoffensive der sozialistischen Länder“ vielmehr zu einem „Aufbrechen des antikommunistischen Feindbildes“ in der BRD geführt. Die „wahren Feinde des Friedens“ befänden sich, so Scholz und die Jusos, im „Militär-Industrie-Komplex der USA“ und in der „Stahlhelmfraktion“ von CDU und CSU.

Jetzt muss Scholz Haltung niemanden mehr verwundern

Wer derart politisch indoktriniert, sozialisiert ist wie Scholz, der rund ein Jahrzehnt entsprechende marxistische Parolen vertreten hat, antikapitalistisch eingestellt war, die Augen vor den Menschenrechtsverletzungen in der „DDR“ ebenso verschloss wie vor den politischen Häftlingen in der ehemaligen Sowjetunion, der lässt sich nur ungern auf diese Zeit ansprechen. Aber es erklärt die offensichtlich „klammheimliche“ nach wie vor vorhandene Sympathie zu politischen Systemen, mit denen man so viele Jahre im Sinne der Erreichung des Sozialismus ähnliche und teilweise gleiche Ziele meinte verfolgen zu müssen.

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier
Aktuelle Ausgabe4/2024