So hebelt die SPD Bundeswehr-Sondervermögen aus

Als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine von einer „Zeitenwende“ sprach und erklärte, 100 Milliarden Sofortprogramm für die Bundeswehr zur Verfügung stellen zu wollen, waren SPD und Grünen zunächst einmal irritiert, denn das war erkennbar nicht intensiv abgesprochen.

Beifall von der Opposition – kommt auch nicht jeden Tag vor. Scholz hatte erklärte, mit dem Sondervermögen die Bundeswehr endlich so auszustatten, dass sie einsatzfähig ist. Und nicht nur auszustatten, sondern auch aufzurüsten, indem man entsprechende Bewaffnungen, Fahrzeuge, Panzer und anderes mehr kauft.

Zähneknirschend signalisierten die SPD, zumindest in Teilen, und die Grünen Zustimmung. Die Grünen sprachen natürlich relativ schnell wieder davon, dass das ja nicht alles für die Aufrüstung notwendig, sondern auch im Bereich der Entwicklungspolitik einzusetzen sei… Oppositionschef Friedrich Merz hatte die 100 Milliarden Sondervermögen (ein Vermögen ist eigentlich etwas anderes) begrüßt und Zustimmung der Union signalisiert, wenn denn das Geld auch tatsächlich für die eigentlich von Scholz vorgesehenen Zwecke ausgegeben würde.

Statt nunmehr kurzfristig konkrete Vorschläge seitens der Bundesverteidigungsministerin Lambrecht vorzulegen, in Absprache mit der Opposition, die man zur Zustimmung benötigt, da eine Zweidrittel-Mehrheit notwendig ist im Deutschen Bundestag, schiebt man Konkretes lieber auf die lange Bank, und zwar aus ideologischen Gründen.

Kühnert lässt Katze aus dem Sack

Wie umstritten das Vorhaben innerhalb der Koalition ist, kann man unschwer daran erkennen, dass SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert in einem Interview in der „Welt“ vor wenigen Tagen erklärte, dass er diesem Sonderprogramm zustimmen werde, so dass man dadurch bedingt die nächsten Jahre 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgeben könne. Die 2 Prozent gehen im Übrigen auf eine Vereinbarung der Bundesrepublik Deutschland unter Verantwortung von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder und Ex-Außenminister Joschka Fischer mit der Nato zurück, wonach sich die Nato-Staaten alle verpflichteten, 2 Prozent des BIP in den Verteidigungsetat zu investieren. Deutschland hat diese Quote nie erreicht, was in der Regel daran scheiterte, dass die Sozialdemokraten als Koalitionspartner nicht bereit waren, mehr Geld für die Bundeswehr auszugeben.

Mit dieser Formulierung von Kühnert wird klar, dass es nicht darum geht, die 100 Milliarden on top auszugeben, sondern nach Ansicht des SPD-Generalsekretärs sind sie in die 2 Prozent einzubinden, so dass es tatsächlich kein Sondervermögen gibt. Spätestens jetzt muss jedem klar sein, dass die SPD, Eingeweihte wissen das seit langem, ein völlig gestörtes Verhältnis zur Bundeswehr sowohl zur inneren als auch zur äußeren Sicherheit hat. Sie bewegt sich ideologisch, von wenigen Ausnahmen abgesehen, auf dem Feld linker, pazifistischer und kommunistischer Friedensinitiativen.

Berechtigte Ukraine-Kritik

Die in der Vergangenheit geäußerte Kritik des ukrainischen Präsidenten Selenskyj oder auch des ukrainischen Botschafters Melnyk an der zögerlichen Haltung der Bundesregierung wird durch das jetzige Verhalten der SPD einmal mehr bestätigt. Sie war und ist leider völlig berechtigt. Es ist ein Treppenwitz, was diese Bundesregierung zur Unterstützung der Ukraine leistet. Ein Witz im Vergleich zu allen anderen europäischen Staaten, sowohl in absoluten Zahlen als auch in der Relation. Das Perfide, anders kann man es nicht ausdrücken, ist dabei die Tatsache, dass man verbal auf der Seite der Ukraine steht, das ist auch durchaus zu glauben, dass man auf der anderen Seite aber alles daransetzt, schwere Waffensysteme nicht zu liefern bzw. in verzögerter Form bereitzustellen.

Jeder Experte weiß, bei diesem russischen Krieg gegen die Ukraine kommt es auf jeden Tag an. An jedem Tag, an dem die Waffensysteme fehlen, sterben ohne Not zusätzlich ukrainische Zivilisten, wird ukrainische Infrastruktur zerschossen und Soldatenleben zerstört. Wenn die Ukraine fordert, Deutschland müsse sich an die Spitze der Bewegung setzen, dann hat sie leider völlig recht. Spätestens nach dem Kühnert-Interview in der Zeitung „Die Welt“ wird auch für weniger am politischen Geschehen Interessierte klar, dass die SPD der Bremser in der Koalition ist.

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier
Aktuelle Ausgabe4/2024