Kriegstreiber Putin
hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht

Manchmal braucht es ein wenig Druck, um sich selbst wieder daran zu erinnern, wer man ist und zu wem man gehört. Der furchtbare russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat uns alle wieder aufgeweckt. Nicht nur Bundesminister Annalena Baerbock und Robert Habeck, die innerhalb von Wochen einen Crashkurs in die Realität da draußen mit Erfolg absolviert haben.

Wenn man die einst ungeschickte Wahlkämpferin der grünen Pazifisten-Partei vor der UN-Vollversammlung sprechen gehört hat oder ihre Ausführungen im Bundestag über die taktischen Fähigkeiten deutscher Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard, dann kann man nur noch mit den Ohren schlackern.

Ich habe Frau Baerbock nicht gewählt, die meisten von Ihnen sicher auch nicht. Aber ich habe tiefen Respekt davor, wie souverän sie als Bundesaußenministerin in dieser Zeit Deutschland in aller Welt repräsentiert.

Deutschland hat sich schwer getan, eine klare Position zu beziehen in einem gewaltsamen Konflikt, den es in dieser Dramatik in Europa eigentlich nie wieder hätte geben sollen. Unser Land, nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs, nach dem Holocaust, klar darauf ausgerichtet, nie wieder in einen Krieg ziehen zu müssen, stand vollkommen unvorbereitet da, als Putin am 24. Februar 150.000 Soldaten zum Großangriff auf die Ukraine losschickte.

Anrufe von Bundeskanzler Scholz im Kreml bei Putin, doch bitte, bitte nicht zu schießen, prallten eiskalt ab. Dieser Coup des Imperators in Moskau war von langer Hand vorbereitet. Und es lief alles so an, wie man es im Kreml geplant hatte. Man will ja als Russland wieder Großmacht sein, auf Augenhöhe mit den verhassten Amerikanern, mit der weichgespülten und durchgegenderten EU, für die Putin nur Verachtung übrig hat. Aber der Kriegstreiber hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Niemand hätte für möglich gehalten, wie aufopferungsvoll die Ukrainer um ihre Freiheit kämpfen würden. Niemand hätte für möglich gehalten, wie taktisch gut die vorher lausige ukrainische Armee nach der russischen Annexion der Krim von amerikanischen und britischen Beratern vorbereitet wurden auf einen Tag wie den 24. Februar 2022.

Und niemand im Westen hat für möglich gehalten, wie desorganisiert und motivationslos eine russische Armee in den Krieg zieht, ohne funktionierende Logistik an Munition und Essenrationen für die Soldaten, ohne Luftunterstützung für rollende Fahrzeugkolonnen und in den Großstädten den drohnengestützten Spezialeinheiten der Ukrainer ausgeliefert. Wenn Herr Putin gedacht hatte, dass nach einer Woche die Menschen in der Ukraine mit Fähnchen der Russischen Föderation winkend am Straßenrand stehen, wenn die alten T 72-Panzer aus den 80er Jahren vorbeirollen, dann hat er eine echte Überraschung erlebt. Denn die Leute stehen da mit Panzerfäusten aus Deutschland und Stinger-Flugabwehrraketen aus den USA.

Der Bundestag hat richtig entschieden, jetzt endlich nicht nur gebrauchte Schutzhelme zu liefern oder vergammelte Strela-Raketen aus alten DDR-Beständen. Wie viele andere europäische NATO-Länder werden jetzt Kampfpanzer Leopard und Flugabwehr-Panzer Gepard aus der Düsseldorfer Waffenschmiede Rheinmetall an die Streitkräfte der Ukraine geliefert. Und im Kreml geifert man gegen den bösen Westen, der gezeigt hat, dass er so viel einiger und konsequenter handeln kann, als alle erwartet hätten.

Erinnern Sie sich noch? Vor zwei Jahren wollten US-Präsident Trump und der französische Kollege Macron die NATO abschaffen. Und Putin fühlte sich mit seinem Atomarsenal angeblich bedroht durch ein paar Hundert Bundeswehrsoldaten in Litauen.

Heute ist die westliche Allianz so stark, wie seit 20 Jahren nicht mehr. Und aus 30.000 US-Soldaten in Europa sind innerhalb weniger Wochen mehr als 100.000 geworden – mit schwerem Gerät, mit modernsten Kampfflugzeugen vom Typ F-35 und Hubschraubern. Und die F-35 wird jetzt auch für die deutsche Luftwaffe angeschafft, plötzlich geht alles, was vorher niemand anfassen wollte. Kampfanzüge für schwangere Soldatinnen, Seminare über sexuelle Vielfalt in der Truppe? Vergessen Sie diesen Quatsch!

Nach vielen Jahren des Zögerns werden jetzt auch Finnland und Schweden der NATO beitreten, Georgien und die Ukraine wollen auch. Mal schauen.

Der Westen ist wieder da – stark und entschlossen, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte. Und wissen Sie, was das Allerbeste dabei ist? Der Westen – das sind auch wir!

Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle
seit 40 Jahren Journalist u. a. für Axel Springer, Holtzbrinck und Gruner & Jahr.
Zur Zeit ist er Chefredakteur der Online-Tageszeitung TheGermanZ

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