Wetzlar hisst Friedensflagge

Am 24. Januar dieses Jahres hisste Wetzlars Oberbürgermeister Manfred Wagner (SPD) zusammen mit Vertretern heimischer (linker) Friedensinitiativen eine Flagge der Kampagne „Bürgermeister für den Frieden“. Dass jeder Mensch, zumindest in der westlichen Welt, für Frieden ist, muss man sicherlich nicht extra betonen. Aber zu glauben, dass man mit solchen naiven Flaggenhissungen auch nur ansatzweise irgendetwas für den Weltfrieden tun kann, ist absurd. Es erinnert politisch Erfahrenere an die 80er Jahre, an den Nato-Doppelbeschluss, der in Kurzform besagte, und zwar an die Adresse der damaligen Sowjetunion gerichtet: Wir, der Westen, sind bereit, abzurüsten. Wenn ihr, der Osten, Sowjetunion inklusive Warschauer Pakt, den es bis 1990 gab, nicht bereit seid, ebenfalls abzurüsten, werden wir euch „totrüsten“. Und so wurde die Aufrüstung zunächst von Seiten des Westens forciert mit dem Ergebnis, dass die damalige Sowjetunion irgendwann erkannte, ökonomisch und technologisch nicht mithalten zu können, so dass es zu der vom Westen gewünschten tatsächlichen Abrüstung kam. Es gab überprüfbare Abrüstungen, überprüfbare Verschrottungen von Atomsprengköpfen, den internationalen INF-Vertrag, der beiden Seiten verbot, entsprechende Waffensysteme zu entwickeln. Es gab mehr Transparenz und gegenseitige Rüstungskontrolle.

Wären Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) und sein Nachfolger Altkanzler Helmut Kohl (CDU) den damaligen linken und kommunistisch inspirierten Friedensinitiativen gefolgt, die sich für eine bedingungslose einseitige Abrüstung des Westens eingesetzt hatten, hätte es für die Sowjetunion auch nicht ansatzweise einen einzigen Grund gegeben abzurüsten, wenn der Gegner das freiwillig von alleine macht. Es ist der Standhaftigkeit von Helmut Schmidt, Helmut Kohl und dem damaligen amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan zu verdanken, dass es zur ersten tatsächlich erfolgten atomaren Abrüstung gekommen ist. Damals gab es von der linken Seite heftige Proteste wegen dem Nato-Doppelbeschluss. Man rief auch im Lahn-Dill-Kreis Städte zu atomwaffenfreien Zonen aus. Sie hatten die gleiche Wirkungsweise wie das Hissen der Friedensflagge, nämlich Null.

Wo bleibt die Friedensbewegung?

Wenn es gegen Amerika ging, waren sie immer da, die Ostermärsche, Demonstrationen und was auch immer. Wo bleiben die vielfältigen Lichterketten, Mahnwachen, wenn es um Putin geht? Spätestens hier wird deutlich, dass es nie um Menschenrechte gegangen ist, um Freiheit, um Unabhängigkeit der Justiz, freie Wahlen und anderes mehr, sondern es ging immer primär gegen das auf linker Seite verhasste sogenannte kapitalistische Schweinesystem, nämlich die Soziale Marktwirtschaft, von der häufig heute diejenigen in gut bezahlten Beamtenpositionen profitieren, gegen die sie damals angetreten sind. Ironie der Geschichte.

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier
Aktuelle Ausgabe5/2024