Putins Faschismus

Ein Mann ohne Herz, der über Leichen geht

Viele im Westen fragen sich, wie war es möglich, dass man Putin so verkannt hat? Viele wollten ihn - ohne böse Absicht - verkennen, weil sie an das Gute im Menschen glaubten, an Wandel durch Handel, im Nachhinein eine historische Fehleinschätzung, obwohl es genügend Warnsignale gab. Und es gab auch genügend Analysten, die immer wieder auf die Gefahren aufmerksam machten, aber sie wurden nicht gehört.

Der Faschismus des 20. Jahrhunderts hat mit Wladimir Putin eine Auferstehung gefeiert. Faschismus heißt immer imperiale Nostalgie, Expansionismus, Wiederherstellung früherer Großmacht-Phantasien, Unterdrückung von Menschenrechten, Freiheitsrechten, fehlende Gewaltenteilung und vieles andere mehr. Die ideologische Grundlage von Putin und den Seinen war Iwan Iljin, dem Ideologen des russischen Faschismus, der die vermeintliche geistige moralische Überlegenheit gegenüber dem Westen postulierte. Iljins Vorbilder waren Hitler und Mussolini. Welche Bedeutung er für Putin hatte, kann man auch daran erkennen, dass Putin persönlich an der Überführung der sterblichen Überreste Iljins aus der Schweiz nach Russland beteiligt war, ja sogar sein Grab weihte. Iljin selbst war 1954 verstorben.

In den 90er Jahren fielen Iljins Ideen, so Michael Khodarkovsky in der Zeitung „Die Welt“, auf fruchtbaren Boden bei Hardcore-Kommunisten und Nationalisten, die den Zusammenbruch der UdSSR, der damaligen Sowjetunion, nicht überwinden konnten. Dazu gehörte auch Putin, der sich nie mit dem Untergang des Imperiums abgefunden hatte. Und es gehörte Alexander Dugin dazu, der mit zwei Werken auffiel, nämlich einem Buch „Grundlagen der Geopolitik“, einem Gebräu aus Antiamerikanismus, Nationalismus und Neonazismus, das als Lektüre in die Einführungskurse russischer Militärakademien aufgenommen wurde, und ein von ihm verfasster Artikel „Faschismus – grenzenlos und rot“. All dies war nicht unbekannt. Konsequenzen? Bedenken?

Putin ein „lupenreiner Demokrat“ lt. Gerhard Schröder (SPD)

Schaut man sich die Entwicklung Russlands gerade in den letzten zehn Jahren an, so wird man unschwer eine Verschärfung der innenpolitischen Lage erkennen. Unabhängige und freie Medien gibt es nicht mehr. Eine Opposition, die frei von Unterdrückung ist, gibt es nicht mehr. Manipuliere Wahlen inklusive Putins eigener Wiederwahl sind gang und gäbe. Die Zahl der politischen Gefangenen, die in finstersten Kerkern einsitzen müssen, ist historisch groß. Physische und psychische Folter, Elektroschocks und anderes mehr sind an der Tagesordnung.

Lügen sind Staatsräson

Als Donald Trump vor rund drei Jahren den Abrüstungsvertrag INF mit Russland kündigte, wurde er von linker Seite heftig dafür kritisiert. Dabei hat er konsequenterweise das gemacht, was richtig ist, denn Putin hatte diesen Vertrag bereits unterlaufen, der ein Verbot vorsah zur Herstellung bestimmter atomarer Waffensysteme. Putin hatte den Vertrag gebrochen, Marschflugkörper SSC 8 entwickelt mit einer Reichweite von knapp 2000 Kilometern, um damit Westeuropa erreichen zu können, die Bodenluftrakete Kinschal, die mit zehnfacher Überschallgeschwindigkeit fliegt, und den Gleitflugkörper Awangard, der mit einer Rakete in den Weltraum geschossen wird. Dort trennt sich der Gleiter von der Rakete und ist nicht mehr für das Radar erfassbar. Waffen, die die gesamte (!) Welt bedrohen, weil sie einzigartig sind.

Der Überfall auf Georgien 2008, die widerrechtliche Annexion der Krim 2014, der Ostukraine durch de facto russische Truppen zwei Jahre später, all dies sind Belege für den Expansionswillen Putins. Vorausgegangen waren – deshalb das Thema Lüge – immer die Behauptungen, die dortige Bevölkerung würde unterdrückt, und zwar von der Ukraine. In der Ukraine habe es 2013/2014 einen Staatsstreich gegeben. Die demokratisch gewählte Regierung der Ukraine sei eine Junta. Die Ukrainer seien Nazis, und der Beitritt der Ukraine zur Nato stelle eine Bedrohung für die Sicherheit Russlands dar. Alles Lügen. Die Nato war immer ein reines Verteidigungsbündnis und wird es auch bleiben.

Staatlicher Auftragsmord

Zu erinnern ist an die Vergiftung von Anna Politkowskaja im Jahr 2004, an die Vergiftung von Alex Litwinenko im Jahr 2006, an Boris Beresowski 2013, an den Abschuss des Fluges MH 17 durch eine russische Rakete, über 200 unschuldige Menschen, meist Niederländer, kamen ums Leben, an Sergej Skripal, von dem Putin als „Dreckskerl“ sprach, an den Auftragsmord im Berliner Tiergarten (!) 2018 und an den Giftanschlag auf Alexei Nawalny mit dem Gift Nowitschok, von dem die russische Regierung behauptete, es sei ihm erst in Deutschland verabreicht worden. Unglaublich, aber nicht erstaunlich für einen gewissenlosen Menschen.

Unermessliches menschliches Leid durch Putin

Wer wie Putin so über Leichen geht, hat im klassischen Sinne des Wortes kein Herz, keine Empathie für irgendetwas, er ist ein Narzisst. Wenn man sich die täglichen Bilder anschaut, dann wird jedem mitfühlenden Menschen klar, was an Horror, Grauen und Schicksalen mit diesem Krieg, mit diesem Überfall einhergeht. Es ist Völkermord, es ist ein Verbrechen an den Menschen. Zivilisten werden beschossen, Wohnungen zerstört, die Infrastruktur zerstört. Selbst Krankenhäuser werden in Schutt und Asche gelegt, Städte wie Mariupol faktisch dem Erdboden gleichgemacht. Herzzerreißende Szenen, wenn sich Väter von ihren Kindern und Frauen verabschieden, wenn Großeltern sich von ihren Enkeln trennen müssen, wenn Alte und Gebrechliche sich auf die gefährliche Flucht machen müssen. Was sind das für Schicksale? Was müssen hier für Tränen fließen? Und alles wegen eines einzigen Mannes.

Bewundernswerte mutige Ukrainer

Was viele Menschen im Westen sehr beeindruckt und was Putin völlig falsch eingeschätzt hat, ist der Wille des ukrainischen Volkes, sich dem Aggressor entgegenzustellen. Es ist bewundernswert, zu sehen, wie sich David gegen Goliath behauptet. Es ist bewundernswert, zu sehen, wie Präsident Selenskyj oder auch Kiews Oberbürgermeister Klitschko ihr Volk in dieser schwierigen Krise nicht im Stich lassen, sondern im besten Sinne des Wortes politisch führen, motivieren, aufrütteln, an den Westen appellieren, inklusive des ukrainischen Botschafters in Deutschland, Andrij Melnyk.

Die Ukraine kämpft den Kampf für die Freiheit. Sie kämpft für die Ideale des Westens und verdient jegliche Form der Unterstützung. Man kann vielen europäischen Staaten dankbar sein, dass sie schnell handelten, schnell Defensiv-Waffen zur Verfügung stellten. All dies hätte man viel früher machen müssen. Der heutige grüne Wirtschaftsminister Habeck hat dies im Sommer 2021 richtig erkannt und gefordert. Doch er ist nicht nur von den Seinen, sondern sehr pauschal formuliert vom linken politischen Spektrum in den Senkel gestellt worden. Nach wie vor ist die Regierung Scholz – und das trifft vor allen Dingen auf den SPD-Teil zu – immer noch sehr zögerlich beim Umsetzen der deutschen Hilfe, die schnell kommen muss, sonst macht das Ganze keinen Sinn mehr. Legendär die Zusage Deutschlands, 5000 Helme spenden zu wollen. Spätestens hier hat sich die deutsche Außen- und Verteidigungspolitik zum Gespött gemacht.

Es ist bewundernswert, dass zigtausende Ukrainer aus allen Teilen dieser Welt in die Ukraine zurückkommen, um gegen den russischen Aggressor zu kämpfen, für ihre Heimat, für ihr Vaterland, für ihre Freiheit. Deshalb wird sich Russland auf Dauer gesehen die Zähne ausbeißen. Gleichwohl bleibt zu hoffen, dass durch Verhandlungen dem sinnlosen Blutvergießen und dem sinnlosen Zerstören ein Ende bereitet wird.

Dank an die Bevölkerung

Was einem menschlich sehr berühren muss, ist die überwältigende Bereitschaft nicht nur der Anrainerstaaten, gerade der Polen, die in der Flüchtlingskrise 2015/2016 so häufig beschimpft worden sind, zur Aufnahme von Flüchtlingen. Mit höchstem Respekt ist genauso zu vermerken, dass - nicht nur bei uns im Lahn-Dill-Kreis, sondern in ganz Deutschland – sich Menschen spontan persönlich engagieren, Spenden zur Verfügung stellen, Wohnungen öffnen… Eine Welle der Hilfsbereitschaft, die grandios ist.

Es wäre gerade den Frauen und Kindern sehr zu wünschen, dass es gelingt, zu einer vernünftigen Lösung zu kommen, damit sie in ihre Heimat und zu ihren Familien, ihren Männern zurückkehren können. Und es ist dann Aufgabe der gesamten Europäischen Union, dieses geschundene Land, das einen Stellvertreterkrieg notgedrungen für Freiheit und Demokratie führt, entsprechend finanziell zu unterstützen und beim Aufbau mitzuhelfen.

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier

Bildergalerie

Aktuelle Ausgabe04.04.