Lauterbach III

Was stimmt denn nun, Herr Lauterbach?

Lauterbach an die Kassenärztliche Bundesvereinigung:
„Aktuell ist eine Überlastung des Gesundheitssystems nicht mehr zu erwarten“

„Omikron-Variante mit deutlich milderen Verläufen“

In einem Schreiben an die Kassenärztliche Bundesvereinigung, in dem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) begründet, warum man Corona-Sonderzahlungen an Ärzte nicht mehr leisten möchte, führt Lauterbach unter anderem auf, dass „unter Berücksichtigung der stabilen Situation auf den Intensivstationen aktuell eine Überlastung des Gesundheitssystems nicht mehr zu erwarten ist“. Mit dieser Begründung will er Corona-Sonderregelungen für Kassenärzte streichen. Interessant auch die Aussage des Ministers in diesem Schreiben, dass die Omikron-Variante schließlich deutlich mildere Verläufe zeichne.

Horrorszenarien

Praktisch gleichzeitig - Mitte Februar - erklärt er in der Talkshow von Anne Will, dass das Virus in den nächsten zehn Jahren keine harmlose „Erkältungskrankheit“ werde und dass es deshalb für ältere Menschen, bei denen die Impfung nicht so gut wirke, nie wieder (!) „wirklich volle Freiheit“ geben könne. Ähnlich die Dramatik in seiner Aussage in einem ZDF-Interview, als er von 400 bis 500 Corona-Toten am Tag sprach. Zu erinnern ist an Lauterbachs Aussage Ende Dezember 2021, wonach die Omikron-Variante „ähnlich schwer“ verlaufen könne wie Delta.

Panik-Minister im Faktencheck

Es ist der „Bild-Zeitung“ zu verdanken, dass die Widersprüche deutlich geworden sind. So hatte am 17. Oktober 2021 Lauterbach zu einer Studie geschrieben, dass ehemalige Corona-Kranke „im Zeitraffer altern“. Abgesehen davon, dass es keinerlei Indizien dafür gibt, erklärte Lauterbach, na ja, man müsse fünf Jahre abwarten, bis die Frage endgültig geklärt sei. Seriosität sieht anders aus.

Am 15. November 2021 erklärte Lauterbach, dass die Intensivstationen Mitte Dezember trotz Verlegung voll seien. Wie wir alle wissen, Fehlalarm. Am 30. November 2021 erklärte er zum Thema Ende der Freiheitsbeschränkungen wörtlich: „Klar ist aber, dass die meisten Ungeimpften von heute bis dahin entweder geimpft, genesen oder leider verstorben sind.“ Die Realität sieht zum Glück anders aus.

Am 10.1.2022 meinte Lauterbach über das Thema Depression bei Kindern Folgendes sagen zu müssen: „Dass das nicht einfach dem Lockdown… in die Schuhe geschoben werden darf.“ Im Gegensatz dazu der Expertenrat des Bundestages, der Folgendes schreibt: „Besonders schwerwiegend ist… die Krankheitslast der Kinder und Jugendlichen, ausgelöst unter anderem durch Lockdown-Maßnahmen.“

Mitte Februar erklärte Lauterbach bei „Maischberger“, er habe sehr früh und noch vor namhaften Wissenschaftlern gesagt, dass Omikron milder verlaufe als Delta. Auch diese Aussage ist falsch. Noch am 18. Dezember hatte er geschrieben, dass es unwahrscheinlich sei, dass Omikron deutlich milder verlaufe.

Panikzahl Inzidenz

Hatte man bundesweit bei der ersten Coronawelle als Maßstab für Gefährlichkeit die Inzidenzen herangezogen, so war man sich eigentlich im Sommer des letzten Jahres einig, dass diese Inzidenz im Herbst bei einer deutlich milderen Omikron-Verlaufsform nicht die Realität widerspiegele, nämlich nichts aussage über die Zahl der Menschen, die im Krankenhaus behandelt werden müssen. Gegenüber der Delta-Variante gab es eine Hospitalisierungsquote von etwa 15, die aktuell bei – je nach Bundesland – 4 bis 5 liegt, also weit weg ist von all den dramatischen Zahlen des Herbstes 2020.

Politisch war man sich eigentlich einig, dass diese Zahl eine höhere Aussagekraft habe. Doch man hört von ihr nichts. Gewollt? Weil sie zu gut ist? Stattdessen immer neue Horrorzahlen. Das Erfreuliche allerdings ist, die Zahl der Menschen, die im Zusammenhang an oder mit – die wenigsten ausschließlich an – gestorben sind, ist deutlich zurückgegangen. Mit anderen Worten, eine Überlastung des Gesundheitswesens ist kein Thema mehr.

Diese drohende Überlastung, die es allerdings nie gab, war Anlass für freiheitsbeschränkende Maßnahmen, die es in Deutschland in dieser Form noch nie gegeben hat. Verfassungsjuristen hatten damals – nicht alle, aber einige – schon Zweifel, ob diese freiheitsbeschränkenden Maßnahmen grundgesetzkonform sind. Eine grundsätzliche Verfassungsklage gab es nicht.

Kliniken plötzlich weniger wichtig

Geht es nach Lauterbach, sollen die nur in Deutschland in dieser Form noch vorhandenen Einschränkungen weitergehen. Freiheit wird eingeschränkt. Jetzt mit der Begründung, es gebe 100 bis 200 Tote täglich, und jeder einzelne sei einer zu viel. Damit kann man die Einschränkung der Freiheit dauerhaft begründen. Das ist das, was Lauterbach will.

Grundgesetzwidrig

Richtig ist, so der Regensburger Verfassungsrechtler Kingreen, man sei zwar nach dem Grundgesetz verpflichtet, das Leben und die Gesundheit der Bürger zu schützen. Diese Schutzpflicht allerdings ist nicht absolut. Sie ist abzuwägen gegenüber anderen Rechten wie dem Recht auf Freiheit, das durch die Aufrechterhaltung der Schutzmaßnahmen beschnitten wird. Eine bemerkenswerte Stellungnahme gab die Jenaer Staatsrechtlerin Anna Leisner-Egensperger ab, die deutlich machte, dass diese freiheitsentziehenden Maßnahmen nicht allein mit der Zahl „der an und mit Corona Verstorbenen“ begründet werden kann, denn der Staat habe allen Bürgern Impfangebote eröffnet, die für jeden hinreichend niederschwellig zu erreichen seien. Und wörtlich: „In einem freiheitlichen Verfassungsstaat endet die Schutzverpflichtung des Staates dort, wo die eigenverantwortliche Selbstgefährdung beginnt.“

Dem ist nichts hinzuzufügen. Es ist höchste Zeit, dass die politische und mediale Hysterisierung einer Grippe, so wie sie in anderen europäischen Ländern definiert wird, endet und dass Corona-Einschränkungen beendet werden.

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier
Aktuelle Ausgabe4/2024