Brandschutz im Lahn-Dill-Kreis

Kreis stellt Bauabnahmeschein aus –
vorgegebene Brandschotts nie eingebaut

Kreis bestätigt Abnahme einer Brandmeldeanlage –
die hat es aber nie gegeben

Eine spannende Debatte und viele Fragen wird es demnächst im Bauausschuss geben, denn die CDU hat das Thema Brandschutz am Beispiel des Werner-Best-Hauses in Aßlar zum Thema gemacht.

Die Arbeiterwohlfahrt hat über viele Jahre das Werner-Best-Haus, ein Seniorenheim, in Aßlar betrieben, um es vor wenigen Jahren einer heimischen Wohnungsbaugesellschaft zu verkaufen. Kaum war der Kaufvertrag unter Dach und Fach, erfolgte umgehend eine Gefahrenverhütungsschau durch den Lahn-Dill-Kreis. Dies bedeutete, dass der neue Eigentümer Brandschutzmaßnahmen für über 700.000 Euro durchführen musste.

Zur Sprache kam das Ganze, weil eine Bewohnerin sich im Sommer 2021 an den seinerzeitigen Bundestagsabgeordneten Hans-Jürgen Irmer gewandt hatte. Sie kritisierte, dass alle liebgewordenen Einrichtungsgegenstände in den Fluren und den Aufenthaltsräumen des Werner-Best-Hauses über Nacht verschwunden seien. Das Ganze sehe aus, wie ein kahler Bahnhofsvorplatz. Beim Ortstermin konnte sich Irmer seinerzeit von den Schilderungen der Bewohnerin überzeugen.

Daraufhin wandte er sich an die zuständige Wohnungsbaugesellschaft mit der Bitte, doch wieder für eine Möblierung zu sorgen. Im Zuge dieses Schreibens führte dann die Wohnungsbaugesellschaft wörtlich Folgendes aus:

„Solange die AWO das Haus betrieben hat, machte der Brandschutz des Lahn-Dill-Kreises aus gutem Grund einen großen Bogen um das Objekt. Seitens des Lahn-Dill-Kreises wurde nach Fertigstellung des Hauses ein Bauabnahmeschein ausgestellt, dass das Gebäude ordnungsgemäß erstellt wurde, vorgegebene Brandschatz wurden jedoch nie eingebaut. Darüber hinaus liegt uns eine Abnahmebestätigung des Lahn-Dill-Kreises über eine Brandmeldeanlage vor, die es aber nie gegeben hat.“

Mit anderen Worten, die damals zuständigen Mitarbeiter des Lahn-Dill-Kreises haben offensichtlich gegenüber der AWO Bescheinigungen ausgestellt, die sie nie hätten ausstellen dürfen, weil Auflagen nicht erfüllt waren. Das Ganze ist deshalb pikant, abgesehen von der Nähe der Arbeiterwohlfahrt zur regierenden SPD, weil in diesem Heim Senioren wohnen, die natürlich nicht mehr so mobil sind wie 30- oder 40-Jährige und deshalb an Altenwohnheime entsprechende Schutzbestimmungen gestellt werden.

Rüge für Esch

Auf die Begründung des Antrages durch CDU-Fraktionschef Hans-Jürgen Irmer in der letzten Kreistagssitzung reagierte Aßlars Altbürgermeister Roland Esch gereizt. Es sei eine Unverschämtheit, allen Mitarbeitern des Brandschutzes hier etwas unterstellen zu wollen. Völliger Unfug, so Irmer. Es geht nicht um die heutigen Mitarbeiter des Brandschutzes. Es geht darum, wer seinerzeit die Verantwortung getragen hat und wie das möglich war. Hat Kontrolle nicht funktioniert? Hat Aufsicht nicht funktioniert? Gab es kein Vieraugen-Prinzip…? Viele Fragen, die einer Beantwortung harren.

Leider war der WNZ dieser Fall keine Berichterstattung wert.

Restriktiver Brandschutz

Während hier offensichtlich großzügig mit den Maßstäben des Brandschutzes umgegangen wurde, gibt es viele Fälle, wo sehr restriktiv vorgegangen wurde. Irmer berichtete von dem Verein der Segelflieger in Hirzenhain, der seit über 50 Jahren immer zu Pfingsten das sogenannte Fliegerfest in dem riesigen Hangar, in dem auch die Segelflieger stehen, durchführt. Dort passen ca. 500 bis 600 Personen hinein. Das, was 50 Jahre möglich war, war nach Auffassung des Brandschutzes des Lahn-Dill-Kreises plötzlich nicht mehr möglich. Dazu muss man wissen, dass diese massive, aus den 30er Jahren stammende Halle über ein etwa 10 Meter breites und ca. 5 Meter hohes Tor verfügt, das bei allen Fliegerbällen geöffnet ist. Zusätzlich gibt es an beiden Längsseiten jeweils rechts und links eine Fluchttür und im hinteren Bereich zwei weitere Türen.

Das alles reichte dem Brandschutz des Lahn-Dill-Kreises nicht. Man machte zur Auflage, auf der rechten Seite neben der bereits vorhandenen Tür eine doppelflügige Tür zusätzlich einzubauen, forderte die sogenannte F30-Auflage, wonach ein Gebäude 30 Minuten einem Brand standhalten muss, und verlangte eine Holzunterstützungskonstruktion für das Hallendach, so dass der Verein ca. 100.000 Euro investieren musste, zusätzlich zu den tausenden ehrenamtlichen Stunden der Vorstandsmitglieder. Alle Vorschläge des Vereins, in dessen Reihen ein Brandschutzsachverständiger aus Nordrhein-Westfalen ist, fruchteten nichts. Man hatte vorgeschlagen, beim Fliegerball entweder eine sogenannte Brandwache abzustellen, eine rechnerische Brandsimulation durchzuführen oder eine Evakuierungsübung durchzuführen, um damit filmisch beweisen zu können, dass 600 Besucher keine halbe Stunde benötigen, um aus den vier Türen und dem großen Tor rechtzeitig herauszukommen. Es half alles nichts.

Irmer zitierte aus einem weiteren Schreiben eines heimischen Unternehmens, das sich bitter darüber beklagt hatte, dass der erste Bauantrag mit der Begründung abgelehnt wurde, dass eine Kopie aus dem Handelsregisterauszug fehle, obwohl dieser Auszug in mehrfacher Ausführung, so das Unternehmen, vorliege. Eine Ablehnung, die begründet wurde, weil der Freiflächenplan nicht farblich (!) angelegt wurde. Und schließlich war ein Brandschutzkonzept vorzulegen, das über den Altbau hinausging (für den Altbau gab es natürlich ein Brandschutzkonzept). Statt darauf hinzuweisen, dass man auch für den geplanten Anbau eines benötigt, wurde gefordert, ein gesamtes Brandschutzkonzept noch einmal neu aufzulegen, was für den Unternehmer Geld, Zeit und Nerven kostet.

Dette bestätigt CDU

Selbst der ehemalige ehrenamtliche Wirtschaftsdezernent des Lahn-Dill-Kreises, Wolfram Dette (FDP), hatte bei einer Debatte über den Tourismus (!) im zuständigen Ausschuss, als es um Probleme des Beherbergungs- und Hotels- und Gastronomiewesens ging, im April 2018 bereits feststellen müssen, dass der Brandschutz im Genehmigungsverfahren bei größeren Baumaßnahmen eine Rolle spiele, „wodurch die Investitionskosten in Bereiche vorstoße, die nicht mehr darstellbar sind“, so der seinerzeitige Wirtschaftsdezernent.

Da hat er recht. Es stellt sich die Frage, was hat der Kreis denn eigentlich seitdem gemacht? Dass Brandschutz notwendig ist, bestreitet ernstlich niemand. Aber es gibt die Möglichkeit, einen Brandschutz mit Augenmaß und gesundem Menschenverstand zu machen. Dies war bei den genannten Beispielen nicht der Fall, wohl aber in großzügigster Form beim Werner-Best-Haus, dem von der SPD-nahen AWO betriebenen Seniorenwohnheim. Alles nur Zufall.

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Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier

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