Worüber man kaum spricht

Die Corona-Kollateralschäden

Hin und wieder findet man einen Artikel über negative Auswirkungen von Corona. Macht man sich die Mühe, unterschiedliche Quellen zusammenzuführen, so wird schnell deutlich, wie gewaltig die Folgeschäden von Corona für den Staat und vor allen Dingen für den Einzelnen sind.

Die verschiedenen Hilfspakete von Bund und Ländern dürften den Betrag von rund 400 Milliarden Euro überschritten haben. Deutschland konnte sich das leisten, weil in den Zeiten überschüssiger Einnahmen der Bund, wie im Übrigen auch die meisten Länder, versucht haben, die Schulden zurückzuführen. Dies ist auch gelungen, so dass Deutschland trotz der Corona-Milliarden im Schuldenranking Europas im Vergleich zu Spanien, Griechenland, Frankreich, Italien, um nur einige zu nennen, glänzend dasteht. Dennoch, es ist Geld, das eines Tages zurückgezahlt werden muss.

Auswirkung auf den Einzelnen

Es kann an dieser Stelle nur stichwortartig benannt werden, welche Probleme Corona-bedingt entstanden sind:

- Laut einer Studie der Uni Essen gibt es eine Steigerung um rund 300 Prozent im Bereich suizidaler Tendenzen bei Kindern und Jugendlichen

- Zunahme emotionaler und affektiver Störungen

- Schäden für Bildung und Entwicklungschancen der Kinder

- Studenten, die erst nach drei oder vier Semestern erstmals eine Universität von innen sehen

- Seelische Einsamkeit bei Senioren

- Teilweise keine oder zu wenige Besuchsmöglichkeiten in Altenheimen und Krankenhäusern, dadurch bedingt kein Beistand von Familienangehörigen für Schwerstkranke oder Sterbende. Was das für Familienangehörige bedeutet, will man sich gar nicht ausmalen.

- Mehr Partnerschaftsgewalt

- Deutlich steigende Zahl von Kindesmisshandlungen

- Zunahme von Sexualmissbrauch

- Zunahme des Alkoholkonsums

- Verschobene Operationen, die zu seelischen Belastungen führen, aber auch zur Verschlimmerung von Krankheitsbildern beitragen können

- Seltenere Arztbesuche aus Angst vor Ansteckung, so dass Warnsignale des Körpers ignoriert werden mit dem Ergebnis, mehr Herzinfarkt- und Schlaganfalltote

- Seelische Belastungen durch finanzielle Sorgen

Wirtschaft und Vereine

- Riesenprobleme für den Einzelhandel bei boomenden Internetbestellungen

- Luftfahrt eingebrochen

- Tourismus eingebrochen

- Reisebranche, Gastronomie, Hotellerie mit großen Problemen

- Sportstudios, Fitnessstudios

- Messebau und artverwandte Berufe

- Kultur, Theater, Vereine - Kulturgemeinschaft, Wetzlarer Festspiele, Kunstverein, Museum, Einzelkünstler, sie alle stehen mit dem Rücken zur Wand

- Vereine schrumpfen, Jugendliche wenden sich ab

- Übungsmöglichkeiten fehlen, das gilt auch für Feuerwehr und THW

- Soziale Kontakte, die zwingend notwendig sind, werden eingeschränkt

Gesellschaft

Leider muss man feststellen, dass Auseinandersetzungen zwischen Geimpften und Ungeimpften zunehmen. Die Aggressivität wächst, was gelegentlich auch bei der ein oder anderen Demonstration zu beobachten ist. Ein absolutes No-Go. Ja zum Recht auf friedliche Demonstration, aber Gewalt ist niemals (!) ein Mittel der Auseinandersetzung. Und Gewalt gegen Rettungskräfte und Polizisten müsste ein Tabu sein. Wer dieses Tabu bricht, muss mit der Härte des Gesetzes bestraft werden.

Der gesellschaftliche Ton wird rauer. Manch einer wird es schon erlebt haben, von irgendeinem Unbekannten angeschnauzt zu werden: „Zieh die Maske auf… zieh sie richtig auf.“ Im Lahn-Dill-Kreis wird eine Denunziations-Hotline eingerichtet mit Hilfe derer man Nachbarn, Freunde, Bekannte… anschwärzen kann, die sich angeblich nicht Corona-konform verhalten. Was sind das nur für Zeiten? Was haben die mediale Darstellung und die politische Hysterie mit dieser Gesellschaft, zumindest in Teilen, gemacht? Was muss in einem Menschen vorgehen, der allein im Auto sitzt und die Maske aufhat, in einem Jogger, der alleine durch den Wald läuft mit Maske oder in dem Fahrradfahrer, der mit Maske unterwegs ist? Da muss sich doch etwas im Unterbewusstsein so verändert haben, dass die Ratio aussetzt. Vor wem will sich der allein im Auto sitzende Fahrer schützen, wenn er die Maske aufhat?

Solche Beispiele, die man noch fortführen könnte, zeigen, dass die Kampagnen irrationale Ängste in Teilen der Bevölkerung freigesetzt haben. Und wenn Irrationalität schon zum Prinzip erhoben wird, dann muss man sich in letzter Konsequenz nicht wundern, wenn Aggression, Hass, Gewalt steigen und die Zahl der Denunzianten zunimmt. Es ist Zeit, abzurüsten. Zeit, den Menschen eine Perspektive zu geben. Omikron ist nicht Delta. Omikron ist eine grippeähnliche Virusvariante, die durch einen hohen Prozentsatz doppelt und dreifach Geimpfter in aller Regel keine schweren Verläufe zeitigt.

Das ist eigentlich die gute Nachricht. Und die Politik wäre gut beraten, dies deutlich zu machen und nicht an völlig irrelevanten Inzidenzen festzuhalten. Sie sollte sich an dem orientieren, was sie vor einem halben Jahr selbst festgestellt hat: dass die Inzidenzen wenig aussagekräftig sind und die Hospitalisierungsquote eher ein Beleg für Gefährlichkeit oder Ungefährlichkeit ist. Hatten wir vor gut einem Jahr eine Hospitalisierungsquote von ca. 16, so liegt sie heute zwischen 3 und 4. Auch das ist eine positive Nachricht. Und auch das könnte man den Menschen bei Wahrung aller Vorsicht gleichwohl signalisieren.

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier

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