Bundeshaushalt 2022

Lindner (FDP) nutzt „Taschenspielertrick“,
den er in der Vergangenheit selbst kritisierte

Unter dem Motto „Was kümmert mich mein dummes Geschwätz von gestern“ zeigt der neue Bundesfinanzminister Christian Lindner auf Druck der Koalitionäre eine erhebliche Beweglichkeit, wenn es darum geht, Milliarden für den sogenannten Klima- und Transformationsfonds loszueisen. Die Ampel hat zwar erklärt, keine Steuererhöhungen vorzusehen. Auf der anderen Seite wollen sie gewaltige Summen ausgeben für die Übernahme von Altschulden von den Kommunen, für Digitalisierung, Superabschreibung beim Klimaschutz, Aufbau des Klima- und Transformationsfonds (KTF). Und sie haben versprochen, ab 2023, wie es die Verfassung auch vorsieht, keine Nettoneuverschuldung vorzusehen, das heißt, die Schuldenbremse einzuhalten. Die Quadratur des Kreises: keine Steuererhöhungen, Milliarden mehr ausgeben wollen und Schuldenregel einhalten.

Was also tun?

In der Vergangenheit kritisierte die FDP den seinerzeitigen Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), wenn dieser berichtete, dass Milliarden an Rückstellungen für Projekte nicht in den allgemeinen Haushalt zur Verbesserung der Finanzlage flossen, sondern als Rücklage gesichert wurden. So geschehen im Jahr 2020, da parkte Scholz rund 26 Milliarden Euro im sogenannten Energie- und Klimafonds. Lindners FDP kritisierte in der Haushaltsdebatte des Bundestages dieses Verfahren als „Taschenspielertrick“.

Nichts anderes macht der jetzige Finanzminister, denn wegen der außergewöhnlichen Corona-Situation hat die Große Koalition die Notfallklausel der Schuldenbremse für 2021 ausgesetzt. Das heißt, Bundesfinanzminister a.D. Scholz hat 240 Milliarden Euro zusätzlichen Bedarf angemeldet, um damit die Coronafolgen zu mildern. Bekannt ist, dass aber „nur“ 180 Milliarden Euro gebraucht werden und somit 60 Milliarden übrigbleiben. Also könnte man die Nettoneuverschuldung des Jahres 2022 um genau diese 60 Milliarden reduzieren, die zweckgebunden dafür waren, die Folgen von Corona zu beseitigen.

Was macht die Ampel?

Sie beschließt, dass die 60 Corona-Milliarden nicht für Corona vorgesehen werden, sondern umgeswitcht, umgeleitet werden sollen in den KTF (Klima- und Transformationsfonds). Dabei war die Aussetzung der Schuldenbremse ausschließlich mit Corona begründet. Die Wirtschaft läuft in Deutschland entgegen allen Prognosen ordentlich. Natürlich gibt es Branchen, die erheblich darunter leiden. Die Arbeitslosenzahlen bewegen sich auf Vorkrisenniveau und das Bruttoinlandsprodukt wächst. Positive Rahmenbedingungen, die auch mit guter Unterstützung in Coronazeiten zusammenhängen.

Verfassungswidrig?

Das Bundesland Hessen hat vor wenigen Wochen vom Hessischen Staatsgerichtshof eine herbe Klatsche erlitten. Der Landtag hatte mit den Stimmen von CDU und Grünen ein Sondervermögen mit dem Titel „Hessens gute Zukunft sichern“ aufgelegt, Volumen rund 12 Milliarden Euro, um damit Coronafolgen für hessische Unternehmen und Bürger zu minimieren. Da allerdings nicht alle Ausgaben originär mit der Beseitigung der Coronafolgen zu tun haben, hat der Hessische Staatsgerichtshof den Beschluss des Landtages als verfassungswidrig erklärt, u.a. mit der Begründung, dass kreditfinanzierte Maßnahmen zur Krisenbewältigung auch „final auf die Beseitigung der Notsituation gerichtet“ sein müssen.

Dies geschieht hier auf Bundesebene genauso wenig. Man kann ja Sympathie für den KTF haben. Aber die Finanzierung aus Corona-Notfallmitteln ist in den Augen vieler Verfassungsrechtler schlicht verfassungswidrig. Bundesrechnungshofpräsident Kay Scheller erklärt denn auch, dass die Schuldenregel die Politik zwinge, zu priorisieren. An der Schuldenbremse dürfe deshalb nicht gerüttelt werden. Und sie dürfe auch nicht durch „irgendwelche Hilfskonstruktionen umgangen werden“. Wie sagte doch die FDP als Oppositionsfraktion? „Taschenspielertrick“. Genau das Gleiche praktiziert jetzt die FDP. Glaubwürdigkeit sieht anders aus.

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier

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