Baden-Württemberg

Spießbürgerliche Grüne wollen
Tübingens OB Boris Palmer ausschließen.

Meinungsfreiheit nur dann, wenn sie passt

33 Seiten umfasst der Antrag des Landesvorstandes der Grünen Baden-Württemberg an die Schiedskommission der Grünen, in dem begründet wird, warum Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer aus der Partei auszuschließen ist. Palmer, so der Vorwurf der Landesvorsitzenden der Grünen, Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand, habe vor allen Dingen bei den Themen „Einwanderungs-, Flüchtlings- und Menschenrechtspolitik“ die Linie der Grünen verlassen. Es habe sich bei Palmer um „kalkulierte Ausrutscher und inszenierte Tabubrüche“ gehandelt.

Freies Denken ade

Die Grünen, die in ihrer Anfangszeit vor 40 Jahren bekannt dafür waren, äußerst kontrovers zu diskutieren, zu streiten um den richtigen Weg, haben diesen Pfad schon lange verlassen. Das freie Denken, das freie Sprechen, das damals essenzieller Bestandteil grüner Demokratievorstellungen war, existiert heute nur noch – überspitzt formuliert – auf dem Papier.

„Indianerhäuptling“ ist tabu

Eine Partei, die wie in Berlin eine Spitzenfunktionärin praktisch dazu zwingt, sich öffentlich dafür zu entschuldigen, dass sie erklärt hat, als Kind habe sie geträumt, einmal Indianerhäuptling zu werden, hat gezeigt, dass nur noch Zeitgeistdenken opportun ist, aber keine wirkliche Auseinandersetzung inhaltlicher Art mehr möglich ist. Ein Kommentator der „Welt“ schrieb im letzten Monat, dass die Partei eine ängstliche Zeitgeistmimose bleibe, die keinerlei Ambivalenzen aushalte und schon gar nicht wirkliche Freigeister. Dem kann man nur uneingeschränkt zustimmen.

Man muss Boris Palmer nicht in jedem Punkt recht geben. Er ist nicht fehlerfrei – wer ist das schon? Aber es muss auch in einer grünen Partei möglich sein, realpolitische Thesen zu Migrations- und Asylpolitik zu formulieren, bei denen die Missstände, die objektiv vorhanden sind, wie fehlende Integrationsbereitschaft oder überproportional hohe Kriminalität, benannt werden. Diese Fakten, die für jeden Bürger nachlesbar sind - außer bei den Gutmenschen -, zu nennen, ist für die Grünen in Baden-Württemberg offensichtlich zu viel. Freiheit des Geistes, Freiheit des Denkens, Freiheit der Sprache? Wie spießbürgerlich und engstirnig sind doch die Grünen geworden. Die Schere im Kopf wird immer größer. Man kann Boris Palmer nur wünschen, dass er sich in dem innerparteilichen Verfahren durchsetzt. Ansonsten bleibt ihm noch der Weg in die ordentliche Gerichtsbarkeit, so wie es Thilo Sarrazin (SPD) im Übrigen gemacht hat, wenn auch nach Jahren erfolglos.

Sarrazin hat recht

Der ehemalige Finanzsenator der SPD in Berlin hat in seinem Buch vor über zehn Jahren davor gewarnt, dass sich Deutschland aufgrund seiner Migrations-, Einwanderungs- und Asylpolitik perspektivisch abschaffen wird. Abgesehen davon, dass man eines Tages, ob in 20, 30 oder 40 Jahren, nicht umhinkommen wird, ihm Respekt zu zollen für die vorausschauende Analyse. Auch die SPD versuchte damals den unliebsamen Querdenker loszuwerden. Innerparteiliche Demokratie sollte eigentlich anders aussehen.

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier
Aktuelle Ausgabe4/2024