Berlin-Splitter

Martin Schulz rettet die SPD ?

Normalerweise arbeite ich mich nicht am politischen Mitbewerber ab. Aber in der letzten Zeit hat sich die SPD so viel geleistet, dass ich diesmal nicht umhinkomme, über das Gebaren der Genossen zu schreiben. Die Vereinnahmung der Bundesversammlung hat für mich das Fass zum Überlaufen gebracht.

Parteiveranstaltung Bundespräsidentenwahl
Je näher die Wahl des Bundespräsidenten rückte, desto schwerer machte es mir die SPD, beim gemeinsamen Kandidaten Steinmeier mein Kreuz zu machen. Warum? Weil die SPD meinte, aus der Wahl des Bundespräsidenten eine SPD-Parteiveranstaltung machen zu müssen. Von Seriosität im Umgang mit dem honorigen Amt, von parteipolitischer Neutralität oder einfachen Grundregeln des Anstands war nicht viel zu spüren. Stattdessen twitterte die SPD Berlin einen Tag VOR der Wahl ein Bild von Schloss Bellevue mit knallrotem Text: „Wir freuen uns auf den neuen sozialdemokratischen Schlossherrn – SPD Berlin“ inklusive großem Parteilogo. Als dann auch noch der Kanzlerkandidat der SPD, Martin Schulz, via Twitter seine Freude über die Wahl Steinmeiers ausdrückte, war für mich eine Grenze überschritten: „Der dritte sozialdemokratische Bundespräsident ist gewählt!“ Es ging um den Präsidenten der Bundesrepublik und nicht um den der Sozialdemokraten. Wenn es der guten – also sozialdemokratischen – Sache dient, vereinnahmen die Genossen auch die Wahl eines Bundespräsidenten parteipolitisch. Wie es anders geht, hat Bundestagspräsident Lammert in seiner Rede vor der Bundesversammlung eindrucksvoll bewiesen. Ich empfehle jedem, sie sich anzuhören (Link). Die in meinen Augen wichtigste Passage habe ich am Ende des Newsletters beigefügt. Lammert hat mit Würde und Weitsicht Deutschlands Rolle in der Welt und die Bedeutung von Offenheit und Globalisierung beschrieben. Doch leider stand er nicht zur Wahl. Stattdessen versuchte die SPD dem Bundespräsidentenamt den SPD-Stempel aufzudrücken. Seit sie ihren „Heilsbringer“ Martin Schulz inthronisiert haben, ticken die Uhren der Genossen anders.

Wer ist Martin Schulz?
Dabei haben sich viele gefragt, wer dieser Martin Schulz ist – außer, dass er mal Bürgermeister in Würselen war und EU-Parlamentspräsident. Sie alle kennen Angela Merkels Vita, Leistungen und Charakter – aber Martin Schulz war für mich ein eher unbeschriebenes Blatt. Er will in den Wahlkampf mit dem Thema „soziale Gerechtigkeit“ ziehen. Das ist sein gutes Recht. Dieser Slogan heißt für die SPD nichts anderes, dass sie behaupten, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden und nur sie dagegen etwas unternehmen. In der Manier des heiligen Sankt Martin will Schulz den Reichen das Geld nehmen und in Richtung Arme umverteilen – und viele aus der linken Medienszene jubeln ihm dabei zu. Reichtum ist böse – und nur er ist der Garant für das Gute, die Umverteilung. Schulz´ Problem ist dabei die Realität: Seit 2005 geht die Schere zwischen Arm und Reich beim Einkommen nicht mehr auseinander. Diese Tatsache stellt ausgerechnet Sozialministerin Andrea Nahles von der SPD im Armuts- und Reichtumsbericht fest. Hinzu kommt: Arbeits- und Sozialministerium, Familienministerium, Sozialer Wohnungsbau – das sind alles Politikbereiche unter Führung von SPD-Ministern. Seit 1998 war die SPD mit kurzer Unterbrechung immer an der Regierung. Wenn es also in diesen Themen Versäumnisse gibt, haben das die Sozialdemokraten zu verantworten.

Stimmungsmache als Wahlkampfstil in Trump-Manier
Doch das ist Martin Schulz egal. Er hält die Meisten in unserem Land für arm und basta. Vielleicht weiß er es auch nicht besser, denn sein Lebensmittelpunkt war ja die Brüsseler Bürokratie und nicht in Deutschland. Aber selbst wenn – es ist ihm eh egal: Ihm geht es um gefühlte Realitäten und da muss die Empirie weichen. Er und seine SPD urteilen darüber, was richtig und falsch, gut und böse ist und wie die Dinge zu bewerten sind. Martin Schulz ist damit voll im postfaktischen Zeitalter angekommen, in dem Stimmungsmache und Feindbilder mehr zählen als die Realität. Böse Zungen nennen derartiges „Fake News“, doch normalerweise ist dieses Attribut für Donald Trump reserviert. Genossen halten es für eine Majestätsbeleidigung, wie jüngst Finanzminister Schäuble, Parallelen zwischen Trumps und Schulz´s Form der Wahlkampfführung zu ziehen – doch fragen Sie sich einmal: Wo liegt der Unterschied? Dass der Starfriseur Udo Walz Schulz berät, wie er sein Erscheinungsbild ändern muss, um noch authentischer zu wirken, ist schon paradox an sich.

SPD diffamiert Bauern
Dass die Einteilung in Gut und Böse nicht allein von Martin Schulz kommt, sondern Kern der SPD-Kampagne ist, hat Umweltministerin Hendricks von der SPD bewiesen: Sie hat eine unsägliche und intellektuell unterirdische Kampagne für 1,6 Millionen Euro zur Unterstützung einer wie auch immer gearteten nachhaltigen Landwirtschaft gestartet - gegen das Gros der deutschen Bauern. In Form von Bauernregeln war zu lesen: „Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein.“ Oder: 

„Haut Ackergift die Pflanzen um, bleiben auch die Vögel stumm.“ Manche mögen solche Sprüchlein lustig finden - ich tue das nicht. Ich weiß, wie schwer Bauern sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr arbeiten müssen. Ihr Beitrag zur Landschaftspflege und Versorgung der Bevölkerung mit sicheren Lebensmitteln kann gar nicht hoch genug geschätzt werden. Daher finde ich die Diffamierungen von Ministerin Hendricks doppelt schlimm, zumal der einzige Zweck der Kampagne die Stimmungsmache gegen die konventionelle Landwirtschaft zu sein scheint. Und da ist es wieder: Die SPD erklärt diese Bauern kurzerhand für „böse“ und lässt sich die Kampagne auch noch aus Steuergeldern finanzieren. Wo bleibt der Aufschrei der Medien? Wo bleibt die Frage, was wir ohne unsere Bauern wären? Doch solange die Umweltverbände und Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter Ministerin Hendricks für die Kampagne applaudieren, brauchen wir uns nicht zu wundern. Die Union jedenfalls hat sehr deutlich gemacht, was sie von den Diffamierungen hält und dass sie an der Seite unserer Bauern steht. Wenn nicht wir, wer dann?

Die SPD und Managergehälter
Aber man soll ja Parteien und Politiker nicht allein an Worten und Bauernregeln messen, sondern auch an ihren Taten. Und das ist für die SPD und Martin Schulz gefährlich. Das fängt schon beim Lieblingsthema der Genossen an, den Schimpftiraden gegen zu hohe Managergehälter und Boni. Selten lagen Sonntagsreden und konkretes Handeln weiter auseinander – das Maß an Heuchelei der SPD bei diesem Thema ist grenzenlos. Als bei VW die Sozialdemokratin Christine Hohmann-Dennhardt aus dem VW-Vorstand ausschied, erhielt sie für ihre 13-monatige Tätigkeit eine Abfindung von zwölf bis 14 Millionen Euro. Das Land Niedersachsen mit dem SPD-Ministerpräsidenten Weil hält 20 Prozent am VW-Konzern und ist im Aufsichtsrat prominent vertreten – und Weil hat diesem Irrsinn ohne mit der Wimper zu zucken zugestimmt. Fast mutet es wie Satire an, dass Frau Hohmann-Dennhardt im Vorstand zuständig war für Integrität! Wenn es ernst wird, sind die Genossen keinen Deut besser als die, die sie vorgeben, zu bekämpfen. Wenn also Schulz einen Feldzug gegen zu hohe Boni und Millionäre startet, dann wird das ihm und seiner Partei hoffentlich um die Ohren fliegen!

Was will Martin Schulz?
Und wofür oder wogegen ist Martin Schulz noch? Wissen Sie das? Ich nicht. Vieles ist unklar. Das ambivalente Abstimmungsverhalten mancher SPD-geführten Bundesländer im Bundesrat gegen die Linie der Bundespartei ist auch nicht gerade hilfreich. Schulz mag zwar gute Reden schwingen können, aber wenn er konkret werden müsste, duckt er sich weg. Die Union hat sich zu vielen Themen schon positioniert – nicht zuletzt durch konsequentes Regierungshandeln. Aber bei der SPD und Schulz bleibt vieles vage. Wie steht Schulz zur Forderung der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Aydan Özoguz von der SPD, dass auch Migranten ohne deutschen Pass Wahlrecht erhalten sollen? Wie steht er zu TTIP und CETA oder zum Thema Innere Sicherheit? Wie steht er zu sicheren Herkunftsländern und Asylzentren in Nordafrika? Wie steht er zum jüngst vereinbarten Maßnahmenkatalog von Bund und Ländern für schnellere Abschiebungen? Unterstützt er ihn oder ignoriert und bekämpft er ihn wie seine Genossen von Rot-Rot-Grün in Berlin und teilweise auch in NRW? Das alles wäre spannend zu erfahren. Ich hoffe, dass er sich bis zur Wahl traut, Stellung zu beziehen. 

Herzlichst
Ihre Sibylle Pfeiffer

Über den Autor

Sibylle Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Entwicklungspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion (bis 2017)
Aktuelle Ausgabe4/2024