Die Fehler der Vergangenheit holen Lahn-Dill-Kreis wieder ein

Philipp-Schubert-Schule Hermannstein muss dringend erweitert werden

In der heimischen Presse war Mitte Oktober nachzulesen, wonach die Philipp-Schubert-Schule in Hermannstein aus allen Nähten platze. Es gebe derzeit elf Grundschulklassen bei acht Klassenräumen. Deshalb seien Schulbücherei, Computer- sowie Werkraum schon aus dem Neubau ins Untergeschoss der Turnhalle verlegt worden. Dort finde im Übrigen auch die Betreuung im Rahmen des Paktes für den Nachmittag statt, die bis 17 Uhr gehe, wobei die Betreuungskapazität ebenfalls erschöpft sei.

Schuldezernent Esch hatte, wie dem Artikel zu entnehmen war erklärt, dass die Schule vor elf Jahren ausreichend geplant worden sei und man sich bemühen werde, rechtzeitig dafür zu sorgen, dass genügend Kapazitäten vorhanden seien. Man müsse, so Esch, schauen, wie sich die Schülerzahlen entwickeln und welche Möglichkeiten vor Ort vorhanden seien.

Alles alte Probleme

Heute so zu tun, als ob das etwas Neues sei, grenzt schon an Geschichtsklitterung. Die Klagen über beengte räumliche Verhältnisse gibt es von Seiten der Schulgemeinde, von Seiten des Schulelternbeirates und des Fördervereins seit Jahren. Nichts ist in der Zwischenzeit geschehen. Von daher lohnt sich ein kleiner Rückblick in die Geschichte.

Historie

Nachdem die frühere Philipp-Schubert-Schule und die angrenzende Erich-Girolstein-Schule sich 2006/2007 zu einem wirtschaftlichen Totalschaden entwickelt hatten, wurde der Unterricht für die Kinder der Philipp-Schubert-Schule zeitweise an die Nauborner Grundschule ausgelagert. Wenn es nach SPD-Landrat Schuster gegangen wäre, hätte es keinen Wiederaufbau gegeben, denn Schuster hatte, ebenso wie der seinerzeitige Schuldezernent Roland Wegricht (SPD), in einem Gespräch mit dem damaligen Regierungspräsidenten Schmied mitgeteilt, dass aufgrund bereits bestehender Leerstände und einer in den Folgejahren immer geringer werdenden Auslastung der Grundschulen aus Sicht des Kreises als Schulträger kein Bedarf zur Wiederherstellung der stillgelegten dreizügigen Grundschule bestehe. Dagegen regte sich massiver Protest im Stadtteil Hermannstein. Es gab eine Fülle von Protestveranstaltungen.

Die CDU hatte im Kreistag im Oktober 2007 beantragt, dass die Philipp-Schubert-Schule am bisherigen Standort wieder aufgebaut werden soll. Die Stadtverordnetenversammlung von Wetzlar hatte dann im August 2008 einstimmig beschlossen, dass sich die Stadt mit 1,9 Millionen Euro am Wiederaufbau der Schubert-Schule beteiligt. Ein großartiges Engagement der Stadtverordneten, denn die Stadt ist nicht Schulträger und hätte dies nicht tun müssen. Eine richtige Entscheidung. Und so wurde die Schule neu aufgebaut, allerdings in kleinerer Form. Die alte Schule war für 240 Schüler ausgelegt, das neue Gebäude für rund 150/160. Wie immer viel zu eng gestrickt.

Kritik der Schulgemeinde

Natürlich war die Schulgemeinde einerseits froh darüber, dass am bestehenden Standort ein Neubau entsteht. Allerdings war die Schule so konzipiert, dass im Grunde genommen nur das Notwendige erfüllt wurde, aber keinerlei Perspektiven vorhanden waren. Dass man eine Schule als schönen Lernort auch ganz anders gestalten kann, haben gerade die Architekten beim Neubau der Goetheschule bewiesen. Hier atmet man Bildung förmlich. Hier gibt es Luft, helle, große und freundliche Räume.

Der Förderkreis der Philipp-Schubert-Schule hatte sich im Mai 2010 darüber beklagt, dass der Kreis nicht bereit gewesen sei, die Räumlichkeiten für eine Schülerbetreuung ebenfalls im Neubau vorzusehen, was Sinn gemacht hätte. Kritik übte im Sommer 2010 auch der seinerzeitige engagierte Schulleiter Friedel Gronych, der öffentlich erklärt hatte, dass die Planung zu kurzfristig gedacht sei und man mehr Räume, auch Differenzierungs- und Fachräume, benötige. Das ist elf Jahre her. Aber Gronych hatte damals schon recht. Denn man musste nach dem Neubezug aufgrund räumlicher Enge sogleich einen Fachraum auflösen.

Spätestens hier zeigt sich die Kurzsichtigkeit planerischen Handelns beim Kreis, denn Fachräume kann man zwar technisch auflösen. Sie sind aber für den weiteren Bildungsweg von Kindern unentbehrlich, sonst würde sie es prinzipiell ja nicht geben. Man kann das für einen kurzen Überbrückungszeitraum machen, aber nicht auf Dauer.

Über die Kritik des Schulleiters zeigte sich Schuster empört, der in der WNZ vom 21.7.2010 erklärte, dass für den Bereich der Grundschule Hermannstein mit rückläufigen (!!!) Schülerzahlen zu rechnen sei. Das Raumangebot in Hermannstein, so Schuster, sei modern und angemessen.

Ehemaliges Schulgelände verscherbelt

In der Zwischenzeit verkaufte, um nicht zu sagen verscherbelte der Lahn-Dill-Kreis das Restgrundstück, auf dem früher die Philipp-Schubert-Schule und die ehemalige Erich-Girolstein-Schule untergebracht waren, an einen Hamburger Investor. Über mehrere Wege ging das Grundstück dann an eine Firma, die dort Wohnhäuser errichtete. Der seinerzeitige Vizelandrat Schreiber (Grüne) teilte im März 2017 mit, dass der Verkauf des Geländes erfolgreich abgeschlossen und das Geld in Höhe von knapp 700.000 Euro eingegangen sei. Wohlgemerkt, im Jahr 2017! Im Sommer 2016 berichtete die Wetzlarer Neue Zeitung erneut über die Notwendigkeit, zusätzlichen Raum für die Schule zu schaffen. Im Herbst 2016 wollten sich dann Oberbürgermeister Manfred Wagner, Schuldezernent Schreiber und andere zusammensetzen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Bekanntermaßen ist nichts dabei herausgekommen, und auf die Frage, ob denn das Neubaugebiet berücksichtigt worden sei, erklärte Schreiber, dass dies „in Ansätzen“, so im Mai 2017, geschehen sei.

Wer so formuliert weiß, dass das Neubaugebiet auch nicht ansatzweise berücksichtigt worden ist, zumal es zwei Neubaugebiete gab, die im Übrigen hervorragend angenommen wurden. Im Sommer 2017 hatte deshalb die CDU-Kreistagsfraktion erneut beantragt, Überlegungen und Planungen bezüglich der räumlichen Erweiterung der Philipp-Schubert-Schule anzustellen, u.a. mit der Begründung, dass nicht nur das Baugebiet „Rabennest“ mit über 100 Wohneinheiten aufgelegt worden sei und seinerzeit praktisch abgeschlossen war, sondern auch ein zweites Baugebiet „Rabennest 2“, wo ebenfalls einige Dutzend Bauplätze entstehen sollen. Es komme hinzu, dass neben der Schule (mittlerweile natürlich fertiggestellt) Wohneinheiten errichtet würden, die ebenfalls dazu führten, dass der Bedarf steigen werde.

Der Kreistag stimmte dem CDU-Antrag zu, wonach dieser Pläne vorlegen soll.

Im Rahmen der Debatte erklärte Schuldezernent Schreiber, dass man künftig von 190 Schülern ausgehe. Ein Erweiterungsbau auf dem Schulgelände sei nicht möglich. Spätestens hier schließt sich wieder der Kreis. Geschehen ist seitdem herzlich wenig. Erneut war Anfang 2018 die CDU-Kreistagsfraktion vor Ort, um sich über die problematische Raumsituation zu informieren und den Kreis darauf aufmerksam zu machen. Dieser erklärte lapidar, dass man bis zu den Herbstferien 2018 abwarten wolle, wie sich alles entwickele. Man brauchte hier nicht abzuwarten, denn neben den beiden neuen Wohngebieten nahm das „Familiendomizil Robinson“ der Firma Wengerter Projektbau auf dem ehemaligen Schulgelände Gestalt an, auf dem 29 Doppelhaushälften geplant sind, respektive realisiert wurden.

Im Dezember 2019 stellte die CDU im Kreistag erneut den Antrag, Planungen für die Erweiterung der Philipp-Schubert-Schule vorzusehen. Der damalige Schuldezernent Schreiber erklärte, dass das nicht nötig sei. Es sei „mittelfristig ausreichend Raum vorhanden“. In die gleiche Kerbe schlug der jetzige Schuldezernent Esch, indem er erklärte, eine Erweiterung der Schule bis zu 13 Klassen sei ohne Einschränkung der Betreuung möglich. Die Umstrukturierung sei mit der Schulleitung abgestimmt worden, und seiner Meinung nach sei der Antrag der CDU-Fraktion nicht begründet, so Esch im Dezember 2019 im Haupt- und Finanzausschuss. Ergebnis: Der Antrag der CDU im Kreistag zum Haushalt 2020/21 wurde von SPD, FWG, Grünen und FDP abgelehnt.

Lösung

Viele Möglichkeiten gibt es im Grunde genommen nicht. Was aus Sicht der CDU der Kreis kurzfristig prüfen muss, ist, inwieweit die Möglichkeit besteht, das bestehende Gebäude aufzustocken oder aber mit der Stadt zu sprechen, inwieweit der städtische Bauhof, der angrenzt, möglicherweise verlagert werden kann. Hier wären Stadt und Kreis aufgefordert, sich Gedanken zu machen.

Die CDU-Kreistagsfraktion wird im Rahmen ihrer Haushaltsplanberatungen für den Haushalt 2022/2023 erneut den Antrag stellen, Planungsmittel in den Haushalt einzustellen sowie Mittel vorzusehen, zunächst mit einem Sperrvermerk, um nach Vorlage der Planungen auch haushaltstechnisch in der Lage zu sein, sofort bauen zu können. Man darf gespannt sein, ob sich jetzt die Kreistagsmehrheit zu einem Ja durchringen wird.

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier

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