Bundestagswahl

CDU Lahn-Dill gewinnt Direktmandat-
Bundespartei kämpft mit Vertrauensverlust

Wenn die ersten Hochrechnungen an den Wahlabenden auf dem Bildschirm erscheinen, bietet sich dem Zuschauer oft ein immer wiederkehrendes Bild: Keine Partei ist Verlierer. Alle Parteien haben gewonnen.

Nicht viel anders war es dieses Mal. Und richtig ist sicher auch:

Die Union hat ihre drei Wahlziele erreicht. Sie ist stärkste Fraktion im Deutschen Bundestag, sie hat Rot-Rot-Grün verhindert und sie hat den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung erhalten. Trotzdem gibt es aus meiner Sicht wenig schön zu reden: Bei einem Verlust von über 8 Prozent ist für eine Volkspartei Demut eher angesagt als Jubel. Ähnliches gilt für die SPD. Am Wahlabend wurde Wahlverlierer Martin Schulz in frenetischer Form gefeiert. Dies obwohl er mit rund 20,5 Prozent das historisch schlechteste Ergebnis in der Geschichte der SPD im Nachkriegsdeutschland zu verzeichnen hatte. Bedenklich.

Was sind die Ursachen für den Vertrauensverlust?

Bereits jetzt ist entscheidend, ob die Lehren aus der Wahl ernsthaft und ehrlich gezogen werden. Wir müssen schonungslos offenlegen und aussprechen, was Millionen Deutsche dazu bewegt, eine Partei rechts der Union zu wählen, die derart oft im Wahlkampf die Grenzen unserer demokratischen Grundordnung in Frage gestellt hat. Gleichzeitig müssen wir auch genau analysieren, was 9 Prozent aller Wähler motiviert, eine Linksaußen-Partei zu wählen, die klar kommunistisches Gedankengut propagiert.

Mein Eindruck ist: Wir müssen wieder offener miteinander sprechen und streiten. Ohne dafür medial gelyncht zu werden. Egal, ob wir die Auffassungen des Gegenübers teilen oder nicht. Wir müssen formulieren und formulieren dürfen, was uns wirklich bewegt. Political Correctness hin oder her. Dies ist eine Botschaft an die etablierten Parteien, aber auch an die Medien. Lasst mehr Diskurs und Meinungsverschiedenheit zu. Das ist es doch, was unsere Demokratie ausmacht!

Dazu gehört auch, dass wir die Sorgen vieler Menschen wieder stärker artikulieren und ernst nehmen. Dass wir wieder genau zuhören bei Themen wie Asylrecht, Asylmissbrauch, Innere Sicherheit, Pflege, Rente, Kriminalität, Arbeitsplätzen in Zeiten der Digitalisierung und knappen Wohnraum.

Und es gibt so manchen Bürger, der mir sagt, er wünschte sich, dass durch die Bedürfnisse der hohen Zahl an Asylbewerbern die Belange der eigenen Bevölkerung nicht in den Hintergrund drängen würden.

Staatsraison vor Parteiraison

Die außenpolitische Lage ist besorgniserregend. Die Konfliktherde sind groß und viele bilaterale Beziehungen stehen gerade unter großer Spannung. Gerade aus diesem Grund sind Berechenbarkeit und Stabilität so zwingend notwendig. Egal, wie man innenpolitisch zur Kanzlerin steht, Deutschland ist nicht zuletzt durch sie international exzellent aufgestellt. Das schadet auch nicht der deutschen Wirtschaft, im Gegenteil.

Schon jetzt ist absehbar, dass eine Regierungsbildung nicht einfach wird. Alle Parteien sind nun gefragt, die Stabilität Deutschlands zu gewährleisten. Auch deshalb kann ich nicht nachvollziehen, wieso sich die SPD fünf Minuten nach Schließung der Wahllokale kategorisch einer Regierungsverantwortung entzieht. Ich glaube, es entspricht der Tradition unseres Landes, dass wir Staatsraison vor Parteiraison stellen. Das bedeutet, dass man sich Gesprächen nicht verweigert, sondern verhandelt. Im Interesse Deutschlands. Für die Zukunft unseres Landes.

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier
Aktuelle Ausgabe4/2024