MdB Hans-Jürgen Irmer: Asylmissbrauch verhindern

Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen arbeitet bundesweit beispielhaft

„Wir können alles zeigen, wir haben nichts zu verbergen“, ließ Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich die Besucher - und damit die Öffentlichkeit - zum Start des Rundganges durch das „Ankunftszentrum (AZ)“ des Landes Hessen in Gießen wissen. Das Ankunftszentrum, die Unterbringungsstandorte in Gießen, Neustadt, Büdingen, Kassel, Bad Arolsen und Darmstadt bilden zusammen mit anderen Verwaltungseinheiten (Medizin, Sozialarbeit, Sozialleistungen) die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen (EAEH). Diese EAEH bildet im Regierungspräsidium Gießen eine eigene Abteilung.

Gäste waren der Wetzlarer CDU-Bundestagsabgeordnete und seit Jahrzehnten Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion Lahn-Dill, Hans-Jürgen Irmer, begleitet von der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Nicole Petersen. Informationen zum Stand der Dinge im und ums AZ vermittelte via Rundgang und anschließendem Gesprächskreis die Führungsebene der im ehemaligen US-Depot ansässigen Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen (EAEH): Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich, Manfred Becker (Abteilungsleiter VII – Flüchtlingsangelegenheiten, Erstaufnahmeeinrichtung und Integration), Annegret Heikkinen (stellvertretende Dezernatsleiterin 76 – Medizin), Daniel Pöhland-Block (Dezernatsleiter 77 – Ankunftszentrum, Aufnahme und Transfer), Erik Hessenmüller (kommissarischer Dezernatsleiter 23.2 – Rückführung) und Christopher Diehl (stellvertretender Leiter des Abteilungsbüros VII).

„Niemand musste auf der Straße schlafen“

Beginnend mit dem Jahr 2015 sah sich Deutschland als Folge einer von praktisch allen Parteien getragenen, bis dahin jedoch in ihrem Umfang nicht gekannten Flüchtlingswelle gegenüber, die bewältigt werden musste. Das Land reagierte und Gießen, seit dem 2. Weltkrieg Stadt der Erstaufnahme aller nach Hessen kommenden Flüchtlinge („Notaufnahmelager“ - zum Beispiel auch für die vor und nach dem Mauerfall im Westen ankommenden Menschen aus dem Osten Deutschlands), rückte noch mehr als zuvor in das Interesse der Öffentlichkeit.

„Wir können stolz auf das sein, was insbesondere ab 2015 und in den Jahren danach geleistet wurde: Niemand musste auf der Straße schlafen“, fasste RP Dr. Ullrich den Blick zurück zusammen. Umständehalber oder auch gezwungenermaßen sei der Standort Gießen 2015 „Im Hau-Ruck-Verfahren“ aufgebaut worden und zusätzlich habe das Ankunftszentrum, in welchem der Asylverfahrensprozess (Registrierung, medizinische Erstuntersuchung, Asylantragstellung, Anhörung, Zuweisung in die Kommunen) durch das Land gesteuert und die Anträge durch das BAMF bearbeitet werden, im Mai 2016 seinen Betrieb aufgenommen. Was dann folgte, war laut Regierungspräsident ein „dynamischer Entwicklungsprozess“, mit dem die Einrichtung, bestehend aus den Unterbringungseinrichtungen und dem Ankunftszentrum „aufgebaut und vorzeigbar ins Laufen gebracht“ werden konnte.

Dynamischer und erfolgreicher Entwicklungsprozess

Derzeit geht es laut den Experten des Ankunftszentrums ruhig und geordnet zu. Täglich finden derzeit zwischen 20 und 80 Geflüchtete den Weg ins AZ an der Rödgener Straße. 2.200 Menschen sind derzeit im Standort Gießen untergebracht, 2.600 in weiteren neun Standorten - einschließlich von vier angemieteten Jugendherbergen - in ganz Hessen. In Gießen greifen im Ankunftszentrum die Räder „alle unter einem Dach“ ineinander. Sozusagen Tür an Tür arbeiten beispielsweise das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die Arbeitsagentur, das Jugendamt und die Ausländerbehörde Hand in Hand zusammen. Hier werden auch die Vorarbeiten für die geeignete Unterbringung in den Standorten erledigt.

Ein Arbeitsschwerpunkt im Ankunftszentrum ist das „Identitätsmanagement“, denn 75 bis 80 Prozent der Ankommenden haben keine Identitätspapiere. Ein weiterer die Erstuntersuchung, der alle Ankommenden unterzogen werden. Er verdient die Einstufung „intensiv“, denn, so das Medizinaldezernat, 70 bis 80 Prozent erreichen das Gießener Ankunftszentrum mit Vorerkrankungen unterschiedlichster Art. Seit Mitte Mai diesen Jahres wird im AZ auch gegen Corona geimpft - mit dem Vakzin von Johnson & Johnson.

Für 1200 täglich ankommende Personen ausgelegt

Ca. 90 „eigene“ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind im Ankunftszentrum Gießen beschäftigt. Weitere unverzichtbare Dienste im Ankunftszentrum und an den Unterbringungsstandorten sind an externe Unternehmen vergeben: Küche, Reinigung, soziale Dienste und - wichtig - die Sicherheit. Denn der Regierungspräsident verschwieg ebenso wenig wie seine führenden Mitarbeiter die Probleme - nicht nur die der ungeklärten Identitäten -, die es angesichts der Heterogenität der in der EAEH zusammenlebenden Menschen natürlich auch gibt - und von denen die Medien anlassbezogen berichten. Tatsache ist laut Regierungspräsident, dass speziell die Nordafrikaner „überproportionale Probleme“ bereiten. Mittlerweile wurde auch die polizeiliche Präsenz im Standort Gießen „zum Schutz der Bevölkerung und zur Bekämpfung der Kriminalität“ wieder verstärkt.

Noch ein paar interessante Zahlen: Das Ankunftszentrum in Gießen ist, um auch extreme Zugänge bewältigen zu können, baulich und organisatorisch auf maximal 1.200 ankommende Personen pro Tag ausgelegt, die innerhalb ihrer ersten Stunden im AZ verschiedene hintereinandergeschaltete Aufnahmestationen durchlaufen. In Hessen gibt es 16.000 ausreisepflichtige ausländische Personen - bundesweit sind es aktuell 250.000. Die Anerkennungsquote der nach Deutschland kommenden Menschen liegt bei zehn Prozent, 20 weitere Prozent dürfen aufgrund unterschiedlicher Kriterien im Land bleiben, 70 Prozent müss(t)en ausreisen. 15.500 offene Verwaltungsstreitverfahren in Sachen Asyl und Bleiberecht sind derzeit alleine in Hessen anhängig.

Verfassungskonformen Asylrecht zur Geltung verhelfen

„Wir haben eine Menge Probleme zu lösen“, ist sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Irmer sicher. Probleme, die sich zu großen Problemen ausweiten werden, „wenn wir nicht rechtzeitig gegensteuern“. Grundsätzlich sprach Irmer der EAEH und den Mitarbeitenden ein hohes Lob für Konzeption und Ablauf der Prozesse, für die gelungene und gelingende Anpassung an sich stets verändernde Strukturen und die damit einhergehenden Lernprozesse angesichts der vielen nach Gießen kommenden Menschen aus vielen Teilen der Welt aus. Allerdings sei es auch unabdingbar, „die Spreu vom Weizen zu trennen“. Es gelte, Menschen mit einem in der Verfassung zugesicherten Asylgrund zu ihrem Recht zu verhelfen. Wirtschaftliche Gründe allein zählten jedoch per Definition nicht zu den Asyl-Kriterien. Angesichts wieder ansteigender Zugangszahlen gilt es laut Irmer, möglichst schnell eine wirksame Antwort auf die Frage zu finden: „Was können, was müssen wir tun?“

Über den Autor

Franz Ewert

Bildergalerie

Aktuelle Ausgabe04.04.