Entwicklungspolitik neu justieren

Chancen und Risiken des afrikanischen Kontinents

Weitgehend unbeachtet von der Weltöffentlichkeit hat sich die Situation in den letzten Jahrzehnten in Afrika leider in Teilen erheblich verschlechtert. Betrug der Anteil Afrikas am Welthandel 1960 (ohne Südafrika) noch rund 9 Prozent, sind es heute lediglich 1,6 Prozent. Trotz Apartheidpolitik war Südafrika wirtschaftlich gesehen erfolgreich. Die wirtschaftlichen Probleme Südafrikas heute sind teilweise so groß, dass es aktuell zu größeren Plünderungen von Supermärkten kam.

Nigeria beispielsweise gehörte vor 25 Jahren zu den 48 reichsten Ländern der Welt, heute zu den 25 ärmsten. Eine bedenkliche Entwicklung, wie Volker Seitz, langjähriger Botschafter in Afrika, 17 Jahre zuletzt tätig in Kamerun, in einem bemerkenswerten Buch unter dem Titel „Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann“ erläutert. Afrika sei unglaublich reich an Rohstoffen, an nutzbaren Böden, an Wasserkraft, an Sonnenenergie und vielem anderen mehr.

Korruption treibt Blüten

In den letzten Jahrzehnten sind Milliarden in die Entwicklungshilfe geflossen. Allein in diesem Bundeshaushalt sind zusammengerechnet ca. 9 Milliarden vorgesehen. Im Prinzip dann gut angelegtes Geld, wenn man sicherstellt, dass es vor Ort auch zweckgebunden ausgegeben wird. Es war über Jahrzehnte einer der größten Fehler in der Entwicklungspolitik nicht nur Deutschlands, dass mit den Geldern teilweise Despoten indirekt finanziert wurden, die zugewiesene Gelder lieber in die eigene Tasche steckten statt in die dafür vorgesehenen Projekte. Deshalb kann Entwicklungshilfe nur dann funktionieren, wenn das Geld, sofern es sich um deutsche Entwicklungshilfe handelt, treuhänderisch auf einem Konto eingezahlt wird, das von Deutschland auch überwacht wird.

Hilfe zur Selbsthilfe muss der entscheidende Maßstab sein. Investitionen afrikanischer Staaten in die Rüstung tragen nicht zur Erhöhung der Sicherheit vor Ort bei. Investitionen sind nötig in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Infrastruktur, stabile Versorgung mit Wasser und Elektrizität, Straßen, Rechtsstaatlichkeit, Gewährung von Eigentumsrechten, Gesundheit, um nur einige zu nennen. Geht es nach dem Afrikakenner Seitz müssten die Parallelstrukturen von Auswärtigem Amt und Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit zusammengelegt werden.

Bevölkerungsexplosion

Ein Problem in Afrika ist derzeit die sehr stark wachsende Bevölkerung. Dort leben aktuell etwa 1,3 Milliarden Menschen. Diese Zahl wird auf 2,5 Milliarden im Jahr 2050 ansteigen und glaubt man den UN-Prognosen bis 2100 auf etwa 4,5 Milliarden. Nimmt man nur die aktuellen Zahlen heißt dies, dass Afrika täglich um 110.000 Menschen wächst, monatlich 3,3 Millionen oder jährlich etwa 40 Millionen. Hatte die Welt 1960 etwa 3 Milliarden Menschen, sind es aktuell rund 8 Milliarden, und ein Ende der Entwicklung ist verständlicherweise nicht abzusehen. Die Probleme, die sich daraus ergeben, sind gerade im afrikanischen Bereich Kriege, Stammesfehden, Hunger, Elend, Kriminalität, Umweltverschmutzung und Fluchtbewegungen nach Europa. Wenn man sich genau diese Bevölkerungsentwicklung anschaut, müsste eigentlich jedem „Gutmenschen“ klar sein, dass diese Probleme nicht in Europa lösbar sind durch Aufnahme von sogenannten Flüchtlingen, ob zu Lande, über das Mittelmeer oder auf welchem Weg auch immer, sondern diese Probleme sind nur in Afrika zu lösen.

Afrikanischer Aufbaufonds

Dazu wäre es nötig, dass die EU mit einer Zunge spricht, einen afrikanischen Aufbaufonds auflegt, natürlich an rechtsstaatliche Bedingungen geknüpft, um vor Ort in den genannten Bereichen zu investieren.

Kolonialmacht China

Genau diese Aufgabe hat bedauerlicherweise aktuell China übernommen. China baut in Afrika Häfen, Flughäfen, Staudämme, Schulen, Krankenhäuser, Straßen, Eisenbahnlinien, stellt Hunderttausende von Arbeitern zur Verfügung, übrigens in der Regel mit paramilitärischer Ausbildung. Das Ganze aber nicht unter dem Aspekt der Hilfe zur Selbsthilfe, sondern ausschließlich unter dem Aspekt, privilegierten Zugang zu Rohstoffen aller Art zu bekommen, um damit Chinas Wirtschaftsmacht einerseits und Expansionswillen andererseits abzusichern, um damit letzten Endes auch eines fernen Tages potenzielle Konkurrenten erpressbar zu machen, indem man die Preise dann diktieren kann, wenn man ein Monopol hat. Selbstlose Motive sind den Chinesen fremd. Deshalb bedarf es einer konzertierten Afrikapolitik, von der Europa allerdings noch weit entfernt ist.

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier
Aktuelle Ausgabe4/2024