MdB Irmer im Gespräch mit enwag-Geschäftsführer Detlef Stein

Energiewende in ihrer jetzigen Form gefährdet Versorgungssicherheit

Große Sorge, was die Versorgungssicherheit in Deutschland perspektivisch angehe, bereite ihm die derzeitige Energiepolitik, so der Geschäftsführer der enwag energie- und wassergesellschaft mbh, Detlef Stein, in einem Gespräch mit dem heimischen CDU-Bundestagsabgeordneten Hans-Jürgen Irmer. Es fehle, so Stein, eine klare Linie. Man gehe zu sehr von optimistischen Annahmen aus und verkenne die Machbarkeit einerseits und die Realität andererseits. Mit Erneuerbaren Energien lasse sich der Energieverbrauch Deutschlands in den nächsten Jahren nicht abdecken.

Verfolgt man die politischen Ziele, im Bereich der Wärmeversorgung und im Verkehr zukünftig verstärkt auf Strom statt auf Erdgas oder Kraftstoffe zu setzen, wird sich der Strombedarf von derzeit 628 TWh auf über 3.000 TWh erhöhen. Dabei ist die ambitionierte Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen bereits berücksichtigt. Woher dieser Strom kommen soll, bleibt offen. Experten gehen davon aus, dass im Rahmen von notwendigen Repowering bestehender Windkraftanlagen durch die gesetzlichen Vorgaben Erzeugungsleistung in großem Umfang verloren gehen wird. Hinzu kommt, dass die wegfallenden Stromerzeugungskapazitäten im Kraftwerkspark ebenfalls durch EEG-Anlagen ersetzt werden müssen. Alleine durch einen sinnvollen Verzicht werden die Ziele nicht erreicht. Es muss vielmehr ein System von radikalen Ver- und Geboten implementiert werden, dass durch höhere Kosten für die Verbraucher begleitet wird.

Durch die hohe Schwankung und nicht Steuerbarkeit der EEG-Anlagen werden bei diesen Strommengen erhebliche Speicherkapazitäten benötigt. Heute schon wird in Deutschland mehr als 1 Mrd. Euro/a in die Systemstabilität der Stromnetze investiert. Von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden die Aktivitäten zur Abschaltung Verbrauchern (Kaskadierung) bei zu wenig Strom und Abschaltung von EEG-Anlagen (Redispatch 2.0) bei zu viel Strom im Netz.

Die Gefahr eines Blackouts sei realistisch, denn das Problem sei, dass der Netzausbau stagniere, die Stromleitungen nicht vorhanden seien und die Speichermöglichkeiten in entsprechender Menge ebenfalls nicht. Durch den steigenden Strombedarf wird das Risiko eines längeren und großflächigen Stromausfalls größer.

Wenn die Politik über die sogenannte Wasserstoff(H2)-strategie diskutiere, muss man das sicherlich tun, aber die Produktion von H2 werde eine deutliche Steigerung des Strombedarfes mit sich bringen, wobei die Verfahren zur Produktion von H2 im notwendigen industriellen Maßstab derzeit erst in den Test- und Pilotphasen seien.

Es gebe ein weiteres Problem, denn die Behandlung der bei der Produktion entstehenden „Reststoffe“ sei nicht geklärt. Geklärt sei auch nicht die Verwendung von H2 als Ersatz für Erdgas. Und ob die Materialien der Erdgasnetze und die Rohrverbindungen bis in die Hausinstallation für H2 tauglich seien, sei ebenfalls noch nicht geprüft. Es komme hinzu, dass aufgrund des unterschiedlichen Brennwertes zwischen H2 und H-Erdgas sämtliche Gasgeräte angepasst werden müssten. Niemand könne heute sagen, wann H2 tatsächlich in welchem Umfang zum Einsatz kommen komme.

Er habe, so Stein, auch erhebliche Zweifel, ob die auch auf EU-Ebene ambitionierten Ziele in der Praxis umsetzbar seien. Wenn die EU fordere, dass eine Gebäudesanierungsquote von 3 Prozent pro Jahr erreicht werden soll - derzeit habe man in Deutschland ca. 0,8 Prozent -, dann seien das erhebliche Investitionen, die von privater Seite zu tätigen wären. Das Ganze kombiniert mit Fachkräftemangel gerade im Bereich Anlagenbau, Tief-, Rohr- und Kabelbau, Gebäudebauwesen und Installation.

Und wenn man dann noch an den derzeit erkennbaren Mangel an den benötigten Baumaterialien denke, dann werde klar, dass ein solches Ziel nicht in der gebotenen Zeit umsetzbar sei. Darüber hinaus stocke der Ausbau der Erneuerbaren Energien aufgrund von Bedenken von Bürgern und Bürgerinitiativen, der Ausbau der Übertragungsnetze benötigt mehr Zeit als geplant. Deshalb komme er, so Stein, zum Ergebnis, dass das, was gut gemeint sei, nicht in hektischer Form beschlossen werden sollte, weil es nicht umsetzbar sei. Man sollte sich prinzipiell erstens Technologieoffenheit bewahren und zweitens Ziele verkünden, die umsetzbar seien.

„Diese Auffassung“, so Irmer, „teile ich ausdrücklich.“ Er dankte Stein für sein engagiertes Wirken bei der enwag über viele Jahre, aber auch für die klare Positionierung in diesen Fachfragen. „Man merkt, dass hier ein Praktiker am Werk ist, und es wäre wünschenswert, wenn die Politik sich verstärkt des Rates der Fachleute bedienen und weniger Ideologen zum Zug kommen lassen würde“, so Irmer abschließend.

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Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier

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