Sieben CDU-Bundestagsabgeordnete reichen Verfassungsklage ein

Nein zur EU-Schuldenunion zu Lasten Deutschland
SPD und Grüne für Vergemeinschaftung der Schulden

Das ist zweifellos ein Paukenschlag. Sieben Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion haben jetzt unter fachlicher Federführung von Professor Dr. jur. Markus C. Kerber eine Verfassungsklage gegen den Beschluss des Deutschen Bundestages und des Bundesrates vom 25. und 26.3.2021 – das sogenannte „Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetz“ – eingereicht, weil dieser Beschluss die im Grundgesetz garantierte Haushaltsautonomie des Bundestages in unzulässigerweise einschränkt.

Worum geht es genau?

Der Europäische Rat hat sich im Juli 2020 auf ein 750 Milliarden Euro schweres Aufbauinstrument, den sogenannten Wiederaufbaufonds, mit dem Namen „Next Generation EU“ geeinigt. Zu dessen Finanzierung soll die Europäische Kommission mit einem sogenannten Eigenmittelbeschluss ermächtigt werden, die dafür erforderlichen Kredite am Kapitalmarkt aufzunehmen, um diese 750 Milliarden Euro dann an die Mitgliedsstaaten weiterzugeben, 390 Milliarden Euro davon als Kredite und 360 Milliarden davon als verlorene Zuschüsse. Im November 2020 einigte sich dann die EU-Kommission auf den genannten Wiederaufbaufonds, wobei die Mitgliedsstaaten jeweils noch zustimmen mussten.

Nach diesen Planungen erhält Italien 81 Milliarden als Zuschuss und 127 Milliarden als Kredit, Spanien 67 Milliarden Zuschuss und 72 Milliarden Kredit, Frankreich 40 Milliarden Zuschuss, Polen 30 Milliarden Zuschuss und 34 Milliarden Kredit, Griechenland 20 Milliarden Zuschuss und 13 Milliarden Kredit. Deutschland zahlt netto rund 52 Milliarden und hat einen 24-prozentigen Anteil an der Kreditbedienung in Höhe von insgesamt mindestens 200 Milliarden in den Jahren 2028 bis 2058. Aus diesen 750 Milliarden werden wegen der seinerzeit beschlossenen Formulierung „zu Preisen von 2018“ im Endeffekt rund 820 Milliarden werden.

Mittel nicht zweckgebunden

Am Anfang hat man erklärt, dieser Aufbaufonds sei mit Bedingungen verbunden, um die Corona-Krise zu überwinden. Das heißt, theoretisch müssen die Staaten nachweisen, was sie mit den Mitteln machen. Nachdem die Staaten zugestimmt haben, ist von dieser Zielsetzung nicht mehr viel übrig, denn die Empfängerländer werden nicht zu Reformen oder Haushaltsdisziplin verpflichtet. Sie können im Prinzip mit den Zuschüssen und Krediten machen, was sie möchten. So hat Spanien bereits erklärt, die Sozialausgaben um 10 Prozent steigern zu wollen. Außerdem prüft man die Einführung der Viertagewoche. Die Italiener haben die Rentenreform zurückgenommen, so dass die Frühverrentung ab 62 Jahren wieder möglich ist. Das heißt, eigene Anstrengungen zu unternehmen, sind erst einmal in weitere Ferne gerückt, denn an der Stellschraube Renteneintrittsalter und Rentenbezugsdauer können Frankreich, Spanien, Griechenland und Italien beispielsweise noch sehr intensiv schrauben, denn die Rentenbezugsdauer in diesen Ländern liegt im Schnitt um zwei bis drei Jahre länger als in Deutschland, zumindest nach dem Stand 2018.

Wie wachsweich die Verträge gestrickt sind, kann man daran erkennen, dass auch nicht ansatzweise erklärt wird, auf welcher europäischen Rechtsgrundlage eigentlich Kredite von der EU aufgenommen werden. Es ist dies im Grunde genommen die entscheidende Frage, denn in der sogenannten „Nichtbeistandsklausel in den EU-Verträgen“ wird eine Haftung für die Schulden anderer Mitgliedsstaaten ausgeschlossen!! Es wird nicht der Haftungsumfang anderer Mitgliedsländer definiert. Es wird nicht definiert, wie die Mittelvergabe und vor allen Dingen die Mittelverwendung überwacht werden soll, die Bedingungen sind offen. Dies ist ein Paradigmenwechsel innerhalb der EU, denn bisherige und frühere Hilfsmaßnahmen für einzelne Länder waren immer (!) über den EU-Haushalt abgesichert und abgedeckt und die Vergabe der Mittel an Bedingungen geknüpft. Jetzt ist Wildwest angesagt.

Einmaligkeit der Maßnahme?

Für den finanzpolitischen Sprecher der Union, Eckhardt Rehberg, war immer klar, dass dieser Wiederaufbaufonds nur eine einmalige Angelegenheit sein könne und es keinen Einstieg in die Haftungs- und Schuldenunion sein dürfe. Wer Eckhardt Rehberg kennt, glaubt ihm das. Gleichwohl ist mit diesem Eigenmittelbeschluss des Deutschen Bundestages und des Bundesrates ein Dammbruch in der Richtung erfolgt, wie ihn Rot-Grün schon immer haben wollte. Finanzminister Scholz und der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Roth (beide SPD), haben denn auch in den Debatten deutlich gemacht, dass dies ein Einstieg in die Fiskal- bzw. damit Schuldenunion der EU sei. Auch die Grünen haben gemeinsame europäische Schulden, die zu Lasten Deutschlands gehen, immer befürwortet.

Aus Sicht der überzeugten Europäer, die jetzt dagegen klagen, ist genau dies der falsche Weg, denn nach ihrer Auffassung muss jeder Staat für die eigenen Schulden haften, und Transfers, die in der Regel an Kredite geknüpft sind, müssen auch finanziert werden. Das heißt, sie müssen an Bedingungen geknüpft werden. Wenn dies nicht der Fall ist, wird die gute Grundidee Europas zerstört. Diese Einmaligkeit des Wiederaufbaufonds, ursprünglich angedacht, wird, so die Auffassung der sieben Abgeordneten, keine Einmaligkeit bleiben, wenn man weiß, dass erstens Rot-Rot-Grün für die Vergemeinschaftung der Schulden ist, aber auch die Chefin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, schon im November 2020 gefordert hat, diese Hilfsmechanismen dauerhaft einzurichten. Und es wundert nicht, dass Italien prompt einen Schuldenerlass für klamme Länder eingefordert hat.

Bei der Gelegenheit muss man auf den Schuldenstand der europäischen Nachbarn hinweisen, und zwar in Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Dies sah 2020 so aus: Griechenland 205 Prozent Verschuldung, Italien 161, Portugal 137, Spanien 123, Frankreich 118, Österreich 84, Deutschland 73. Laut der europäischen Verträge ist die Höchstgrenze 60 Prozent. Darunter liegen einige wenige kleine Staaten, die baltischen Staaten und die Niederlande.

Risiko für Deutschland

In der Klage der sieben Abgeordneten wird gefordert, dass die Beschlüsse des Bundestages und des Bundesrates für unwirksam erklärt werden, so dass die deutsche Zustimmung zur Aufnahme von Kapitalmarktanleihen durch die EU nicht möglich wäre. Es ist, so die sieben Abgeordneten, laut EU-Vertrag der Europäischen Union untersagt, an den Kapitalmärkten Schulden aufzunehmen und die Haftung von Schulden eines Mitgliedslandes einem anderen Mitgliedsland aufzubürden. Wenn die Maßnahme zum Tragen kommen sollte, könnten sich einzelne Mitgliedsstaaten ohne Angabe von Gründen Geld aus diesem Fonds leihen und wiederum ohne Angabe von Gründen die Zurückzahlung verweigern, weil man klamm ist, nicht zahlungsfähig… Die Schulden müssten dann durch die anderen Mitgliedsstaaten, vor allem Deutschland, getilgt werden.

Ein völlig inakzeptables Risiko, losgelöst von der Grundsatzproblematik, dass bestehendes EU-Recht eklatant verletzt wird. Eine solche Schuldenunion widerspricht dem Grundgesetz, und das Haushaltsrecht des Deutschen Bundestages wird ausgehebelt und im Prinzip von Deutschland an die EU abgegeben. So jubelte denn auch der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), dass der Fonds und dessen Finanzierung ein „notwendiger und längst überfälliger“ Schritt auf dem Weg in die Fiskalunion sei.

Experten warnen

Die CDU-Abgeordneten stehen mit ihrer Klage und ihrer Warnung nicht alleine. Es gibt eine Fülle von Verfassungsrechtlern, die das genauso sehen. Auch der Bundesrechnungshof hat dieses Gesetz für nicht zustimmungsfähig erklärt, die unionsnahe Konrad-Adenauer-Stiftung warnt vor den Folgen. Es handele sich um einen Dammbruch, denn es gebe ein absolutes Schuldenverbot im europäischen Haushaltsrecht. Zu zitieren ist abschließend Professor Ferdinand Kirchhof, der mit diesem Gesetz den ersten Schritt in Richtung einer Schuldenunion erreicht sieht.

Für die sieben Unionsabgeordneten im Übrigen ein lange geplanter linker Schritt, denn wenn man sich den Verteilerschlüssel für die einzelnen Ländern anschaut, der sich orientiert an der durchschnittlichen Arbeitslosigkeit der Jahre 2015 bis 2019, so hat das mit der Pandemiebekämpfung und der Coronafolgenbewältigung nichts zu tun. Es geht um etwas anderes. Und genau deshalb ist die Verfassungsklage zwingend notwendig.

 

Sie klagen gemeinsam:

Dr. Michael von Abercron, Schleswig-Holstein

Veronika Bellmann, Sachsen

Eckhard Gnodtke, Niedersachsen

Hans-Jürgen Irmer, Hessen

Dr. Saskia Ludwig, Brandenburg

Sylvia Pantel, Nordrhein-Westfalen

Dr. Dietlind Tiemann, Brandenburg

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier

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