Mehr Toleranz wagen

Maulkorb und Berufsverbot für Corona-Kritiker?

Unter dem Motto „#allesdichtmachen“ haben kürzlich 50 Künstler in satirischer Form die Corona-Maßnahmen der Bundes- und der Landesregierung kritisiert und damit auf die Folgen für sie und ihren Berufsstand aufmerksam gemacht. Ob man die Corona-Maßnahmen für gut hält oder nicht, ist völlig unerheblich. Manche Bürger sind der Auffassung, dass alle Corona-Beschränkungen noch viel schärfer ausfallen müssten, manche sind der Meinung, dass viele Maßnahmen unlogisch sind. Das kann man auch nachvollziehen. Unlogisch ist es, wenn man auf der einen Seite in den Supermarkt gehen kann, aber nicht in ein Einzelhandelsgeschäft mit ausgeklügeltem Hygienekonzept. Man darf während der Ausgangssperre zu zweit nicht eine Einzelperson besuchen, umgekehrt kann aber die Einzelperson zu einem Paar kommen. Logisch ist das alles nicht. Der Beispiele ließen sich weitere finden.

Jetzt haben Künstler es gewagt, Kritik an diesen Maßnahmen zu üben, und zwar in satirischer Form. Das hat etwas mit Kunst, Kunstfreiheit und Kultur zu tun. Ob jeder Beitrag als gelungen bezeichnet werden kann, sei dahingestellt. Womit diese Künstler aus verschiedenen Bereichen nicht gerechnet haben, war der soziale Shitstorm, dem sie sich anschließend ausgesetzt sahen. Einige zogen mit dem Ausdruck des Bedauerns ihre Beiträge zurück, weil sie mit der Hetze im Netz und den pauschalen Vorwürfen, man würde Corona-Leugner bedienen, nicht zurechtkamen oder sie regelrecht unter Druck gesetzt wurden. Politiker sind das tendenziell eher gewohnt, Schauspieler und Künstler in der Regel weniger. Die Diffamierung hat in Teilen funktioniert, obwohl es unter den Künstlern keinen gibt, der das Virus oder Corona auch nur ansatzweise leugnet. Es war der berechtigte, um nicht zu sagen verzweifelte Hinweis auf die Situation von Kunst und Kultur.

Übler Druck

Wenn Garrelt Duin, Ex-SPD-Minister in Nordrhein-Westfalen, im WDR-Rundfunkrat fordert, die Zusammenarbeit mit beteiligten Tatortstars wie Jan Liefers oder Ulrich Tukur zu beenden, oder ein Rundfunkrat des RBB in Berlin die Schauspieler zum Rapport zitieren will, hat das mit freier Meinungsäußerung und Demokratie nichts mehr zu tun. Es ist der unverhüllte Versuch, kritisch-konstruktiven Menschen einen Maulkorb zu verpassen und de facto ein Berufsverbot auszusprechen. „Ich teile deshalb“, so der heimische CDU-Bundestagabgeordnete Hans-Jürgen Irmer, „die Auffassung des Oberbürgermeisters von Tübingen, Boris Palmer (Grüne), der gefordert hat, dass man sich ernsthaft mit der Frage befassen sollte, warum so viele bekannte Schauspieler mitmachen. Das Ganze seriös und ernsthaft.“ Ausgrenzung statt Debatte, so Palmer, heiße bedauerlicherweise die Devise. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier
Aktuelle Ausgabe4/2024