Kommunalwahl 14.3.2021

Eine sehr stabile Union im Lahn-Dill-Kreis
SPD verliert – Grüne legen zu

Der Pulverdampf einer historischen Kommunalwahl ist verraucht. Eine Wahl, die Corona-bedingt unter Begleitumständen stattfand, die es noch nie gab. Digitalformate waren aus der Not heraus bestimmend, aber sie ersetzen keine physische Begegnung mit Bürgern. Es fehlten die Wahlkampfstände, das persönliche Gespräch in der Fußgängerzone, vor dem Supermarkt…. Es fehlten die öffentlichen Veranstaltungen. Eine Herausforderung für alle Wahlkämpfer, egal welcher Partei sie angehören.

Die Rahmenbedingungen für die Parteien waren sehr unterschiedlich. Die Grünen profitierten von der psychologischen Wohlfühlwelle ihrer Partei auf Bundesebene. Akzente vor Ort fand man im Kreistag beispielsweise extrem selten. Die SPD litt ohne jeden Zweifel unter dem schlechten Image ihrer Bundespartei, und die Union hatte schwerpunktmäßig, obwohl die SPD mitregiert, unter den Problemen der Corona-Bekämpfungsstrategie zu leiden. Hinzu kamen teils sehr aufgebauschte Maskenskandale – das individuelle Fehlverhalten von drei oder vier Abgeordneten, die zu Recht sämtliche Konsequenzen ziehen mussten, rechtfertigt nicht eine pauschale Verurteilung der Union, weil 99,9 Prozent der Aktiven, ob im Bundestag, in den Landtagen, Kreistagen, Stadtparlamenten, eine ehrliche und verantwortungsbewusste Politik machen. Im Übrigen ist nach den erfolgten Landtagswahlen, die parallel zu der Kommunalwahl stattfanden, von den Geschichten der Herren Nüßlein und Löbel wenig zu lesen.

Die Rahmenbedingungen waren ähnlich wie 2016, als eine dramatisch zu große Zahl von Asylbewerbern und Wirtschaftsasylanten nach Deutschland kam, oder 2011, als Fukushima den Grünen emotional zu zusätzlichen Prozentpunkten verhalf. Alle drei Wahlen waren für die kommunale Union schwierig. Trotz allem hat die Union an Lahn und Dill Stabilität mit 30,1 Prozent bewiesen, ein Verlust von gut einem Prozent und dem Verlust von einem Sitz. Deutlicher hat es die SPD gebeutelt, die glatte 5 Prozent verlor und jetzt bei 24,9 Prozent liegt. Die Grünen stiegen auf 14,2 Prozent, ein Plus von 5,9 Prozent. Weitgehend unverändert die Ergebnisse der anderen Parteien: AfD minus 1 Prozent, FWG minus 0,6, FDP plus 0,1, SED/Linke plus 0,4, NPD bedeutungslos mit einem Minus von 1,3 und jetzt bei 0,7 Prozent gelandet – erfreulich.

CDU-Hochburg

Einmal mehr zeigte sich eine gewisse Zweiteilung im Lahn-Dill-Kreis. Der alte Dillkreis, traditionell eine Hochburg der Union, der alte Kreis Wetzlar deutlich stärker SPD-orientiert. So wundert es auch nicht, dass die CDU-Hochburgen mit 48,5 Prozent in Eschenburg, 47,1 Prozent in Driedorf, 44,2 Prozent in Siegbach, was für Siegbach allerdings eine Riesensensation ist, denn dort herrschte über Jahrzehnte die SPD teilweise mit absoluten Mehrheiten, Breitscheid mit 43,7 Prozent, Dillenburg mit 41,7 Prozent. Es folgen Hohenahr mit 39,8 Prozent, Braunfels mit 37,3 Prozent, Haiger mit 35,9 Prozent. Die wenigsten Wähleranteile hatte die CDU in Aßlar, Solms, Schöffengrund und Waldsolms mit im Schnitt etwa 20 Prozent. Erfreulich, dass bei den 23 Städten und Gemeinden zwölfmal die Union die stärkste Fraktion wurde.

Beste Ergebnisse

Das mit Abstand beste Ergebnis mit einem Plus von 12,3 Prozent erzielte Siegbach, Mittenaar plus 3,7, Lahnau plus 3,4, Driedorf plus 3,4, Herborn plus 3,3 und Greifenstein plus 3,0. Dem stehen auf der Minusseite entgegen Haiger mit minus 9,1, Aßlar mit minus 5,6 und Dillenburg mit minus 5,2 Prozent. Spätestens bei diesen Ergebnissen kann man auch feststellen, dass lokale Begebenheiten neben dem allgemeinen Trend eine gewisse Rolle gespielt haben.

Wie geht es weiter?

Das steht zumindest zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels nicht fest. Auf Kreisebene gibt es im Prinzip zwei Möglichkeiten. Realistischerweise Variante 1, bei der es um die Fortführung der bisherigen Vierer-Koalition aus SPD, FWG, Grünen und FDP geht. Variante 2 ist eine Große Koalition, die den Vorteil hätte, stabil und berechenbar zu sein und dramatisch weniger Koordinierungsaufwand für alle Beteiligten bedeuten würde. Aber der Ball dafür liegt in letzter Konsequenz in den Händen der SPD. Vermutlich in den nächsten ca. 14 Tagen/drei Wochen wird sich entscheiden, in welche Richtung es geht.

Auf der kommunalen Seite der Städte und Gemeinden gibt es unterschiedlichste Konstellationen, die möglich sind. Spannend dürfte die Kreisstadt Wetzlar sein. Hier haben SPD, FWG und Grüne ihre Mehrheit verloren und sind entweder auf einen vierten Partner (FDP/SED/Linkspartei) angewiesen oder es gibt eine Große Koalition. Andere Optionen bestehen nicht. Kurzum, die Kommunalpolitiker stehen vor spannenden Wochen, um auszuloten, welche Konstellationen möglich und gut sind.

Niedrige Wahlbeteiligung

Auch wenn die Wahlbeteiligung um 2,1 Prozent auf 46,6 Prozent gestiegen ist, so ist dies unbefriedigend. Wenn man bedenkt, dass die Wahlbeteiligung in den 80er Jahren bei ca. 70 Prozent lag und in den 90er Jahren immer noch bei gut 60 Prozent, dann wird klar, hier gibt es Luft nach oben. Es ist schade, dass Menschen das Recht der Wahl, die Möglichkeit nicht wahrnehmen. In vielen Ländern dieser Welt gehen Menschen auf die Straße, demonstrieren, lassen sich einkerkern für das Recht auf eine freie, demokratische und geheime Wahl. Wir haben seit Jahrzehnten genau diese Wahlmöglichkeiten, und wenn die Hälfte der Bürger, aus welchen Gründen auch immer, diese Wahlmöglichkeiten nicht nutzt, dann ist dies höchst bedauerlich.

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier

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