Grüne

Maulkorb für Vorsitzende der eigenen Stiftung

Alle Parteien haben eigene Stiftungen, die vom Steuerzahler finanziert werden und die im Grunde genommen zur Aufgabe haben, über den Tellerrand von Politik hinauszuschauen. So auch die Heinrich-Böll-Stiftung, eng angelehnt an die Grünen, die 1996 als Denkstube gegründet wurde, mittlerweile rund 300 Beschäftigte hat und in ca. 40 Ländern der Welt Büros unterhält, finanziert mit über 70 Millionen Euro.

Die Chefin dieser Stiftung ist Ellen Ueberschär, eine ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin, die bis 2017 in der Evangelischen Kirche tätig war. Sie hatte einen Aufsatz im „Berliner Tagesspiegel“ zum Thema der transatlantischen Beziehungen zu den USA veröffentlicht. Mit dabei namhafte Einrichtungen wie das Aspen Institute oder die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik. Transatlantiker im besten Sinne, die das Verhältnis USA und Europa prinzipiell positiv sehen und im Sinne der Demokratiestärkung ausbauen wollen.

In besagtem Artikel wurde gefordert, dass Deutschland im Rahmen der Nato mehr finanzielle Mittel aufbringen müsse, um die „Fähigkeit zur konventionellen Verteidigung“ sicherzustellen. Im Übrigen eine alte US-Forderung. 2 Prozent des Bruttoinlandproduktes sollten dafür ausgegeben werden, zu der sich die Regierung Schröder/Fischer (Grüne) verpflichtet hatte, die aber nicht erfüllt wurde. Im Gegenzug dazu sollten die USA zu ihrer nuklearen Schutzzusage stehen, die nötig ist, um den Weltfrieden zu erhalten, zumindest solange es Nuklearwaffen-Staaten außerhalb der Nato gibt. Das war zu viel für linke Grüne und die Pazifisten in der eigenen Truppe. Eine grüne Vordenkerin, die sich zum nuklearen Schutzschirm der Nato bekennt!

Maulkorb

Im Rahmen einer vor kurzem stattgefundenen Digitalkonferenz zum Thema Transatlantizismus hatte Grünen-Chefin Annalena Baerbock ein 45-minütiges sogenanntes Impulsreferat gehalten und deutlich gemacht, dass Anspruch der Grünen sei – naiver geht es im Übrigen nicht -, eine atomwaffenfreie Welt erreichen zu wollen. Das Ziel ist hehr, aber von grüner Seite aus sollte man sich mit den Nuklearmächten einmal ernstlich auseinandersetzen, die für eine gigantische atomare Aufrüstung derzeit sorgen, ob China, ob Russland oder der Iran. Natürlich wäre es schön, wenn man eine Welt ohne Atomwaffen hätte, natürlich wäre es schön, wenn man eine Welt ohne Kampfwaffen hätte, aber bei aller Begeisterung für dieses Ziel darf man die Lebenswirklichkeit nicht ausblenden.

Unabhängig von dieser Anmerkung sollte ursprünglich die Stiftungsvorsitzende als Rednerin auftreten. Sie war angekündigt, nahm aber ohne Erklärung nicht teil. Die Wahrscheinlichkeit eines Maulkorbes liegt auf der Hand, denn sie erntete Kritik aus linker grüner Richtung - Jürgen Trittin: „Da fasst du dich an die Birne“, für andere war die „Anpassung der Böll-Stiftung an die Nato peinlich und ekelhaft“… Mit anderen Worten, der alte Kampf bei den Grünen zwischen Realos und Utopisten.

Toleranz?

Es sind gerade die Grünen, die immer wieder Toleranz und Offenheit einfordern, natürlich immer nur von anderen gegenüber allen möglichen Minderheitenpositionen. Toleranz eigenen Leuten gegenüber, wenn sie von der vorherrschenden Mehrheitsmeinung innerhalb der Grünen abweichen, ist offensichtlich ein Fremdwort. Wie heißt es im Leitbild der Heinrich-Böll-Stiftung? „Wir sind ein Ort für offene Debatten“. Vielleicht sollte sich Frau Baerbock mit diesem Leitbild einmal vertiefend befassen.

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier
Aktuelle Ausgabe4/2024