AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag

Inakzeptable Attacke gegen den Parlamentarismus

Vor wenigen Tagen stand im Deutschen Bundestag die Abstimmung über das Infektionsschutzgesetz auf der Tagesordnung, zu dem es ohne Zweifel unterschiedliche Auffassungen gibt. Aber wie immer man auch inhaltlich zu dem Gesetz steht, das, was AfD-Abgeordnete im Vorfeld der Abstimmung inszenierten, erinnert an dunkle deutsche Kapitel. So hatten einige AfD-Abgeordnete sogenannte Besucher mit in das Reichstagsgebäude gebracht, die Parlamentarier, die zur Abstimmung wollten, regelrecht bedrängten, filmten und Büros unerlaubterweise betraten. Völlig inakzeptabel.

Hier wird das freie Recht auf Mandatsausübung mit Füßen getreten. Es gab danach zu Recht eine Aktuelle Stunde über diese Provokation, die gezielt inszeniert war. Druck auf Abgeordnete im Reichstagsgebäude, um ein bestimmtes Abstimmungsverhalten zu erreichen, ist gesetzeswidrig und kann nicht geduldet werden. Deshalb gab es von Union, SPD und FDP sowie Grünen massive Kritik an diesem unparlamentarischen Verhalten. Fairerweise muss man hinzufügen, dass sich AfD-Chef Gauland für die Aktion seiner Abgeordnetenkollegen entschuldigte. Inwieweit dies eine strategische Entschuldigung oder inhaltlich ernstgemeint war, muss an dieser Stelle offenbleiben.

So berechtigt die Kritik parteiübergreifend war, so muss man gleichwohl darauf hinweisen, dass es in der jüngeren Vergangenheit einige Vorfälle gab, die mit parlamentarischen Gepflogenheiten genauso wenig übereinstimmen. Es wäre wünschenswert, wenn grundsätzliche alle (!) Fraktionen des Deutschen Bundestages Maßnahmen kritisieren würden, die unparlamentarisch sind und die nicht in den Reichstag gehören. Wenn im Sommer Mitglieder von Greenpeace mit Hilfe eines Abgeordneten auf das Dach des Reichstages gelangen, um Transparente aufzuhängen, wenn Mitglieder von Extinction Rebellion Flugblätter im Reichstag verteilen oder wenn Fridays-for-Future-Mitglieder im Plenarsaal „toten Mann“ spielen, so ist dies mit den Spielregeln der parlamentarischen Demokratie genauso wenig zu vereinbaren. Hier sind alle Seiten gefordert, die Würde des Hauses und die Würde des Parlamentes entsprechend zu achten.

Wer sich mit Geschichte befasst hat, weiß, wie es in der Weimarer Republik angefangen und wie es vor allen Dingen geendet hat. Einhalten der Spielregeln, gegenseitiger Respekt, gegenseitige Achtung und die Bereitschaft zu einer echten Diskussionskultur im Sinne des Streitens um die besten politischen Lösungen für das Land müssen Richtschnur allen Handelns sein.

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier

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