Gemeinsame EU-Agrarpolitik – nur 20 Prozent für die Umwelt?

80 Prozent der Fördergelder sollen flächenabhängig verteilt werden, die restlichen 20 Prozent für Umweltmaßnahmen zur Verfügung stehen. „Viel zu wenig“, schimpfen die NGOs und die Grünen. „Wir brauchen weniger Pflanzenschutz, Dünger und Antibiotika“, hört man aus dem Umweltministerium. 20 Prozent Umschichtung der finanziellen Mittel zugunsten des Umweltschutzes, was steckt dahinter? 5 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen sollen brach liegenbleiben zugunsten von Insekten und Vögeln, hört man jetzt schon. Sollen wir Bauern jetzt noch Geld fürs Nichts-Tun bekommen?

Wie ist es derzeit? Der Landwirt erhält für jeden Hektar seiner bewirtschafteten Fläche einen Festbetrag, der deutschlandweit für Ackerland, Grünland und aus der Produktion genommene Flächen (Brachland) gleich ist. Daran gebunden ist die Auflage, dass 5 Prozent des Ackerlandes als ökologische Vorrangfläche dienen. Hier gibt es dann verschiedene Möglichkeiten, z.B. Anbau von Leguminosen, Kleegras, Blühflächen oder Brache. Zusätzlich bieten die Länder verschiedene (freiwillige) „Maßnahmen im Umweltinteresse“ an, eher allgemeine wie z.B. Ökologischen Landbau, Extensivierung von Grünland, Blühstreifen oder spezielle Fördermaßnahmen für spezifische Arten, wie Hamster, Makulinea, Braunkehlchen usw. Diese Möglichkeiten werden hierzulande gut genutzt, denn sie sind eine betriebswirtschaftliche Option für den rechnenden Landwirt. In den Top-Ackerbauregionen sieht die Rechnung allerdings oft anders aus. Dauergrünlandflächen stehen bereits jetzt unter besonderem Schutz und können, wenn überhaupt, nur auf Antrag umgebrochen werden. Generell ist die Auszahlung der Flächenprämie an eine Vielzahl von Auflagen und Dokumentationspflichten zur Landbewirtschaftung, Düngung, Pflanzenschutz und Tierhaltung gekoppelt und kann bei Verstößen empfindlich gekürzt werden.

Letztendlich muss man sehen, wie die GAP-Verhandlungen weitergehen und Bund und Länder die EU-Vorgaben dann ausgestalten. Vor dem Hintergrund, dass bis 2050 die Weltbevölkerung auf über 10 Milliarden Menschen anwächst und ernährt werden will, sollte man es sich nicht leisten, in Deutschland und Europa Gunstregionen für den Anbau von Getreidearten, Gemüse und Obst, Flächen leichtfertig zu extensivieren. Mit wetterbedingten Ernteausfällen und den Auswirkungen des Klimawandels gibt es zudem weitere Unsicherheitsfaktoren. Wenn wir uns von Ausland abhängig machen, haben wir keinen Einfluss auf die Erzeugung und es widerspricht auch allen Forderungen nach Regionalität und CO2-Vermeidung. Die eigene Versorgung mit Nahrungsmitteln sollte hier nicht aus der Hand gegeben werden, indem man durch immer mehr Restriktionen und Auflagen den Landwirten ihre Arbeit beschränkt. Denn deren Aufgabe ist es, hochwertige Nahrungsmittel zu erzeugen und davon sollten sie auch ihren Lebensunterhalt bestreiten können.

Für den Nichtlandwirt ist es wahrscheinlich kaum vorstellbar, wenn er auf einen Betrieb kommt und all die Maschinen und Schlepper sieht. Aber ohne die flächenbezogenen Fördergelder ist kaum ein Ackerbaubetrieb lebensfähig. Die gesellschaftliche Entwicklung und die Globalisierung haben auch vor der Landwirtschaft nicht halt gemacht. Vergleicht man die Erzeugerpreise in den 80er Jahren, vor Einführung der flächengebundenen Fördermaßnahmen der EU, so sind sie deutlich gefallen, z.B. bekam man für 100 kg Weizen 1984 noch 42,50 DM, jetzt sind es 16 bis 18 Euro. Durch den Züchtungsfortschritt und Verbesserungen in der Anbautechnik ist das nicht aufzufangen. Die Kosten der Produktionsfaktoren aber sind parallel zur allgemeinen Preissteigerung gestiegen. Kein Wunder also, dass die Anzahl der Betriebe konstant rückläufig ist. Freiwerdende Flächen werden von anderen übernommen. Danach läuft es in der Landwirtschaft genauso wie in der übrigen Wirtschaft: Das Einkommen kann nur durch die Erhöhung der Stückzahl erhalten werden, sprich: mehr Land, mehr Kühe usw. Am augenfälligsten ist die Entwicklung in der Milchviehhaltung: Kühe sieht man fast nur noch in Grünlandregionen. Entweder halten die Betriebe dann große Stückzahlen mit 100 und mehr Kühen oder sie haben weitere Einkommensquellen. An dieser Stelle kommt dann der Begriff der Massentierhaltung ins Spiel, aber darauf soll hier nicht weiter eingegangen werden.

Flächenbezogene Förderprämien dienen also einerseits der Einkommensstabilisierung der landwirtschaftlichen Betriebe und – was den meisten Menschen nicht klar ist – sie dienen der Bevölkerung, indem die Lebensmittelausgaben, die derzeit im Durchschnitt bei rund 11 Prozent des verfügbaren Einkommens liegen, auf diesem niedrigen Niveau bleiben und damit der Bevölkerung genug Geld für die weiteren Konsumausgaben übrig bleibt.

Wie sich die Abschaffung der Prämien auf die Betriebe und die Nahrungsmittelpreise auswirken würden, mag sich jeder selbst überlegen. Eine „Bullerbü-Landwirtschaft“, wie sie in den Köpfen vieler noch herumspukt, hat sich überlebt und die kann man nicht mehr zurückholen. Die Wirklichkeit geht in eine andere Richtung und auch Wissenschaft und Forschung sind nicht stehengeblieben. Wir müssen hinschauen und sollten endlich mit dem Vorurteil aufräumen, dass diese Entwicklung falsch sei, ohne Tierwohl und umweltschädlich.

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Aktuelle Ausgabe4/2024