Zielgruppengespräch der CDU Lahn-Dill:

Heimische Feuerwehr-Führungskräfte treffen Innenminister Peter Beuth
Das Land Hessen weiß, was es an seinen Feuerwehren hat

Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) ist kraft Amtes unter anderem oberster Chef der Feuerwehren in Hessen. Und weiß, dass der Brandschutz und gleichfalls der Katastrophenschutz und somit der Schutz aller Bürger im Land nicht ohne das ehrenamtliche Engagement vieler sicherzustellen sind. Im Falle der Freiwilligen Feuerwehren sind es hessenweit mehr als 70.000 ehrenamtliche Feuerwehr-Aktive beiderlei Geschlechts in rund 2000 Freiwilligen Feuerwehren. Auf Einladung der CDU Lahn-Dill traf sich der Innenminister im Herborner Gutshof mit zwei Dutzend Feuerwehrkameraden aus dem Lahn-Dill-Kreis, die allesamt im Kreis sowie in Städten und Gemeinden führende Aufgaben übernommen haben. Auch diese, wie gesagt, ehrenamtlich. Moderiert wurde das anderthalbstündige "Zielgruppengespräch" von den beiden heimischen CDU-MdL Jörg Michael Müller (Herborn) und Frank Steinraths (Wetzlar).

Beuth lobte dieses schon vor Jahren auf Initiative des CDU-Kreisvorsitzenden Hans-Jürgen Irmer, der selbst etwas später eintraf, „erfundene“ Gesprächsrunden-Format, in dem Probleme, Fragen und Vorschläge, in diesem Falle aus und für die Feuerwehrarbeit, zielgerichtet und praxisorientiert diskutiert werden könnten.

Und an Problemstellungen mangelt es nicht. Das war aber eigentlich schon immer so. Sie betreffen Personal und Ausrüstung, die Unterkünfte, die Sorge um den Nachwuchs, die nicht immer im gewünschten Maße vorhandene Bereitschaft von Arbeitgebern, Feuerwehrkameraden während der Arbeitszeit in ihrer ehrenamtlichen Arbeit für die Menschen im Einsatz- und Notfall zu unterstützen und - als völlig unverständliche Entwicklung in der jüngsten Vergangenheit - die zunehmende Zahl von Behinderungen, Beleidigungen und gar tätlicher Angriffe auf Einsatzkräfte, die anderen Menschen wollen. „Mir fehlen die Worte angesichts dessen, was dort mittlerweile immer häufiger geschieht“, so Innenminister Beuth. Zugleich stellte der eindeutig klar, dass die Politik in Hessen an der Seite der Einsatzkräfte, seien es Feuerwehr, Rettungsdienste oder Polizei, stehe.

Laut Minister engagiere sich das Land in erheblichem Maße in den Bereichen Feuerwehren und Katastrophenschutz. Was die Investitionszuschüsse in Sachen Anschaffung von Einsatzfahrzeugen und Bau von Feuerwehr-Unterkünften betreffe, habe das Land in 95 Prozent aller aus den hessischen Landkreisen angemeldeten Fälle die Finanzbedarfe bedient. Im Wissen, dass der Bereich Jugendfeuerwehren und Kinderfeuerwehren eine „große Aufgabe“ im Blick auf die Zukunftssicherung der Feuerwehren darstellt, habe das Land Hessen sechs Millionen Euro in den Nachwuchsbereich investiert. Das Land könne und wolle Unterstützung leisten, um die Feuerwehren als „Schatz“ in allen 422 hessischen Städten und Gemeinden zu erhalten.

Dazu zähle auch die Landesfeuerwehrschule in Kassel, an der in Zeiten von Corona derzeit nur Führungskräfte aus- und weitergebildet würden. Die Führungsebene der Feuerwehren in Kommunen und Kreisen zu sichern, sei insbesondere auch deshalb wichtig, da die „Stehzeiten“ von beispielsweise Gemeinde- und Stadtbrandinspektoren mittlerweile wesentlich kürzer seien als in früheren Jahren. Dass derzeit Lehrgänge an der Feuerwehrschule für Ehrenamtliche unterhalb der Führungsebene „herausgenommen“ wurden, um in Corona-Zeiten zu vermeiden, dass die HLFS zum „Hotspot“ mutieren könnte, „tut mir in der Seele weh“, so Beuth. Und dass sich Corona auf die Übungsintensität in den einzelnen Wehren negativ auswirke, ebenfalls.

Kai Reeh, Stadtbrandinspektor Herborn, brachte auch namens vieler seiner Kollegen seine Sorgen in einem engagiert vorgetragenen Statement zum Ausdruck. Das Feuerwehrwesen befinde sich seit Jahren in einem beschleunigten Umbruch. Zu beobachten sei ein „Feuerwehrsterben“, indem Ortsteilwehren geschlossen werden. Gesellschaftlich Veränderungen im Allgemeinen und die Corona-Krise im Besonderen beschleunigten diesen Wandel „massiv“. Das habe wohl auch Auswirkungen auf die „Hilfefrist-Garantie“ von zehn Minuten zwischen Alarmierung und Eintreffen am Einsatzort. Insgesamt hat sich laut Reeh die Einsatzwelt verändert.

Große Einsätze seien mittlerweile die Ausnahme, kleine Einsätze die Regel - bis hin zu Nottüröffnungen und Rauchmelder-Alarmen. Im Wissen, dass das Gefahrenabwehrsystem in Deutschland ohne die Bereitschaft vieler Mitbürger zum ehrenamtlichen Engagement nicht auskomme und nicht aufrechterhalten werden könne, regte Kai Reeh an, darüber nachzusinnen, wie es zum Beispiel bei und mit den Feuerwehren weitergehen könne. „Die Verantwortlichen müssen sich vor ein weißes Blatt setzen und anfangen zu denken.“

Die von den Feuerwehrführungskräften aus dem Lahn-Dill-Kreis vorgebrachten Argumente, Anregungen und - auch kritischen - Hinweise sind dem Minister bekannt. Einschließlich der Klage über eine immer stärkere „Bürokratiebelastung“ für die Kameradinnen und Kameraden. Allerdings wies Beuth darauf hin, dass er sich gerade auch mit den leitenden Feuerwehrkameraden einig sei, dass im Einsatz und im Umgang mit den Menschen keine Fehler gemacht werden dürfen und sollen, um Klagen und juristische Verfahren zu vermeiden. Deshalb seien die Qualitätsstandards bei der Feuerwehrarbeit und auch die Verantwortung der Leitung hoch angesiedelt - was ein nicht unerhebliches Maß an Bürokratie zwangsläufig einschließe.

Laut Minister gibt es in Deutschland nur vier Bundesländer, in denen eine Hilfefrist von zehn Minuten gilt, alle anderen haben längere Fristen zwischen Alarmierung und Eintreffen am Einsatzort. Daran dürfe sich in Hessen auch angesichts der Veränderungen im Feuerwehrwesen nichts ändern, denn eine Verlängerung der Hilfefrist verschlechtere das Hilfeangebot und die Qualität der Hilfe für die Bürger. So sehr er froh über jede Feuerwehr in jedem Orts- und Stadtteil sei, so ist dem Minister dennoch klar, „dass wir in vielen kleinen Ortsteilen nicht umhinkönnen, dass Feuerwehren geschlossen werden“. Dies sicher nicht „per Verordnung von oben“, wohl aber als „natürlicher Prozess“, der allerdings „begleitet“ werden müsse. Im Zuge dessen plädierte Beuth dafür, die Feuerwehr-Tradition in den betroffenen Ortsteilen zu erhalten. Nämlich in Form der jeweiligen Feuerwehrvereine, die weiterbestehen sollten, auch wenn Einsatzabteilungen notwendigerweise zusammengelegt würden.

Und noch eine weitere Überlegung in Personaldingen brachte Beuth ins Spiel. Auf der einen Seite sei es richtig und wichtig, sich um die Jugend zu bemühen und sie für die Feuerwehr zu begeistern, andererseits seien viele ältere Kameraden bereit und körperlich dazu auch in der Lage, über die Altersgrenze hinaus in der Einsatzabteilung Dienst zu tun. Diese Kameraden gilt es laut Beuth „zu halten“, indem beispielsweise die Altersgrenze „flexibel nach oben“ verändert werden könnte. Die Wehren unterstützen derartige Überlegungen.

Zum Ende der Veranstaltung dankten Jörg Michael Müller und Frank Steinraths den anwesenden heimischen Feuerwehrführungskräften für die sachbezogene Diskussion und dem Hessischen Innenminister Peter Beuth für die Bereitschaft, sich vor Ort mit den Betroffenen über deren Anliegen auszutauschen. Müller: „Derartige offene und kritische Diskussionen sind wichtig - denn wir wollen ja miteinander etwas erreichen.“

Über den Autor

Franz Ewert

Bildergalerie

Aktuelle Ausgabe11/2024