Moria und die griechischen Inseln

Katrin Göring-Eckardt, Ex-Präses der EKD-Synode, aber alles andere als bibelfest

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Deutschen Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, war von 2009 bis 2013 Präses der EKD-Synode. Ihr Lebensgefährte Thies Gundlach ist Vize-Präsident des Kirchenamts der EKD. Also könnte man meinen, dass sie besonders bibelfest ist, zumal sie, zumindest kurzzeitig, Theologiestudentin war. Göring-Eckardt war vor einigen Tagen auf der griechischen Insel Lesbos im Lager Moria, um Europa und Deutschland auf die moralische Anklagebank zu setzen und gleichzeitig zu fordern, die Asylbewerber dort überwiegend nach Deutschland zu holen. Deutschland müsse vorangehen, so Göring-Eckardt.

Barmherzigen Samariter mit Heiligem Martin verwechselt

Sie erklärte, schließlich habe auch der barmherzige Samariter seinen Mantel geteilt und nicht gewartet, bis jemand kommt und sagt: „Ich wäre auch noch bereit“. Dumm nur, dass dieses biblische Beispiel falsch ist., denn derjenige, der den Mantel teilte, war nicht der barmherzige Samariter, sondern der Heilige Martin, wie Alexander Wendt in einem bemerkenswerten Beitrag in der Zeitung „Publico“ schrieb. Dieser habe seinen eigenen(!) Mantel geteilt, statt andere zu zwingen, ein Stück von ihrer Kleidung abzuschneiden. Und auch der barmherzige Samariter habe mit eigenen(!) Mitteln einem Einzelnen(!) geholfen, der unter die Räuber gefallen war. In der Bibel liest sich das so: „Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg und ließen ihn halb tot liegen. Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab; er sah ihn und ging vorüber. Ebenso kam auch ein Levit zu der Stelle; er sah ihn und ging vorüber. Ein Samariter aber, der auf der Reise war, kam zu ihm; er sah ihn und hatte Mitleid, ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein eigenes Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn. Und am nächsten Tag holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme.“

Der Samariter drängte also nicht den Wirt, die Rechnung zu übernehmen, sondern zahlte selbst. Die Lehre daraus ist, wer seine eigenen(!) Mittel verwendet, wäge ab, inwieweit seine Hilfsleistung zu seinen Möglichkeiten passt. Auch Sankt Martin teilt seinen Mantel nur ein Mal(!) für einen(!) Bedürftigen. Grüne, Linke/SED und Teile der SPD fordern, dass man mehr Flüchtlinge aufnehmen müsse, die Kirchen fordern das. Man könnte in Umkehrschluss auch die Frage stellen, welchen Beitrag finanzieller Art denn die Kirchen selbst zur Verfügung stellen wollen. Wenn die EKD annähernd neun Millionen Euro pro Jahr nur aus Mieten, Pachten und Kapitalerträgen einnimmt, dann kann man erahnen, über welchen Milliardenvermögen sie verfügt. Das Gleiche gilt im Übrigen für die katholische Kirche. Das Bistum München und Freising besitzt gut sechs Milliarden, das Bistum Köln 3,35 Milliarden, vergleichsweise arm das Bistum Limburg mit einer Milliarde. Die Stadt Wetzlar bietet Unterstützung allgemeiner Art an, fordert aber gleichzeitig die Finanzierung vom Bund/Land. Wahre Bereitschaft sieht anders aus. Es ist immer leicht seine moralische Höhe auf den Geldbergen anderer zu errichten.

Hilfe ja

Um nicht missverstanden zu werden, natürlich muss man den Menschen vor Ort helfen, um sie menschenwürdig unterzubringen. Deshalb hat der Bund das THW dorthin entsandt, Hilfsgüter geschickt, andere Staaten ebenfalls. Die mehr oder weniger einseitige Bereitschaft zur erneuten Aufnahme im Gegensatz zu den weitestgehend anderen Staaten Europas schwächt die Position Deutschlands in den Verhandlungen über eine gemeinsame europäische Asylpolitik, weil die anderen Staaten davon ausgehen, dass Deutschland ohnehin etwas macht und sie prinzipiell zum einem hohen Teil völlig anderer Auffassung sind. Es wird kein vernünftiger Kompromiss möglich sein. In letzter Konsequenz besteht die Gefahr, dass es einen sogenannten Pull-Effekt, also eine Sogwirkung. Anna-Lena Baerbock erklärt dazu, dass alle Migrationsforschung sage, es gebe den Pull-Effekt nicht. Sie hat wahrscheinlich die Studie aus Dänemark nicht in Erinnerung, die nachweist, dass es einen engen Zusammenhang, eine Korrelation gibt zwischen der Höhe der gezahlten Sozialleistungen und der Zahl derjenigen, die kommen.

Zur Wahrheit gehört auch, dass diejenigen, die auf Lesbos sind, das gilt für die anderen Inseln genauso, zu 70 Prozent nicht kommen, weil sie politisch verfolgt werden, das wäre tatsächlich ein Asylgrund, sondern weil sie wirtschaftliche Gründe haben. Dies ist menschlich durchaus verständlich, aber kein Asylgrund, denn wenn man das, so verständlich das individuell auch ist, zum Maßstab des Handelns machen würde, müssten wir in Deutschland über eine Milliarde Menschen aufnehmen. Deshalb ist die spannende Frage an Rot-Rot-Grün, wo denn in ihren Augen ein Ende der Aufnahmefähigkeit gegeben ist. 23 Milliarden Euro im Bundeshaushalt für den Asylbereich insgesamt könnte man zumindest teilweise sicherlich auch etwas sinnvoller ausgeben.

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier
Aktuelle Ausgabe4/2024