Hessen

Grüne Bildungspolitik gescheitert

Als es im Jahr 2013 erstmalig zu einer schwarz-grünen Regierungsbildung in Hessen kam, versuchten die Grünen eine neue Schulform zu etablieren. Sie wollten zusätzlich eine „Schule für alle“, auch Gemeinschaftsschule genannt. Eine Schule, in der jahrgangsübergreifend, fachübergreifend und ohne Benotung unterrichtet werden sollte. Dieser Versuch 2013 scheiterte damals an der Union. Der seinerzeitige bildungspolitische Sprecher Hans-Jürgen Irmer erklärte damals, dass man grundsätzlich keine weitere Schulform benötige. Man sei aber offen für Anträge der jeweiligen Schulen, die sich für pädagogische Änderungen einsetzten.

Das Ergebnis ist bekannt. Von 2013 bis 2018 hat sich keine Schule gemeldet. Es kamen die Landtagswahlen 2018, die Neuauflage von Schwarz-Grün. Der Koalitionsvertrag wurde in dieser Frage etwas verändert. Unter der Überschrift „Pädagogisch selbstständige Schule“ soll ermöglicht werden, dass fachübergreifender Unterricht erteilt wird und jahrgangsübergreifende Lerngruppen gebildet werden können, Schüler stärker in die Gestaltung des Unterrichts einbezogen werden sollen und auf Noten verzichtet werden soll. Stattdessen sollen lediglich schriftliche Bewertungen erteilt werden. Auch 2018/2019 hatte die CDU für derlei Wünsche wenig Verständnis, aber in einer Koalition muss man Kompromisse schließen, so dass seinerzeit vereinbart wurde, dass sich bis zu 30 Schulen pro Jahr an dem Projekt beteiligen können.

Flop

In Hessen gibt es ca. 2000 Schulen aller Schulformen. Ganze vier Schulen haben beschlossen, sich an dem Reformprojekt zu beteiligen. Vorher müssen Schulkonferenz, Schulelternbeirat und die Schülervertretung zugestimmt haben.

Noten sind Orientierung

Es ist gut, dass die überwältigende Mehrheit sowohl der Lehrerschaft als auch der Schüler und Eltern diesen pädagogischen Unsinn der Abschaffung der Benotung nicht mitmacht. Wenn jemand verbal einen Schüler bewerten will, auch dafür gibt es durchaus gute Gründe, so kann er das heute bereits zusätzlich zu einer vergebenen Note tun. Schüler brauchen Orientierung. Deshalb sind Noten wichtig. Im Übrigen besteht die große Gefahr, dass bei einer sehr heterogenen Elternschaft mit einem vergleichsweise relativ hohen Anteil von Migranten viele die eigentliche Kernbotschaft einer schriftlichen Bewertung gar nicht verstehen oder auch missverstehen.

Es kommt hinzu, dass Jugendliche in weiterführenden Oberstufenschulen, in Berufsschulen, in der Lehre, im Studium benotet werden, um den Leistungsstand auszudrücken. Es macht also von daher keinen Sinn, sie vorher in Watte zu packen und sie unter fachlichen Aspekten orientierungslos zu lassen, wo sie denn inhaltlich eigentlich stehen. Wie will man eine Formulierung wie: „Er bemühte sich im Rahmen seiner Möglichkeiten redlich“ inhaltlich bewerten? Ist das noch ausreichend oder mangelhaft oder gar befriedigend im Sinne des Schülers, weil er sich „im Rahmen seiner Möglichkeiten“ betätigte? Abgesehen davon ist es mittlerweile hinlänglich bewiesen (!), dass genereller fächerübergreifender Unterricht zu einem Niveauverlust führen muss und dass jahrgangsübergreifender Unterricht, wenn er zum Prinzip erhoben wird, ebenfalls zum Scheitern verurteilt ist. Man denke nur an das gescheiterte Modellprojekt JüL (jahrgangsübergreifender Unterricht) in der Berliner Grundschule. Schüler haben nur eine Schulzeit und sollten nicht als Versuchskaninchen missbraucht werden.

Über den Autor

Hans-Jürgen Irmer
Hans-Jürgen Irmer
Herausgeber Wetzlar Kurier
Aktuelle Ausgabe4/2024